Die „Optik des Geistes“ und der Geist des Okkulten – Ein Gespräch mit Hartmut Traub

2. Juni 2012 at 7:58 pm 16 Kommentare

Redefreiheit.
„Die Wahrheit muß gesagt werden, und wenn die Welt in Stücke gehen sollte!“
– so ruft, mit großem Munde, der große Fichte! –
Ja! Ja! Aber man müßte sie auch haben! –
Aber er meint, jeder solle seine Meinung sagen,
und wenn alles drunter und drüber ginge.
Darüber ließe sich mit ihm noch rechten.
– Friedrich Nietzsche: Morgenröte (4. Buch, 353)

Waldorfschulen, demeter-Landwirtschaft und Weleda-Kosmetik sind weit bekannt, eine kleinere Öffentlichkeit ist auch über den okkulten Weltanschauungskosmos Rudolf Steiners informiert. Der philosophische Werdegang Steiners vor seiner Wende zur Esoterik ist aber bisher fast nur durch apologetische Stellungnahmen von AnthroposophInnen erschlossen, die versuchen zu zeigen, „dass die eigentlichen spirituellen Wurzeln des Frühwerks“ bereits in der „übersinnlichen Wirklichkeit liegen“ (Sergej Prokofieff), die der späte Steiner als Esoteriker beschwor. Die Realität ist freilich komplizierter. Dazu befragte ich Hartmut Traub, der mit seinem Buch „Philosophie und Anthroposophie“ jüngst eine ideengeschichtliche Analyse und philosophische Kritik dieses ‚frühen‘ Steiner vorgelegt hat.

Ansgar Martins: Was interessiert Sie als Nichtanthroposoph und in Absetzung von der apologetischen Steinerdeutung an einer „Grundlegung und Kritik“ der vor-esoterischen Philosophie Steiners?

Hartmut Traub: Das Problem, das Sie hier ansprechen, ist der philosophischen Forschung nicht unbekannt. Es geht um die häufig auftretende Frage, wie der Entwicklungsprozess eines Philosophen und die darin auftretenden Schwerpunktverlagerungen seines Denkens zu verstehen sind. Bei Platon etwa unterscheiden wir die frühen von den mittleren oder späten Dialogen. Bestimmt der Sokratische Zweifel die frühen Dialoge, so tritt in den späten Dialogen die Ideenlehre in den Vordergrund. Oder nehmen sie ein anderes Beispiel: Ludwig Wittgenstein. Hier stehen wir vor der Frage, ob der Wittgenstein der „Philosophischen Untersuchungen“ noch der Wittgenstein des „Tractatus“ ist. Oder denken Sie an die „Kehre“ vom frühen zum späten Heidegger. Auch in der Fichte-Forschung, in der ich die Ehre habe, seit geraumer Zeit aktiv mitzuwirken, kennen wir dieses Problem. Wir fragen uns etwa, wie die radikalen Revolutionsschriften des frühen Fichte mit den geschichtsmetaphysischen Offenbarungsspekulationen des späten Fichte zusammen passen? Grundsätzlich kann man sagen, dass Philosophieren – auch bei den großen Denkern – ein Lern- und Entwicklungsprozess ist. Das impliziert Veränderung. Wenn Sie von Steiners „Wende zur Esoterik“ sprechen, dann geht es genau um diese Frage nach dem Lern- und Entwicklungsprozess von Steiners Denken.

Martins: Wie gehen Anthroposophen mit diesem Lernprozess Steiners um?

Traub: Die anthroposophische Steiner-Forschung kennzeichnet der Versuch, den „ganzen Steiner“, das heißt, den esoterischen wie den prä-esoterischen Steiner, allein vom Ende seiner geistigen Entwicklung her erschließen und deuten zu wollen. Das ist ein höchst spekulatives und problematisches Unternehmen. Der Steiner der Philosophie der Freiheit hätte dagegen ernste Vorbehalte ins Feld geführt. Denken Sie etwa an seine Kritik der Teleologie auf dem Felde der Moral- und Geisteswissenschaften. Die „retrospektive Interpretation“, wie ich das genannt habe,  birgt nämlich die Gefahr, die originäre Bedeutung und Eigenständigkeit der Ideen der früheren Phasen von Steiners Denken nicht angemessen würdigen zu können,  weil die Sicht von der Einseitigkeit des anthroposophischen Standpunktes dominiert wird. Werkgeschichtlich scheint mir das ein zentrales Problem der anthroposophischen Steiner-Deutung zu sein.

Martins: Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

Traub: An vielen Stellen meines Buches wird gezeigt, dass man mit der retrospektiven Interpretation in die größten Schwierigkeiten gerät. Dazu nun das Beispiel. Es gibt eine anthroposophische  Deutung des Kapitels III der Philosophie der Freiheit, die behauptet, dass sich darin eine vierstufige Theorie des Denkens befände. Was dabei übersehen wird, ist die werkgeschichtliche Tatsache, dass die Referenzstelle für die vierte Stufe im ursprünglichen Text nicht enthalten war. Sie befindet sich in einer Fußnote, die  von Steiner 1918 eingefügt wurde. Solche Ungereimtheiten ließen sich zahllose nennen. Dieses Problem entsteht der anthroposophischen Steiner-Forschung alleine dadurch, dass sie geradezu zwanghaft versucht, Steiners frühe Schriften in ein esoterisches Interpretationskorsett zu zwängen. Mein Anliegen läuft dem genau entgegen. Ich nehme die frühen Arbeiten in ihrer Genese und der Vielfalt ihrer Themen ernst, und ich denke auf diesem Wege gezeigt zu haben, dass Steiner mehr zu bieten hat, als das, was uns die anthroposophische Steiner-Forschung sehen lassen möchte.

Martins: Wie würden Sie Steiners philosophische Weltanschauung zusammenfassen?

Traub: Wenn ich an den frühen Steiner und die Philosophie der Freiheit denke, dann haben wir es hier mit einem radikal-individualistischen Denkansatz zu tun, der davon überzeugt ist, durch die Kraft einer persönlichen Denkerfahrung die großen philosophischen Themenfelder der Erkenntnis, der Ethik und der Kosmologie erschließen und neu strukturieren zu können.

Steiner und Fichte

Martins: Sie betonen vor allem, dass Steiner seine Positionen in vielen Details und großen Entwürfen dem Idealismus Johann Gottlieb Fichtes verdankt. Naiv gesagt: Was wollte Fichte und wie hat Steiner ihn rezipiert?

Traub: In dem, was ich soeben über die Philosophie der Freiheit sagte, und das gilt auch für Steiners Dissertation und „Wahrheit und Wissenschaft“, ist es das von Descartes über Kant und Fichte gelegte  Fundament der Geschichte der Philosophie der Neuzeit: das „Ich-denke“, von dem Steiner – im übrigen auch Stirner, Schopenhauer und Nietzsche – fasziniert war. Bei Fichte kommt hinzu, dass sein cogito (co-agito) zugleich ein volo, ein „Ich-will“, ein video, ein „Ich-sehe“ und ein afficio, ein „Ich-fühle“ ist. Es ist ja doch sehr bemerkenswert, dass J.G. Fichte der  Referenzphilosoph von Steiners Dissertation war. Seine Dissertation heißt nicht, wie das manche Vertreter der anthroposophischen Steiner-Forschung gerne behaupten, Wahrheit und Wissenschaft, sondern: Die Grundfrage der Erkenntnistheorie mit besonderer Rücksicht auf Fichte’s Wissenschaftslehre. Das heißt, Steiner hat seine Erkenntnistheorie vor allem an Fichtes Theorie der intellektuellen Anschauung und der Theorie vom „inneren Sehen“ ausgerichtet. In diesem Punkt gibt es von Steiners Seite aus keinen Dissens zu Fichte. Im Gegenteil: Fichtes „sehende Setzungskraft“ oder „setzende Sehkraft“, die aufs Innerste mit der Freiheitshandlung des Ich verbunden ist, ist auch das Theorem, von dem aus Steiner seine Philosophie konzipiert.

„Steiner hat seine Erkenntnistheorie vor allem an Fichtes Theorie der intellektuellen Anschauung und der Theorie vom ‚inneren Sehen‘ ausgerichtet“

Bei Fichte ist mit der Theorie des „übersinnlichen Sehens“ zudem eine sehr interessante interpersonal gedachte Idee des „Geisterreichs“ verbunden. Ich bin davon überzeugt, dass auch dieser Gedanke für Steiner Signalwirkung, wenn nicht gar Prägefunktion gehabt hat.

Martins: Wo liegen Steiners Differenzen zu Fichte?

Traub: Von Fichte verabschiedet er sich dann bei den Themen „Transzendentalität“ und „Konstitutivität“. Allerdings, und auch das habe ich ausführlich gezeigt, gibt es in diesem Themenkomplex bei Steiner eklatante Missverständnisse und Fehleinschätzungen. Und die betreffen nicht alleine Fichte, sondern vor allem auch Kant. Sie betreffen aber auch die Beurteilung des eigenen Denkansatzes. Lassen Sie mich auch dazu ein Beispiel geben. Wenn Steiner behauptet, Begriffe, etwa der der Kausalität,  werden nicht induktiv durch Generalisierung sinnlicher Wahrnehmungen gewonnen, sondern liegen der Möglichkeit der Ursache-Wirkungs-Erfahrung bereits zu Grunde, dann hat er sich damit nicht nur nicht vom kategorialen Denken der Transzendentalphilosophie abgesetzt, sondern exemplarisch wiederholt und bekräftigt, was etwa Kant in seiner transzendentalen Analytik ausführlich erörtert. Davon unberührt ist allerdings die Frage nach dem Verhältnis von Kants Theorie der Objektivität transzendentaler Begriffe und Steiners Lehre von der Realität der Begriffe und Ideen.

„Windmühlen seiner eigenen Phantasie“

Martins: Wie gut kannte Steiner sich im Kanon der ‚abendländischen‘ Philosophie aus? In der „Philosophie der Freiheit“ finden sich Bezüge auf Hegel und Humes berühmtes Billardkugel-Beispiel, aber auch eine bemerkenswert verfehlte Spinozakritik. In Ihren Worten kämpft Steiner mit seiner philosophischen Polemik hier teilweise gegen die „Windmühlen seiner eigenen Phantasie“. Warum?

Traub: Steiner war, lassen Sie es mich etwas bildhaft ausdrücken, ein „literarischer Vielfraß und Schnellesser“. Was er sich alles in kürzester Zeit angeeignet zu haben scheint, ist atemberaubend. Nehmen Sie allein Kants Kritik der reinen Vernunft. Wer mit dem ernsthaften Studium dieses Werks einmal angefangen hat, der wird sehr schnell feststellen, dass man damit nicht in drei Wochen fertig sein kann.  Nichtsdestoweniger hat sich Steiner mit vielen Autoren der Philosophiegeschichte sehr intensiv auseinander gesetzt, sie studiert, exerpiert und auch internalisiert, Nietzsche und Stirner z.B. Was die „Windmühlen seiner eigenen Phantasie“ betrifft, so geht es hier um das Spannungsverhältnis zwischen philosophiegeschichtlicher Redlichkeit im Umgang mit Autoren einerseits und um die argumentationsstrategische Modellierung von Positionen zum Zweck einer polemischen Selbstbehauptung andererseits. Im Dienst der Ausschärfung der eigenen Position wendet Steiner die Methode der Verzerrung philosophischer Gegenargumente an. Dieses methodologisch durchaus legitime Verfahren führt bei ihm allerdings dazu, dass die Ausschärfung der eigenen Position zugleich als Widerlegung des verzerrten Standpunktes behauptet wird. Und das geht nun nicht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel.

Martins: Ich bitte darum!

Steiner, Kant und das Etikett Neukantianismus

Traub: Steiner behauptet in seiner Dissertation, Kants Kritik der reinen Vernunft mache die synthetischen Urteile a priori zur voraussetzungslosen Grundlage der Erkenntnistheorie.  Und jetzt wird gezeigt, dass sie diese Funktion nicht übernehmen können, weil  sich nachweisen lässt – so Steiner –,  dass dieser Voraussetzung eine andere zugrunde gelegt werden muss, nämlich das Erkennen des Erkennens selbst. Zur Einführung und Ausschärfung der eigenen Erkenntnistheorie ist das ein legitimer Ansatz. Nun aber zu behaupten, damit sei Kant widerlegt, ist Unsinn. Denn es müsste zunächst geprüft werden, ob die synthetischen Urteile a priori tatsächlich der Punkt sind, an dem man Kants transzendentale Erkenntnistheorie aufhängen kann. Das aber – und das habe ich in meiner Kritik zu diesem Punkt minutiös nachgewiesen – ist nicht der Fall.  Kants „Erkenntnistheorie“ auf der Lehre von den synthetischen Urteilen a priori aufzubauen und dann heftig dagegen zu streiten, ist ein Kampf gegen Windmühlen der eigenen philosophischen Phantasie. Von solchen Fällen gibt es in Steiners Schriften etliche. Auch Schopenhauer, Hartmann, Spinoza, Descartes natürlich auch Fichte oder etwa bestimmte Inhalte der Theologie und des christlichen Glaubens werden auf diese Weise von Steiner traktiert. Ein großer Teil meiner Kritik an Steiners Argumentationsstrategie besteht im ausführlichen Nachweis der Unhaltbarkeit dieses Verfahrens der Urteilsbildung.

„Der erkenntnistheoretische Bezug deckt nun aber bei weitem nicht Steiners Verhältnis zu Kant ab“

Martins: Überhaupt war Kant ein weiterer wichtiger Referenzpunkt für Steiner, von dem er sich offiziell aber meist abgrenzte, ihn gar zum Gegner stilisierte. Dem widersprechen u.a. Helmut Zander und auch der Alanus-Philosophieprofessor Harald Schwaetzer, die Steiner zumindest im Neu-Kantianismus situieren. Wo sehen Sie Steiners Differenzen zu und Übereinstimmungen zu ihm?

Traub: Ich würde zunächst einmal grundsätzlich zwischen Steiners Bezug zu Kant und zum Neukantianismus unterscheiden. Das ist deswegen wichtig, weil es bei Steiner einen originären, differenzierten und nicht nur ablehnenden Bezug zu Kant selbst gibt, der weit über das für den Neukatianismus zentrale Thema der transzendentalphilosophischen Erkenntnistheorie hinaus reicht. Aber zunächst zur Verortung Steiners im Neukantianismus. Ich halte die Ausleuchtung des geistesgeschichtlichen Umfeldes, in dem sich Steiner bewegt, für ein fruchtbares und auch notwendiges Forschungsprojekt. Und dabei spielt der Neukantianismus durchaus eine wichtige Rolle. Man muss dabei aber zwei Dinge beachten. Der Neukantianismus ist keine in sich homogene philosophiegeschichtliche Strömung. Das bedeutet, man muss klären: Welches theoretische Problem  interessiert Steiner bei welchem Vertretern des Neukantianismus? Thematisch geht es, wenn ich das richtig sehe, vor allem die vom Neukantianismus aus begründete erkenntnistheoretische Kritik am Materialismus. Dieser erkenntnistheoretische Bezug deckt nun aber bei weitem nicht Steiners Verhältnis zu Kant ab. Ich habe den Eindruck, dass die Verortung Steiners im Neukantianismus von der Intention geleitet wird, Steiner in erkenntnistheoretischen Fragekontexten festzusetzen. Das aber wird seinem Verhältnis zu Kant nicht gerecht.

Martins: Wo und wie geht Steiners Verhältnis zu Kant über erkenntnistheoretische Fragen hinaus?

Traub: Mit ihm verbinden sich vor allem auch moralphilosophische Fragestellungen. Denken Sie etwa an die Kerndimension von Steiners Anthropologie, die Unterscheidung zwischen dem „Normal-Menschen“ und dem „höheren Menschen“. Hier gibt es eine bemerkenswert enge, wenn auch ambivalente Beziehung zu Kants Lehre vom „niederen“ und „höheren Begehrungsvermögen“. Diese, für Steiner höchst relevanten Freiheitsfragen kommen  in seiner  Auseinandersetzung mit den Vertretern des Neukantianismus nicht zur Sprache. Wegen der Gefahr der Problemverengung habe ich Schwierigkeiten mit dem Thema „Steiner im Neukantianismus“, wie ich überhaupt ein Problem mit der „Ismen“ Etikettierung von Philosophen habe. Steiner und der Spiritualismus, Steiner und der Okkultismus, Steiner und der Transzendentalismus oder Steiner und Neukantianismus usw. Die „Ismen-Debatte“ läuft meines Erachtens Gefahr, vom lebendigen Gedanken weg zu führen und sich in Strukturgittern philosophiegeschichtlicher Konstruktionen zu verfangen.

Martins: Was wäre Ihr Gegenvorschlag?

Traub: Es ist dringend erforderlich,  zwischen unserer Rekonstruktion von Steiners ideengeschichtlichem Umfeld einerseits und den Bezügen zu expliziten, philosophischen Positionen und konkreten Argumentationen, die Steiner selbst herstellt, andererseits, zu unterscheiden. Ich habe mich ausschließlich mit Letzterem beschäftigt. Der Vorteil ist dabei, dass ich mich auf sicherer textlicher Grundlage bewege.  Zwar nennt Steiner – etwa in der Philosophie der Freiheit – auch Vertreter des Neukantianismus, Friedrich Albert Lange zum Beispiel, konkrete oder thematische Argumentationszusammenhänge werden aber nicht wirklich hergestellt. Das ist bei Eduard von Hartmann, Fichte oder Kant deutlich anders. Bei diesen Autoren nennt Steiner die konkreten gedanklichen Zusammenhänge, mit denen er sich auseinandersetzt, ja, er zitiert sie gelegentlich, wie etwa Kant mit seinem Pflichtbegriff.  Diese Bezüge machen eine Erörterung von konkreten Sachfragen ergiebiger als eine hypothetische Zuordnung „des ganzen Steiner“ zu welcher Geistesströmung auch immer. Und nun zu meinem zweiten Punkt. Für eine Einschätzung von Steiners ideengeschichtlichem Kontext ist darüber hinaus eine angemessene Gewichtung der jeweils unterstellten Einflüsse von Bedeutung. Das heißt, neben der Frage: „Was ist unsere Rekonstruktion, und was ist Steiners eigene Referenz?“, muss auch die Frage, „Was ist marginal und was zentral?“ mit Blick auf „Steiner und der Neukantianismus“ erörtert werden.

Was bleibt nach der ideengeschichtlichen Kontextualisierung?

Martins: Reformulierte Steiner letztlich nur andere Beiträge? Gibt es eine originär Steinersche Position im philosophischen Diskurs seiner Zeit?

Traub: Kontextualisierung ist ein schillernder Begriff. Das habe ich ja soeben anzudeuten versucht. Wenn damit die epochale Kategorisierung Steiners in Strukturraster irgendwelcher „Ismen“ gemeint ist, dann tut man seinem philosophischen Ansatz keinen Gefallen. Man muss sich schon der Mühe des geistigen Mitvollzugs seines Denkens unterziehen, wenn man das Eigentümliche seiner Philosophie entdecken will. Im Übrigen bin ich nicht der Ansicht, dass Reformulierung oder Reorganisation mit  einem pejorativen Unterton verstanden werden sollte. Ich habe in meinem Buch Marcel Prousts „Gesetz der Optik des Geistes“ erwähnt. Dieses „vom Schicksal gewollte Gesetz“ ist für Ihre Frage nach der Reformulierung oder Originalität Steiners relevant. Proust behauptet, dass unsere eigene Weisheit dort beginnt, wo die des Autors endet. Was eben auch bedeutet, dass wir die Wahrheit von niemandem erhalten können, sondern dass wir sie selbst schaffen müssen. Was Autoren können, so Proust, ist: „unsere Liebe zu den Dingen zu erwecken, die für sie bedeutungsvoll sind.“ Die Schlussfolgerungen müssen wir jedoch selber ziehen und entwickeln.

Marcel Proust

„Was Autoren können, so Proust, ist: ‚unsere Liebe zu den Dingen zu erwecken, die für sie bedeutungsvoll sind.‘ Die Schlussfolgerungen müssen wir jedoch selber ziehen und entwickeln.“

Traub: Wenn wir das „Gesetz der Optik des Geistes“ auf Steiner anwenden, dann sehe ich in der epochalen Entdeckung Fichtes, dass vom übersinnlichen Sehen des Ich aus eine wissenschaftlich begründete Weltanschauungslehre entfaltet werden kann, jenen Impuls, von dem Proust spricht, der bei Steiner die Liebe zu den Dingen erweckt hat, die auch Fichte wichtig waren. Nur, und auch darin kommt das „Gesetz der Optik des Geistes“ zur Anwendung, ging dieser Anstoß für Steiner nicht weit genug. Fichte hat Steiner, wie Proust sagt, keine Antworten, sondern „Wünsche“ gegeben, nämlich insbesondere den:  mit dem geistigen Sehen nicht nur die Phänomenologie des sich objektivierenden Geistes, sondern auch die Welt des okkulten Geistes wissenschaftlich, ja, naturwissenschaftlich zu erschließen und für die Lebenspraxis der Menschen fruchtbar zu machen. Ob diese Position wirklich originär ist, darüber kann man streiten. Denn mit dem Okkultismus haben sich ja auch viele andere Philosophen vor Steiner befasst. Die Intensität und Konsequenz aber, mit der Steiner dieses Projekt verfolgt hat, ist wohl einzigartig.

Martins: Natürlich, es gibt den Unterschied von Genese und Geltung. Kontextsensible Situierung – durchaus auch in „Ismen“ – entbindet nicht von der inhaltlichen Rekonstruktion und Analyse. Fichtes ‚Entdeckung‘ zu Steiners intellektuellem Kernmotiv zu erklären, halte ich aber für stark spekulativ: Der Philosoph Steiner warf Fichte – bei aller Zustimmung – eben auch vor, er wolle die ganze Welt aus einem Gedankengebäude herausspinnen. Erst als er selbst Esoteriker war, nahm Steiner Fichte auch auf diesem Gebiet in Schutz: Derartiges sei Fichte, Schelling, Hegel „niemals eingefallen“ (GA 35, 95).

Traub: Das ist nun ein sehr weites Feld, das Sie hier eröffnen. Aber ich gehe gerne darauf ein. Zuerst möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass sich Steiner zu Fichtes „Freiheitstat der Selbstsetzung des Ich“ und auch zu anderen Theoremen seiner Philosophie bereits vor der Abfassung der Philosophie der Freiheit  explizit bekannt hat. Quellen dazu sind sowohl Steiners Briefwechsel als auch seine Dissertation. Letztere spricht Fichte, neben der Entdeckung des „höheren Sehens“, das Verdienst gegenüber Kant zu, dessen vermeintlich formales Wissen des „Ich denke“ in die Forderung und Realisierung eines aktualen und unmittelbaren Vollzugswissens übersetzt zu haben. Die Zustimmung des jungen Steiner zu Fichte insbesondere zu diesem Punkt habe ich im Buch intensiv recherchiert und nachgewiesen. Ein weiterer Punkt der enthusiastischen Zustimmung Steiners zu Fichte – und zwar vor seiner theosophischen Konversion – betrifft Fichtes Liebeslehre aus der Anweisung zum seligen Leben. Auch den Vorbildcharakter des Wissenschaftsethos, das Fichte in seinen Vorlesungen über den Gelehrten entworfen hat, wird man für den jungen Steiner reklamieren dürfen. Die These, dass Steiner Fichte, den Philosophen des Ich, erst als Anthroposoph positiv rezipiert und verteidigt haben soll, ist m. E. nicht zu halten. Allerdings  haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass Steiner nicht allen Konsequenzen zustimmen konnte, die Fichte aus der „Thathandlung“ abgeleitet hat. Das ist aber kein Argument gegen Steiners grundsätzliches Bekenntnis zu einer Vielzahl von Theoremen der Philosophie Fichtes insbesondere zu dessen Theorie einer transzendentalen sowie existenzbezogenen Selbstkonstituierung des Ich.

„Übersinnliches Sehen“. Fichte und das Okkulte

Martins: Nochmal zum von Ihnen angesprochenen ‚übersinnlichen Sehen‘ bei Steiner und Fichte. Ich möchte nicht Ihre zweifellos größere Kompetenz in Sachen Fichte herausfordern, aber wenn ich ihn richtig verstehe, ist dort die „intellektuelle Anschauung“ zwar ein ‚geistiges Sehen‘, aber das heißt nicht, dass man Geister sieht, sondern es geht um eine reflexive und auch phänomenologische Selbstkonstitution des Ich: Dieses Ich erzeugt sich in der Reflexion auf sich selbst. Und ohne auf Kants Kritik dieses Topos – dass Anschauung nicht ohne Sinnlichkeit möglich ist – einzugehen, würde ich behaupten, dass der ‚okkulte Geist‘ oder die Ideenschau der ‚Akasha-Chronik‘ sich davon doch qualitativ unterscheiden. In Fichtes Bestimmung des Menschen schaut mich zwar alles „aus hellen Geister-Augen“ an, aber Fichte präzisiert: „Auf das mannigfaltigste zerteilt und getrennt schaue in allen Gestalten außer mir ich selbst mich wieder, und strahle mir aus ihnen entgegen…“. Bei Steiner dagegen treten dem ‚Geistesforscher‘ Engel und Geister als von mir autonome Subjekte und ‚reale Wesenheiten‘ entgegen. Ist diese Fortschreibung Fichtes durch Steiner wirklich eine Verlängerung oder nicht auch eine entscheidende Transformation von Fichtes Anspruch?

Traub: Da möchte ich auf folgenden Umstand aufmerksam machen. Sie haben sicher Recht, dass es schwierig ist, die philosophische Theorie der „intellektuellen Anschauung“, wie sie Fichte in seiner Wissenschaftslehre vertritt, mit einer esoterischen Wesensschau zu vereinbaren. Allerdings sind für eine angemessene Beurteilung dieses Themenkomplexes drei Dinge mit in Betracht zu ziehen, die bei Fichte selbst über eine enge, rein philosophische Analyse der intellektuellen Anschauung hinausweisen:
1.  Es gibt im Denken Fichtes einen apokalyptischen Zug, der mit seiner frühen Berufswahl, Pfarrer zu werden, zusammenhängt.  Apokalyptische Symbolik finden wir nicht nur in Fichtes frühen Predigten, sondern auch in seinen späteren populär-philosophischen Vorträgen. Denken Sie etwa an die Vision von der Endzeit und dem  Anbruch der Heilszeit beim „Seher“ Hesekiel, mit der Fichte im realpolitischen Kontext seiner Reden an die deutsche Nation im Jahre 1808 arbeitet.  Auch die Engel- und Teufelszenarien aus der Apokalypse des 2. Petrusbriefs oder aus der Offenbarung des Johannes gehören zum Arsenal der Fichteschen  Bildersprache.  Übrigens hat Nietzsche über eines dieser von Fichte verwendeten apokalyptischen Bilder einen interessanten Aphorismus unter dem Titel „So ruft mit großem Munde der große Fichte“ verfasst.
2. Worüber man sich beim Thema Fichte und der Okkultismus auch im Klaren sein sollte ist der Umstand, dass Fichte in seiner Berliner Zeit nicht nur Mitglied einer Freimaurerloge, sondern „Oberredner im Inneren  Orient der Großloge“ war. Wer sich in der Freimaurerei ein wenig auskennt, weiß, dass damit ein vertieftes Wissen über die freimaurerische Lehre, die Geheimzeichen, die Zahlensymbolik usw. verbunden ist. Fichte hat mehrere Reden in den Logen über das Wesen der Freimaurerei gehalten und stand in seiner Jenaer Zeit lange Zeit im Verdacht, selbst eine geheime, illuministische Gesellschaft gründen zu wollen.
3. Fichte hat sich überdies intensiv mit dem Mesmerismus befasst. Seine Überlegungen dazu hat er im „Tagebuch über den animalischen Magnetismus“ festgehalten.  I. H. Fichte hat über den etwas kryptischen  Text ein hochinteressantes Urteil gefällt. Es sei ein Text, der zum Einen den Mittelpunkt des Idealismus am deutlichsten und tiefsten erfasst, und es sei der Text, der zeige, nach welchen Seiten hin Fichtes Idealismus weiterer Ausführungen bedürfe. Gemeint ist damit I. H. Fichtes Psychologie und Anthropologie, die eben auch eine Phänomenologie des Okkulten beinhalten.

Martins: Interessante Hinweise! Es gibt m.E. auch tatsächlich erstaunliche Parallelen zwischen einigen journalistischen Aufsätzen aus Steiners Wiener Zeit – z.B. die Polemik Papsttum und Liberalismus – zu Fichtes „Philosophie der Maurerei“ (1802/3). Aber was bedeutet all das für die Frage nach dem Wesen des ‚inneren Sehens‘ bei J. G. Fichte und dessen Verhältnis zum Okkultismus?

Traub: Meines Erachtens war Fichte selber sehr daran interessiert – und das besagen die Hinweise, die ich soeben gegeben habe –, die Grenzen und Möglichkeiten einer Erweiterungen der Prinzipien seiner exoterische Philosophie auf Gebiete des Esoterischen auszuloten. Das Thema „Fichte und Mystik“ hat in der Fichte-Forschung eine lange Tradition. Möglicherweise liegt in diesem Themenkomplex eines der Motive dafür, dass Steiner den alten Fichte für einen der bedeutenden Wegbereiter der Anthroposophie erklärt hat. Dass sich Fichtes Zugang zur Esoterik und zum Okkulten eher abgeklärt protestantisch als überbordend und bildreich katholisch wie bei Steiner gestaltet, ändert nichts an der Tatsache, dass eine gewisse Nähe, wenn nicht gar Affinität Fichtes zum Okkulten zu konstatieren ist.  Ein Zug, der, wenn man I. H. Fichtes Berichten über sein Elternhaus folgt, auch durch Johanne Marie Fichte, der Gattin des Philosophen, unterstützt wurde. Ein Letztes:  Sie haben auf den Unterschied zwischen der Annahme objektiver okkulter Wesenheiten bei Steiner und den eher subjekttheoretischen Charakter in Fichtes Lehre vom „höheren Sehen“ hingewiesen. Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Denn in Fichtes Theorie des Geisterreichs tritt die „ideale Individualität“ (Originalität) des einzelnen Menschen in Beziehung zu anderen, durchaus objektiven Geistern. Und was Ihr Zitat aus der Bestimmung des Menschen betrifft, so könnte man mit Recht danach fragen, ob es sich dabei nicht um eine Fichte spezifische Fassung des „tat twam asi“ (das bis du), das heißt um die individualitätserhaltende gleichwohl aber universalitätserschließende Einheitserfahrung der indischen Mystik handelt.  Wie gesagt: Ein weites Feld. 

Theosophie, Anthroposophie und „östliche“ Philosophie

Steiner mit Annie Besant, Präsidentin der „Theosophischen Gesellschaft“

Martins: Der von der Waldorfzeitschrift „Erziehungskunst“ beschäftigte Wachhund einer ultrakonservativen Steinerdeutung, Lorenzo Ravagli, hat Ihr Buch in einer Rezension wie folgt vereinnahmt: „Traubs Untersuchung führt einen tausendseitigen Nachweis darüber, dass sowohl Steiners Philosophie als auch die Anthroposophie mit allen denkbaren Wurzeln und Fasern in der Philosophie des deutschen Idealismus verankert ist und dass die zuletzt von Helmut Zander weitschweifig erhobene Behauptung, die Anthroposophie sei ein Abklatsch der Adyar-Theosophie, offenbar auf einem grundlegenden Missverständnis beruht.“ Schließen Sie tatsächlich eine Beeinflussung Steiners durch die theosophische Kosmo- und Anthropologie aus?

Traub: Nein, das tue ich nicht. Meine These lautet ja nicht, dass es den Einfluss der Adyar-Theosophie nicht gegeben hat. Sondern ich habe zu zeigen versucht, dass sich Steiners  Auseinandersetzung mit den östlichen Weisheitslehren  auf der Grundlage und im Interpretationsrahmen europäischer Ideen- und Geistesgeschichte vollzog. Diesem Kontext sind ja weder der Reinkarnationsgedanke noch okkultes Denken oder Einweihungsrituale und Geheimwissenschaften fremd. Allerdings darf man bei aller ideengeschichtlichen Kontextualisierung nicht ganz außer Acht lassen, dass bei Steiners  „Adaptionsbiographie“, die ja nicht auf die Philosophie des Ostens beschränkt ist, auch die Frage nach einer sicheren „Berufsperspektive“ stets eine Rolle gespielt hat. Neben dem zweifellos sachlichen „Fascinosum“ der östlichen Weisheitslehren, dem sich Steiner nicht entziehen konnte und auch nicht entziehen wollte, wird sicher auch ein „kalkulatorisches“ Moment mit im Spiel gewesen sein.

Martins: Oh ja! Aber erlauben Sie einen Einwurf zur ‚östlichen‘ Theosophie. In meiner Rezension zu Ihrem Buch habe ich geschrieben: „Das Indienbild Steiners und der Theosophen hatte mit buddhistisch-hinduistischer Geistigkeit so viel zu tun wie ein Zitrone-Lotusblüte-Tee Marke Pfanner mit einer japanischen Teezeremonie.“ Das ist zwar Polemik, aber für falsch halte ich zumindest die These, dass die Theosophie eine ‚östliche‘ Philosophie sei: Die evolutionäre Anthropologie Blavatskys und Sinnets – versunkene Kontinente, eine Abfolge von ‚Rassen‘ als Medien der Evolution usw. – hat sehr detaillierte Vorbilder im französischen Martinismus, v.a. von Fabre d’Olivet und gleicht in der ‚rassisierten‘ Struktur mehr Haeckel als einer brahmanischen Emanationsvorstellung. Die siebenfältige Kosmologie entstand, darauf hat Joscelyn Godwin aufmerksam gemacht, ausgerechnet in der Auseinandersetzung mit der Hermetic Brotherhood of Luxor, wo man versuchte, die vier ‚yugas‘ mit den biblischen Schöpfungstagen auf einen Nenner zu bringen. Überdies fällt auf, dass Blavatsky sich laut Tagebuchnotizen im fraglichen Zeitraum mit Johannes Trithemius‘ De septem secundeis auseinandersetzte, ebenfalls ein jeweils siebenstufiges Geschichtsmodell. Die theosophische Meditationspraxis scheint, wie Karl Baier 2009 überzeugend dargestellt hat, weit weniger mit ‚indischer‘ Kontemplation zu tun zu haben,  als vielmehr mit dem Mesmerismus, mit dem sich auch Schopenhauer und – wie sie schon sagten – Fichte beschäftigt haben. Überdies werden in Blavatskys „Geheimlehre“ dutzende Male Leibniz, Schelling und Hegel bemüht und zitiert. Ich behaupte, nicht Steiner machte eine ‚östliche Phase‘ durch, sondern die Theosophie war letztlich eine ‚östlich‘ explizierte Position innerhalb westlich-esoterischer Strömungen. Gehen Sie da mit?

Traub: Wenn ich das richtig verstanden habe, dann vertreten Sie eine Applikationsthese, die noch weiter geht, als das, was ich in meinem Buch über Steiner und die östliche Weisheit  gesagt habe. Ob bei ihm oder anderen ein ernstes und genuines Interesse an indischer Philosophie vorliegt oder nur ein Projektionsprozess europäischer Ideen in Horizonte hinduistischen Denkens vollzogen wird, darüber müsste im Einzelfall entschieden werden. Meine These ist ja nur, dass ich Steiner – bei aller Sympathie für außereuropäische Geistesströmungen  – eine grundlegend europäisch, genauer idealistisch geprägte Weltanschauung unterstelle.

„Es gibt keine Schlusssteine in der Philosophie“

Martins: Sympathie oder Antipathie, auch darüber wäre zu diskutieren. Ernstes Interesse am Hinduismus würde ich den Theosophen natürlich auch nicht absprechen, aber ich glaube, dass sie den Hinduismus vor allem als Antwort und Autorität in Disputen des westlichen Okkultismus heranzogen. Um nochmal auf die „Erziehungskunst“-Rezension zurückzukommen: Ravagli dient der Nachweis, dass Steiner in der Denktradition des Deutschen Idealismus zu verorten sei, natürlich nicht zur geistesgeschichtlichen oder kritischen Einordnung, sondern um die Anthroposophie als Erbin oder vermeintlichen Schlussstein deutscher Philosophie in toto legitimieren zu können. Grundlage ist hier eine apologetisch-retrospektive Deutung von Steiners früher Philosophie durch die Brille seiner späteren Esoterik. Es wird vorausgesetzt, dass Steiner immer schon auf seine spätere sog. „Initationswissenschaft“ hingearbeitet habe. Wie beurteilen Sie eine solche Interpretation?

Traub: Auf die Schwierigkeiten der retrospektiven Interpretation bin ich ja schon eingegangen. Was die „Initiationswissenschaft“ angeht, habe ich auf den bemerkenswerten Methodenwechsel in Steiners philosophischer Didaktik hingewiesen. Während Steiner insbesondere die Philosophie der Freiheit  als ein denkerisches „Selbsterfahrungsabenteuer“ inszeniert, haben die späteren Schriften eher  den Charakter von „Lehrdidaktiken“. Sie sind weniger Experiment als vielmehr Anleitung. Exemplarisch für diesen Wechsel sei auf die in meinem Buch intensiv erörterten Konsequenzen aus Steiners interpretatorischer Neujustierung des Einstiegs in die Philosophie der Freiheit in der zweiten Auflage hingewiesen. Was nun den ersten Teil Ihrer Frage betrifft, so besteht zwischen der darin aufgestellten Vollendungsthese und Grundlegungsthese kein notwendiger Zusammenhang. Denn die Vollendung des deutschen Idealismus in Steiners esoterischer Anthroposophie setzt deren Annahme als Grundlage für den Vollendungsprozess nicht voraus. Hier sind wir wieder beim Thema „Teleologie“ und der Frage nach der Möglichkeit, Zweckbegriffe als Ursachen für geistesgeschichtliche Entwicklungsprozesse annehmen zu können. Ich wiederhole das gerne noch einmal, Steiner hat entschieden bestritten, dass man das auf eine seriöse Weise tun kann.
Noch ein Wort zum Bild: „Die Anthroposophie sei der Schlussstein der Entwicklung des Idealismus.“ Schlusssteine haben das Unangenehme an sich, dass nach ihrem Einsatz eine lebendige Bauphase beendet wird. Für die Philosophiegeschichte mit solchen Bildern zu arbeiten, halte ich angesichts dessen, worum es hier geht, nämlich um den lebendigen Geist, für wenig angemessen. Insbesondere dann, wenn ein solcher Schlussstrich für das ganze Unternehmen des Denkens und Wirkens Rudolf Steiners, der deutschen Philosophie oder der Philosophie und Geistesgeschichte überhaupt reklamiert wird. Das zu postulieren ist ebenso sinnlos, wie mit Netzen einen Fluss am Fließen hindern zu wollen. In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht auf das Buch eines der tiefsinnigsten Idealismusforscher der Gegenwart hinweisen. Es trägt den für unser Thema sehr sprechenden Titel: Die dreifache Vollendung des Idealismus. Der Autor, Wolfgang Janke, kommt in diesem Buch zu dem Ergebnis, dass es neben den großen systematisch durchgearbeiteten Vollendungsgestalten des Idealismus in den Werken Fichtes, Schellings und Hegels vor allem Fichtes „ungeschriebene Lehre“, also die verlebendigende Kraft des mündlichen Vortrags ist, in der der Geist des Idealismus „vollendet“ zum Ausdruck kommt, das heißt,  worin er sich stets erneuert und weiterentwickelt. Es gibt keine Schlusssteine in der Philosophie. Sie zu proklamieren ist nicht die Vollendung, sondern das Ende der Philosophie.

Martins: Wie sieht dann das Verhältnis von Philosophie und anthroposophischer Geisterseherei aus? Führt von Kant und Fichte ein Weg zum Postulat atlantischer Planetenorakel, asurischer Heerscharen, zweier Jesusknaben oder Buddhas Mission auf dem Mars?

Traub: Ich habe ja schon gesagt, dass Steiner nach dem „Gesetz der Optik des Geistes“ durch Fichte auf den Weg gebracht wurde, das übersinnliche Sehen weiter zu entwickeln und auch auf das Okkulte anzuwenden. Auf die Ansätze zu einem solchen Unternehmen bei Fichte selbst habe ich ja ebenfalls hingewiesen. Wie weit eine seriöse Forschung in dieser Sache gehen kann, das mag ich nicht abschließend zu beurteilen. Denn auf meinem Weg durch die philosophischen Frühschriften Steiners steht nach der geleisteten Grundlegung als nächstes die Skizzierung eines Grundrisses seiner Philosophie an. Das heißt, ich möchte im Ausgang von meiner kritischen Analyse und ohne anthroposophische Anleihen die Elemente und Strukturen des philosophischen Denkens Rudolf Steiners entwickeln. Das wäre dann die Voraussetzung für einen exoterischen Deutungsversuch von Steiners Esoterik. Die Frage, was es mit den von Ihnen angesprochenen Phänomenen auf sich hat, ob es sich dabei um esoterische Denksportaufgaben, okkulte Fantasy oder diskussionswürdige Verbildlichungen geistiger Phänomene handelt, bleibt abzuwarten.

„Liquidiert wurde der anarchistische ‚Aufbruch in die Freiheit'“

Martins: Steiner hat seine Frühschriften nach 1900 einer esoterischen Relektüre unterzogen und die philosophischen Positionen teilweise stark überarbeitet. Welche Topoi wurden in dieser apologetischen Neudeutung liquidiert und welche kamen neu hinzu?

Traub: „Liquidiert“, wenn ich diese Vokabel aufgreifen darf, wurde der anarchistische „Aufbruch in die Freiheit“, also das, was den frühen Steiner – auch Stirner, Nietzsche und Fichte –  besonders anziehend macht: Das Freiheitsmotiv, das die Philosophie seit ihren europäischen Anfängen in denkenden Wesen anspricht und zum Klingen bringt, der unüberwindliche Glaube an die selbstschöpferische Kraft des Individuums. Da Stirner noch Nietzsche und auch Fichte keine „Kirche“ gegründet haben, bestand für sie kein Anlass, sich von ihrem radikalen Freiheitsbekenntnis zu distanzieren.  Bei Steiner ist das anders. Wie bei der Bildung aller Organisationen wurde im Zuge der wachsenden Institutionalisierung seines anthroposophischen Unternehmens auch für ihn die Kanonisierung der Lehre zu einer drängenden Aufgabe. Absicherung gegen Fehldeutungen, der Umgang mit Abweichlern und Häretikern rufen nach autorisiertem Dogma und Deutungshoheit in Zweifelsfragen. Zanders Steiner-Biographie zeigt dieses Problem sehr schön am Spannungsverhältnis zwischen der anthroposophischen Gesellschaft und der von Steiner gegründeten Christengemeinde. Was für Steiner jetzt in den Vordergrund rückt sind systemische Strukturen: eine ausgefeilte Seelentopographie, eine dezidiert seherische Haltung gegenüber den philosophischen Themen, wobei das Seherische nicht mehr das intellektuelle Sehen des Idealisten, sondern die inspirierte Schau des Mystikers meint. Auch an den didaktischen Wandel – vom denkerischen Selbstexperiment  zur geistigen Anweisung –  sei hier noch einmal erinnert. Es ist insgesamt ein Wechsel von einer Begriffssprache zu einer Bildsprache, ein Wechsel von rationalem zu spirituellem Denken zu verzeichnen.

Max Stirner, Skizze von Friedrich Engels

„Löcher im Kerygma“

Martins: Der vor-theosophische Steiner wird, wo man ihn nicht auch schon zum Okkultisten erklärt, gern zum Freigeist und radikalen Religionskritiker stilisiert. Sie dagegen sehen beim frühen Steiner dezidiert religionsphilosophische Theoreme. Was sind deren Kernpunkte – und warum hat Steiner die Gottesbezüge in seiner „Philosophie der Freiheit“ in der theosophischen Überarbeitung 1918 nahezu geräuschlos entfernt?

Traub: Steiners Kindheit umfängt ein anthroposophischer Mythos. Das Motiv für die Stilisierung des Freigeists und Technikfreaks Rudolf Steiner beruht auf einem Kompatibilitätspostulat, das verlangt, dass alles aus Steiners Biographie, was dem anthroposophischen Deutungsmonopol widerspricht, entweder umgedeutet oder ignoriert wird. Das ist ein aus dem Gemeindebildungsprozess des Christentums bekannter und gut erforschter Vorgang. Lassen Sie mich das kurz erläutern. Der durch Christus gestiftete Glaube impliziert eine bestimmte Deutung Jesu zu den Verhältnissen seiner Zeit. Dazu gehörte unter anderem die oppositionelle ja feindselige Haltung von Pharisäern und Schriftgelehrten gegenüber Jesus. Schließlich, so will es die Überlieferung, waren sie ja auf seinen Tod bedacht. Bei der Verfassung der Evangelien wurde durch die gläubigen Evangelisten genau darauf geachtet, dass dieses Bild kanonisiert wurde. Leider, oder Gott sei Dank, sind sie mit dem vorliegenden Quellenmaterial nicht konsequent umgegangen. Denn – wie der Theologe Ernst Käsemann herausgefunden hat – gibt es Stellen im Neuen Testament, in denen sich die Todfeinde Jesu als dessen Beschützer erweisen, die ihn vor den Nachstellung des Herodes warnen (Luk. 13, 31). Jesus nimmt die Warnung an und entflieht dem Machtbereich des Herodes. Diese mit dem Glauben (Kerygma) inkompatiblen Ereignisse im Leben Jesu  werden „Löcher im Kerygma“ genannt. Denn sie ermöglichen Einblick in Lebensumstände Jesu, die mit der durch den Glauben geprägten Auffassung vom Leben Jesu nicht vereinbar sind.

Martins: Und wo liegen diese „Löcher“ in der mythifizierten Kindheitsgeschichte Steiners?

Traub: Ähnlich wie die Evangelisten, so geht auch die anthroposophische Steiner-Forschung mit der Kindheit Steiners um. Es führt sicher zu weit, die Ergebnisse meiner Untersuchung zur religiösen Sozialisation Steiners im Einzelnen hier vorzutragen. Aber soviel kann man in aller Kürze sicher behaupten: Steiner hatte als Kind ein positives Verhältnis zur katholischen Kirche, insbesondere zu  „mystikaffinen“ Elementen der Liturgie. Auch das asketische Leben der Mönche hatte einen besonderen Reiz für ihn. Dieser Eindruck muss im Zusammenhang mit der religiösen Sozialisation von Johann Steiner gesehen werden. Rudolf Steiner hat an den Reformbestrebungen der Katholischen Kirche großes Interesse gezeigt. Letztlich mündet seine katholische Biographie in der Gründung einer Kirche, deren (alt)katholische Prägung kaum zu übersehen ist. Religionskritik und tiefer Glaube sind keine Gegensätze, sondern komplementäre Verhaltensmuster. Es sind gerade tiefreligiöse Menschen, die die größten Kirchen- und Religionskritiker sind und waren. Denken Sie etwa an Martin Luther. Die Religionsgeschichte lebt in ihrer Vielfalt geradezu von Häretikern und Schismatikern.

„Die Welt ist Gott“

Traub: Zu Ihrer zweiten Frage [nach den entfernten Gottesbezügen – AM] möchte ich sagen, dass ich das nicht so sehe, dass die zweite Auflage der Philosophie der Freiheit Gottesbezüge geräuschlos entfernt hätte. Der dritte Teil „Die letzten Fragen“ enthält nach meiner Lesart eine eigenständige theologische Kosmologie, in der das „Leben in Gott“ den Höhepunkt der Steinerschen Intuitionslehre bildet. Auch an anderen Stellen der Philosophie der Freiheit setzt sich Steiner ausführlich mit der Gottesfrage auseinander. Von einer Entfernung der Gottesbezüge in der zweiten Auflage würde ich nicht sprechen. Denken Sie da eine spezielle Passage?

Martins: Ich denke weniger Passagen – so lang ist das Kapitel ja nun schlicht nicht – als eindeutige Formulierungen, beispielsweise Steiners spinozistisch-pantheistisch angehauchte Aussage: „Die Welt ist Gott“. Diese Definition schickte Steiner in der 1. Auflage dem „Leben in Gott“ voraus. In der 2. Auflage der „Philosophie der Freiheit“ fehlt sie.

Exkurs Spinoza: Welterkenntnis sei Gotteserkenntnis. „Da ferner ohne Gott nichts sein noch begriffen werden kann, so ist gewiss, dass jedes Ding in der Natur entsprechend seinem Wesen und seine Vollkommenheit ausdrückt. Je mehr wir daher die natürlichen Dinge erkennen, desto größer wird auch unsere Erkenntnis Gottes … Und so hängt also unsere ganze Erkenntnis, d.h. unser höchstes Gut, nicht so sehr von der Erkenntnis Gottes ab, sondern besteht vielmehr ganz und gar aus ihr.“ (Spinoza, Tractatus Theolologico-politicus, in: Sämtliche Werke, III, 68)

Traub: Was die „Korrektur“ des Textes zur zweiten Auflage im Hinblick auf die Formulierung „Die Welt ist Gott“ betrifft, stimme ich Ihnen zu. Man kann diese Streichung in der zweiten Auflage vielleicht aus der Befürchtung Steiners verstehen, das „ist“ in der Formulierung „Die Welt ist Gott“ als eine Ontologisierung seines Gottesverständnisses zu missdeuten. Meines Erachtens ist diese Befürchtung aber unbegründet. Denn der Kontext des Kapitels lässt eine solche Missdeutung eigentlich nicht zu. Steiner erläutert ja im Vorfeld, dass das mit Gedanken erfüllte Leben in der Wirklichkeit „ein Leben in Gott“ ist. Wobei Wirklichkeit die lebendige Einheit von Wahrnehmungs- und Ideenwelt meint. Eine ontologisierende oder transzendierende Projektion dieses Lebens in ein Jenseits oder eine transzendente Substanz  ist an dieser Stelle gänzlich auszuschließen. Folglich führt der Versuch, die lebendige Wirklichkeit, also die Einheit von Wahrnehmungs- und Ideenwelt, über ihre individualitäts- und interpersonalitätsbezogene Erlebnisqualität, das heißt über das „Leben in Gott“ hinaus, in ihrer objektiven Realität zu denken, schlüssig auf den Satz: „Die Welt ist Gott.“

Martins: Noch einmal zurück zu Steiners religiöser Prägung in seiner Kindheit: Eine religionsaffine Sozialisierung Steiners fände ich zwar plausibel, aber das einzige Dokument, das wir dazu heranziehen können – seine Autobiographie „Mein Lebensgang“ – ist in vielen Passagen stark apologetisch und eine rückblickende Selbststilisierung des über sechzigjährigen Steiner. Wieso sind Sie so optimistisch ob deren Verlässlichkeit?

Traub: Zur Frage, warum ich die Auskünfte aus „Mein Lebensgang“ im Hinblick auf meine Analysen zu Steiners religiöser Sozialisation für verlässlich halte, möchte ich dreierlei sagen. Das Erste ist ein erziehungswissenschaftliches Plausibilitätsargument, das sich auf unsere Erfahrungen mit Enkulturations- und Sozialisationsprozessen stützt. Vorausgesetzt, Steiners Angaben zur Biographie seiner Eltern enthalten im Kern etwas Zutreffendes, dann ist schwer verständlich zu machen, warum die klösterliche Prägung seines Vaters keine Rolle für die weltanschauliche Entwicklung des Sohnes gespielt haben soll. Vor allem dann, wenn es für diese Annahme weitere positive Anhaltspunkte aus der Biographie Steiners selbst gibt. Das zweite Argument für eine starke Auslegung der religiösen Sozialisation beruht auf dem, was ich eben zu Ernst Käsemann und den „Löchern im Kerygma“ gesagt habe. Gerade weil Steiner selbst und insbesondere die anthroposophische Steinerdeutung  die von mir herausgearbeiteten Aspekte der Biographie gerne ausblenden, weil sie dem Bild vom Freigeist widersprechen, muss man ihnen meines Erachtens besondere Aufmerksamkeit schenken. Das Dritte ist, dass, außer in „Mein Lebensgang“, in Steiners Briefen und seinen frühen Schriften Stellungnahmen zu theologischen und religiösen Phänomenen vorliegen, die gemeinsam mit den Kommentaren zur Biographie ein einigermaßen klares Bild über gewisse Eckpunkte seiner frühen religiösen Prägung ergeben.  So stützt etwa Steiners Kritik am Rationalismus des Protestantismus seine Berichte über die Faszination, die die katholische Liturgie oder das „Geheimnis“ des klösterlichen Lebens auf ihn ausgeübt haben. Oder Steiners positive Bewertung des Altkatholizismus in seinen Briefen ergänzen plausibel seine Kritik an der autoritären Beichterfahrung, wie sie sich in der Philosophie der Freiheit findet usw.

Sackgassen und Forschungslücken

Martins: Die Etablierung einer nichtanthroposophischen Steinerforschung steht bisher aus bzw. steckt noch in den Kinderschuhen einer grundsätzlichen historisch-kritischen Erschließung. Welche Funde und Innovationen würden Sie hier erwarten?

Traub: Im Anschluss an meine Ausführungen zu Steiners religiöser Sozialisation erwarte ich zunächst die Komplettierung der von der Anthroposophie einseitig betonten naturwissenschaftlichen Prägung Steiners sowie der daraus abgeleiteten fundamentalistischen Kanonisierung der Erkenntnistheorie als einzigem Deutungsrahmen der Philosophie Rudolf Steiners. Das hätte zur Folge, dass auch andere bedeutende Felder seines Denkens, solche, die nicht durch die Erkenntnistheorie dominiert werden, zur Sprache kommen könnten. Selbstverständlich sehe ich die Bedeutung, die Steiners Arbeit an Goethes naturwissenschaftlichen Schriften für seine Weltanschauung hatte. Was ich aber auch sehe, und zwar mit großem Bedauern für die Vielfalt der Themen des Steinerschen Denkens, ist, dass die Fixierung des Blicks auf den naturwissenschaftlichen Goethe und durch ihn auf eine idealistisch vervollständigte Naturwissenschaft  in eine interpretatorische Sackgasse führt.
Dem korrespondiert meines Erachtens auch der oben erwähnte Versuch, den betont erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch ausgelegten Neukantianismus für die Philosophie Rudolf Steiners fruchtbar machen zu wollen. Was aussteht ist unter anderem: Die Klärung der Frage nach der Freiheit des Geistes im  existenziellen wie theoretischen Sinn, die Konzeptionalisierung der frühen Erkenntnistheorie, die Grundlegung einer Ethik aus dem Geist der Freiheit, die Entwicklung einer Theorie und Praxis der Interpersonalität und die einer Kulturgeschichte der moralischen Entwicklung, das Problem ethischer Implikationen naturwissenschaftlicher Forschung, die Frage nach einer philosophisch begründeten Idee von Kunst, Religion und Wissenschaft, die Einbettung der unterschiedlichen Themen in eine philosophische Kosmologie inklusive einer produktiven Religionskritik, die  Klärung des Verhältnisses von Intuition und begrifflicher Argumentation. Das alles sind brachliegende Felder im philosophischen Denken Rudolf Steiners, deren Fruchtbarmachung und kohärente Darstellung ohne interpretatorische Hilfestellungen der esoterischen Anthroposophie auskäme und die überdies mehr zu bieten hätten, als eine erkenntnistheoretisch begrenzte Naturforschung. Ich denke und hoffe, dass wir in zehn Jahren über diese Themen eine breitere Diskussion in der Steiner-Forschung führen werden.

Martins: Da bin ich leider mit Blick auf die bisher mangelnde Diskussionsbereitschaft weiter anthroposophischer Kreise skeptisch. Aber ich hoffe mit und bin gespannt. Danke für Ihre Antworten!

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Hartmut TraubDr. Hartmut Traub ist Studiendirektor am Seminar für schulpraktische Lehrerbildung in Essen und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Johann-Gottlieb-Fichte-Gesellschaft. Promotion über Fichtes Populärphilosophie und Herausgeber u.a. des Briefwechsels zwischen Schelling und Fichte, der Fichte-Studien und der Fichte-Studien Supplementa. Lehraufträge in Philosophie und Philosophie-Didaktik an der Mercator Universität Duisburg, der Universität Duisburg/Essen und der Alanus-Hochschule Alfter.

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Vgl. zum Thema: Philosophie und Anthroposophie. Zu Hartmut Traubs Steiner-Exegese, Wieviel Fichte steckt im Werk von Rudolf Steiner?

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„Das Karma der Unwahrhaftigkeit“ „Selbstverwaltung“. Neues von der WaldorfSV

16 Kommentare Add your own

  • 1. Andreas Lichte  |  3. Juni 2012 um 9:18 am

    Von: Andreas Lichte
    Datum: 28. Dezember 2011 09:49:40 MEZ
    An: PD Dr. phil. habil. Ludger Jansen, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie RWTH Aachen
    Betreff: Re: Artikel Rudolf Steiners Dissertation 150 Jahre Rudolf Steiner

    Sehr geehrter Dr. Jansen,

    „Postkarte“!

    Dass ich nicht selber drauf gekommen bin! Natürlich! Wenn Bertrand Russell die wirklich Grossen in „Philosophie des Abendlandes“ auf wenigen Seiten abhandeln kann, dann ist für Rudolf Steiner eine Postkarte mehr als genug.

    Welches Motiv haben Sie für die Schauseite Ihrer Postkarte gewählt?

    (…)

    Habe kürzlich diesen („Postkarten“- ?) Dialog zu Steiners Dissertation gefunden:

    Der Anthroposoph: „Na und – dann hat er halt abgeschrieben.“

    Der Mensch: „Schockiert wäre ich, wenn Steiner richtig abschreiben könnte. Kann er aber nicht.“

    (…)

    ……………………………………………………………………….

    Ende der e-mail, Nachtrag, 3. Juni 2012, im Klartext:

    Rudolf Steiner kann noch nicht einmal abschreiben, gibt in seiner „rite“-Dissertation nicht eine einzige sinnvolle Zusammenfassung philosophischer Ideen anderer. Rudolf Steiner hat nichts verstanden.

    Sagt auch Kurt Tucholsky:

    http://www.textlog.de/tucholsky-rudolf-steiner.html

    „Rudolf Steiner in Paris

    (…) Wenns mulmig wurde, rettete sich Steiner in diese unendlichen Kopula, über die schon Schopenhauer so wettern konnte: das Fühlen, das Denken, das Wollen – das »Seelisch-Geistige«, das Sein. Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen. Man sagt, Herr Steiner sei Autodidakt. Als man dem sehr witzigen Professor Bonhoeffer in Berlin das einmal von einem Kollegen berichtete, sagte er: »Dann hat er einen sehr schlechten Lehrer gehabt –!« (…)“

    Anmerkung AM

    1. Ist das Problem hier nicht abschreiben, sondern die INTENTIONALE Verzerrung zwecks Selbstprofilierung. Zitat Traub:

    „Was die „Windmühlen seiner eigenen Phantasie“ betrifft, so geht es hier um das Spannungsverhältnis zwischen philosophiegeschichtlicher Redlichkeit im Umgang mit Autoren einerseits und um die argumentationsstrategische Modellierung von Positionen zum Zweck einer polemischen Selbstbehauptung andererseits. Im Dienst der Ausschärfung der eigenen Position wendet Steiner die Methode der Verzerrung philosophischer Gegenargumente an. Dieses methodologisch durchaus legitime Verfahren führt bei ihm allerdings dazu, dass die Ausschärfung der eigenen Position zugleich als Widerlegung des verzerrten Standpunktes behauptet wird. Und das geht nun nicht.“

    2. Tucholsky sprach von einem Vortrag Steiners und entsprechend treffen auch die Kritikpunkte kaum: Das „Seelisch-Geistige“ ist ein Terminus des ’späten‘ Okkultisten, nicht des ‚frühen‘ Philosophen Steiner.

    Zur „Philosophie der Freiheit“ könnten Sie bei Bedarf auch direkte Rezensionen zitieren, positive und negative, z.B.

    „Wenn dem Leser dieses Buch zu Händen kommt, so soll er sich nicht davon abschrecken lassen, dass in dem Titel von Philosophie die Rede ist, die nach einer landläufigen Meinung nur unpraktische Grübler beschäftigt, sowie von Freiheit, die in unseren Tagen vor dem Glanz der Notwendigkeit und der Autorität stark verblasst ist. Das Buch enthält wirklich, was es im weiteren verspricht: Die ‚Grundzüge einer modernen Weltanschauung‘ mit einer Menge anregender
    Ausführungen und packender Gedanken. . . . Daneben giebt es auch wichtige kritische Beleuchtungen herrschender Systeme wie des Kantschen, Scbopenhauerschen, Hartmannschen, und der Materialismus wird gerade so in die Rumpelkammer verwiesen wie der ideologische Idealismus. Dabei ist alles frisch geschrieben, verstandlich gehalten, ein intellektueller Genuß und anregend für jeden denkenden Menschen. . . . Und darum sei das Werk allen
    denen empfohlen, deren Denken sich weder mit dem bequemen Mystizismus, noch mit einem öden Materialismus begnügen kann.“
    Frankfurter Zeitung von Sonntag, 8. Juli 1894

    ———-

    „….Durchaus original in ihrer Auffassung, werden die einschlägigen Abschnitte zweifelsohne überall mit Interesse gelesen werden, wo erkenntnißtheoretische Themata überhaupt
    eine Stätte finden.
    Minder glücklich als der kritische erscheint jedoch derjenige Theil des Buches, welcher die positiven Ansichten des Autors vorträgt. Seine Darlegungen stellen wohl fest, daß die Zusammenfügung von Begriff und Wahrnehmung die ganze Wirklichkeit umspannen würde, ob diese Zusammenfügung aber im menschlichen Subjecte vollziehbar ist, darüber versagen seine Argumente
    die Auskunft. Es ergiebt sich hier eine sehr erhebliche Differenz: Die Einordnung des Wahrnehmungs-Inhaltes in ideelle Zusammenhänge geschieht nämlich nicht durch das universelle, sich in allen Menschen zur Einheit zusammenschließende, sondern durch das qualitativ ungleichwerthige subjective Denken. … Hier dünkt dem Urtheile des Forschers die innere Unabhängigkeit verwirklicht und ihre Erreichbarkeit für den Menschen erwiesen. Weil er aber nur höchstorganisirte Naturen als eigene Schätzer und selbstständige Pfadweiser antrifft, erklärt er ihre Art und Weise der Bethätigung für die vollkommenste Form der Sittlichkeit.

    Dagegen ist nun zweierlei einzuwenden: daß sich die Idee der Freiheit im «freien Geiste», wie Rudolph Steiner ihn schildert, nicht verwirklicht und daß der «ethische Individualismus», wiewohl er ganz auserlesene Bekenner in sich vereinigt, nicht den Gipfel der Sittlichkeit bezeichnet. Der «freie Geist» mißachtet jedes Gebot, gegen das sein Wesen sich auflehnt. Aber diese individuelle Anlage, der er so stolz die Führung seines Lebens anvertraut, empfängt er sie nicht als fertige Gabe wie die Sinneswerkzeuge, mit deren Hilfe er das Geschehen um sich wahrnimmt? …“
    Friedrich Beck Wiener Zeitung, 28. und 29. Dez. 1893

    ———–

    “ … Die Steiner’sche Weltanschauung kommt aus dem Zirkel nicht heraus, daß die Welt bloß Wahrnehmung und Begriff des Individuums sein, und das Individuum nur durch Wahrnehmung und
    Begriff wirklich sein soll. Und wenn es die Ideenwelt ist, die in der Welt sich offenbart, was für einen Sinn hat dann noch Steiner’s Polemik gegen den Begriff des objectiven Zwecks? Bekämpft Steiner nur eine rein äußerliche Teleologie, wodurch der Naturprozeß durch «in der Luft schwebende» Ideen verwirklicht werden soll, so hat er Recht; aber in diesem Sinne versteht heute kein denkender Mensch mehr den objectiven Zweck. Bekämpft er auch die immanente Teleologie im Sinne Hegel’s und v. Hartmann’s, so leugnet er etwas, was er selbst behaupten muß, weil die absolute Idee, als das Prinzip der Wirklichkeit, natürlich nicht anders als
    nach Zwecken sich ausleben kann. Ist aber nach ihm das absolute Wesen bloß Idee, beharrt er bei seiner Abweisung eines Realprinzips neben dem Ideellen, dann wird er es niemals beweisen können, daß den Individuen Realität zukommt, und sein Monismus hört auf, das zu sein, was er zu sein beansprucht: ein haltbares Fundament für eine Philosophie der Freiheit.“
    Arthur Drews, Die Gegenwart, Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben (Berlin), 28. April 1894
    ———–

    „Aus dem in der Gegenwart herrschenden Individualismus entnimmt der Verfasser für sich die Berechtigung, seine persönlichen Gedanken über die Grundfragen des Lebens mitzuteilen, und
    zwar in einfach beschreibender Form. Neben eingebildeten Schwierigkeiten (z. B. daß man das Denken nicht beobachten könne) werden wirkliche untersucht, so die große Antinomie: daß
    der Mensch durch das Denken sich und die übrige Welt umschließt, zugleich aber mittels des Denkens sich als ein den Dingen gegenüberstehendes Individuum bestimmt. Die Lösung Steiners
    ist nicht klar genug gefaßt, da sie den Charakter des ursprünglichen Doppelerlebnisses, wonach eigentlich alle Wahrnehmungs- und Begriffserlebnisse einen subjektiv-objektiven Charakter tragen, nicht mit der nötigen Schärfe herausarbeitet. In der Ausführung aber finden sich vortreffliche Exkurse über Darwinismus, Pessimismus, Erkenntnisgrenzen, transcendentalen
    Idealismus und ähnliche Hauptprobleme des philosophischen Nachdenkens.“
    Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte für das gesamte geistige Leben der Gegenwart (Braunschweig), 38. Jg., Heft 454, Juli 1894, S. 512

    ———-

    „…The tendency of the day is to run into extremes. For example, Rudolf Steiner in his book entitled «Philosophie der Freiheit» and Bruno Wille in his «Philosophie der Befreiung» Start from Nietzsche’s Standpoint, but go far beyond him, and end in a theoretical anarchy, which, even in the domain of practice, allows of no moral prescriptions….“
    The Athenaeum. Journal of English and Foreign Literature, Science, the Fine Arts, Music and the Drama (London), No. 3480, 7. Juli 1894, S. 17

    ———-

    “ … daß der Mensch ein Theil des Weltgeschehens sei und in seinem Denken sich mit dem Ganzen Eins wisse, hat der Verfasser den Faden in der Hand, der ihn sicher zum Sozialen, also zur Sittlichkeit, hinüberführt. Vielleicht holt ein größeres Werk diese Ausführungen nach, wenn die Ideen des Verfassers, wie sie es verdienen, Anklang finden. Auch der vorliegenden Schrift hat er vor zwei Jahren einen Vorläufer vorausgeschickt unter dem Titel «Wahrheit und Wissenschaft», die im Keime schon seine ausführliche Lehre enthält und im Besonderen den Nachweis erbringt, daß die Ergebnisse der Wissenschaft wirkliche Lebenswahrheiten und als solche geeignet sind, eine wirkliche Weltanschauung, eine Art modernen Glaubensbekenntnisses
    zu werden. Die «Philosophie der Freiheit» liefert werthvolle Grundlagen zu einer solchen wissenschaftlichen Weltanschauung, und darum sei das Werk allen denen empfohlen, deren Denken sich weder mit dem bequemen Mysticismus, noch mit einem öden Materialismus begnügen kann.“
    Frankfurter Zeitung, Sonntag, 8. Juli 1894, Viertes Morgenblatt, Titelseite

    ———-

    und vieles mehr… alles in GA 4a.

    Antworten
    • 2. Andreas Lichte  |  3. Juni 2012 um 1:25 pm

      Das war jetzt aber keine „Rudolf Steiner Postkarte“, Herr Martins.

      Nach eingehender Analyse der Dissertation Rudolf Steiners, die mir Dr. Jansen als Diskussionsgrundlage schickte, bin ich der festen Überzeugung, dass Rudolf Steiner philosophisch nichts zu sagen hat, weil er nichts verstanden hat, Steiner noch nicht einmal abschreiben kann (haben Sie meinen Kommentar verstanden?).

      Für Steiners philosophische Erkenntnis ist selbst eine Postkarte noch zu gross.

      Anders gesagt, mit Andersen:

      „Aber der Kaiser ist doch nackt!“

      (da können Sie Steiner noch so viele „prächtige“ Rezensionen anziehen, es hilft nichts)

      Anmerkung AM

      Das ist ja toll von Dr. Jansen – was sind denn Ihre eigenen Leseeindrücke, haben Sie irgendeinen Eindruck davon, worum es in der Diss. geht? Haben Sie sie überhaupt gelesen? Wenn Sie Ihre hochgeschätzte „feste Überzeugung“ mit irgendwelchen inhaltlich relevanten Argumenteten plausibilisieren könnten, wäre Sie vielleicht irgendwie eindrucksvoll. Stattdessen kommt aber nur der übliche Tucholsky, der aber nichts zur Materie zu sagen hat, und der Hinweis auf eine populäre Philosophiegeschichte von Russel.

      Was Sie aber anscheinend weder für Steiners „‚rite‘-Diss.“ noch für die „Philosophie der Freiheit“ hinkriegen, eine philosophische Kritik, leisten die Rezensionen teilweise auf sehr präzise Art und Weise. Wenn Sie etwa DAS als für Steiner „prächtig“ empfinden, haben Sie es entweder mal wieder nicht gelesen oder sollten es einfach nochmal tun:

      „Bekämpft er auch die immanente Teleologie im Sinne Hegel’s und v. Hartmann’s, so leugnet er etwas, was er selbst behaupten muß, weil die absolute Idee, als das Prinzip der Wirklichkeit, natürlich nicht anders als nach Zwecken sich ausleben kann. Ist aber nach ihm das absolute Wesen bloß Idee, beharrt er bei seiner Abweisung eines Realprinzips neben dem Ideellen, dann wird er es niemals beweisen können, daß den Individuen Realität zukommt, und sein Monismus hört auf, das zu sein, was er zu sein beansprucht: ein haltbares Fundament für eine Philosophie der Freiheit.“

  • 3. A.M.  |  7. Juni 2012 um 1:26 pm

    Peter Staudenmaier hat kommentiert:

    „Hi all,
    I’m sorry this is only of use to the German readers out there, but I thought I’d mention a fascinating new interview with Hartmut Traub, author of the superb recent study of Steiner’s early philosophical work which I recommended a few months ago (Hartmut Traub, Philosophie und Anthroposophie: Die philosophische Weltanschauung Rudolf Steiners — Grundlegung und Kritik, Stuttgart 2011). The interview, by Ansgar Martins, is at Martins‘ Waldorfblog:

    https://waldorfblog.wordpress.com/

    The interview is quite long and thorough, and large stretches of it are more like a discussion between Traub and Martins, which to my mind makes it even more worthwhile. I very much recommend it, just as I highly recommend Traub’s book.

    Peter S.“

    http://groups.yahoo.com/group/waldorf-critics/message/24384

    Antworten
  • 4. Peter L.  |  11. Juni 2012 um 11:50 am

    lieber Ansgar, sehr interessantes Interview. Ein Problem sehe ich allerdings auch, ähnlich wie A. Lichte: Vor lauter Differenzieren und philöosophischer Kleinstarbeit bei Steiner (vielleicht steckt ja auch ne gewisse Selbstverliebtheit und Ablenkung dahinter?), übersieht man die einfachen, sehr wichtigen Tatsachen, dass Steiner vielfach einfach nur Blödsinn gesagt hat, aus einer irrwitzigen Fantasie heraus…ich las z.B. vor kurzem irgendwo so ein Zitat/eine Mitteilung Steiners über den Mars, der laut seiner übbersinnlichen Wahrnehmung geleeartig sein soll und der uns lediglich überfluteten würde, bei einem Zusammenprall mit der Erde)…

    So gesehen, kann man natürlich auch Lichte nicht übersehen, in seiner Einfachheit.

    HG

    Anmerkung AM

    Keine Frage, nur reden wir hier von Steiners Dissertation lange vor seiner Wende zur Esoterik und ich sehe keinen Grund, sich über die so unheimlich zu echauffieren (bzw. wenn man es tut, kann man es auch argumentativ belegen, und da ist ein Verweis auf Tucholsky und den in philosophiehistorischen Fragen auch nicht ganz irrtumsfreien Russel nicht gerade überzeugend).

    Antworten
    • 5. Andreas Lichte  |  11. Juni 2012 um 1:24 pm

      @ Ansgar Martins

      Sie schreiben: „… und den in philosophiehistorischen Fragen auch nicht ganz irrtumsfreien Russel nicht gerade überzeugend“

      Bertrand Russell, doppel „L“: http://de.wikipedia.org/wiki/Bertrand_Russell

      „Bertrand Arthur William Russell, 3. Earl Russell (* 18. Mai 1872 bei Trellech, Monmouthshire, Wales; † 2. Februar 1970 in Penrhyndeudraeth, Gwynedd, Wales), war ein britischer Philosoph, Mathematiker und Logiker. Zusammen mit Alfred N. Whitehead veröffentlichte er mit den Principia Mathematica eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts über die Grundlagen der Mathematik. Er gilt als einer der Väter der Analytischen Philosophie. Als weltweit bekannter Aktivist für Frieden und Abrüstung war er eine Leitfigur des Pazifismus, auch wenn er selbst kein strikter Pazifist war. Bertrand Russell unterrichtete unter anderem am Trinity College der Universität Cambridge, der London School of Economics, in Harvard und Peking und war Mitglied der Cambridge Apostles. Der Liberale und Rationalist, der eine Vielzahl von Werken zu philosophischen, mathematischen und gesellschaftlichen Themen verfasste, erhielt 1950 den Nobelpreis für Literatur (…)“

      Anmerkung AM

      Ganz genau, dieser Russell…

  • 6. Andreas Lichte  |  11. Juni 2012 um 1:29 pm

    Von: Andreas Lichte
    Datum: 28. November 2011 20:50:46 MEZ
    An: PD Dr. phil. habil. Ludger Jansen, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie RWTH Aachen
    Betreff: Rudolf Steiners Dissertation und eine Einführung in das Wesen des Huhns

    Sehr geehrter Dr. Jansen,

    nun habe ich Rudolf Steiners Dissertation gelesen.

    .

    Finde meine Telefon-„Vorhersage“ über Steiners Fähigkeiten als Philosoph doch treffend … natürlich keine grosse Leistung, wie sagt der Italiener:

    „Conosco i miei polli !“

    („Ich kenne meine Hühner !“ – heisst: „Ich weiss, mit wem ich es zu tun habe.“)

    .

    Das Huhn Steiner ähnelt einem anderen Huhn:

    „Der Mann, der das Huhn tagtäglich gefüttert hat, dreht ihm zu guter Letzt das Genick um und beweist damit, daß es für das Huhn nützlicher gewesen wäre, wenn es sich etwas subtilere Meinungen über die Gleichförmigkeit der Natur gebildet hätte.“

    Bertrand Russell, „Probleme der Philosophie“

    Antworten
  • 7. Jan Luiten  |  3. Juli 2012 um 9:19 pm

    Diesmal ein gutes Interview. Nur gut wenn nicht-Anthroposophen ehrlich Steiners Werk untersuchen. Das wird sehr gebraucht. Herr Traub spricht mit Respekt über Steiner. Das gleiche kann leider nicht immer von Ansgar Martins gesagt werden.

    Antworten
  • 10. Waldorf weiter auf Abwegen « waldorfblog  |  28. September 2012 um 1:17 am

    […] Hirngespinste der “modernen Hirnforschung” zu berufen – wenigstens dem müsste die Ich-Philosophie Steiners doch vorbeugen (vgl. etwa GA 4, 31). Was auch immer diesem augenscheinlichen Opportunismus […]

    Antworten
  • 11. Merijn Fagard  |  12. Oktober 2012 um 1:27 pm

    Unter dem Titel “Windmühlen seiner eigenen Phantasie” erwähnt der Autor obenstehend in seine Frage an Traub Steiners „bemerkenswert verfehlte Spinozakritik“. In ein Artikel dass jetzt veröffentlicht worden ist auf die Webseite studienzuranthroposophie.de bespreche ich „Traubs Kritik an Steiners Spinoza-Interpretation“. Wer interessiert ist kann es hier finden: http://studienzuranthroposophie.de/fagsteinspin1.html oder an dieser Stelle: http://studienzuranthroposophie.de/fagsteinspin1.pdf

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  • […] Die “Optik der Geistes” und der Geist des Okkulten. Ein Gespräch mit Hartmut Traub […]

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  • […] Die “Optik der Geistes” und der Geist des Okkulten. Ein Gespräch mit Hartmut Traub […]

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  • […] Steiners theosophische Kehre. An dieser ging der “radikale Aufbruch in die Freiheit”, so Hartmut Traub, verloren, “also das, was den frühen Steiner – auch Stirner, Nietzsche und Fichte –  […]

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  • […] “Dass sich Fichtes Zugang zur Esoterik und zum Okkulten eher abgeklärt protestantisch als überbordend und bildreich katholisch wie bei Steiner gestaltet, ändert nichts an der Tatsache, dass eine gewisse Nähe, wenn nicht gar Affinität Fichtes zum Okkulten zu konstatieren ist.  Ein Zug, der, wenn man I. H. Fichtes Berichten über sein Elternhaus folgt, auch durch Johanne Marie Fichte, der Gattin des Philosophen, unterstützt wurde. Ein Letztes:  Sie haben auf den Unterschied zwischen der Annahme objektiver okkulter Wesenheiten bei Steiner und den eher subjekttheoretischen Charakter in Fichtes Lehre vom „höheren Sehen“ hingewiesen. Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Denn in Fichtes Theorie des Geisterreichs tritt die „ideale Individualität“ (Originalität) des einzelnen Menschen in Beziehung zu anderen, durchaus objektiven Geistern.” (Die “Optik des Geistes” und der “Geist” des Okkulten. Ein Gespräch mit Hart…) […]

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Zum Autor

Hallo allerseits,
Ich bin Ansgar Martins, geb. 1991 und war bis Juni 2010 Schüler an der FWS Mainz. Inzwischen studiere ich Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt a. M. Dieser Blog ( dessen "Leitbild" ganz oben rechts ) ist mein persönliches Projekt, um die oft einseitigen und selbstgerechten Pro- und Contra-Positionen in der Debatte um die Waldorfpädagogik und Anthroposophie kritisch zu kommentieren. Ich hoffe, das gelingt, und freue mich über Rückmeldungen jeder Art!

Kommentare

Jeder Artikel kann kommentiert werden. Da ich aber bei Internetdiskussionen zu diesem Thema schon einiges an widerlichen Unterstellungen und Beleidigungen von pro- wie antianthroposophischen Seite gelesen habe, werden die Kommentare aber vor ihrer Veröffentlichung geprüft und ich behalte mir vor, sie ggf. zu kürzen oder nicht freizuschalten. Ich will damit niemanden "zensieren", sondern versuchen, eine faire und möglichst sachliche Diskussionskultur zu schaffen.

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Mit Urteil vom 12.Mai 1998 hat das LG Hamburg entschieden, dass mensch durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der verlinkten Seite ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann, so das LG, nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert.

Da ich dieses Risiko gerade bei den bekannten Verstiegenheiten anthroposophischer Websites nicht eingehen will, distanziere ich, Ansgar Martins, mich hiermit vorsorglich von ausnahmslos allen Gestaltungen und Inhalten sämtlicher fremder Internetseiten, auch wenn von meiner Seite ein Link auf besagte Internetseite(n) gesetzt wurde.

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