Ein verzerrtes Bild – Replik von Albert Schmelzer zur Osterrieder-Rezension
20. Januar 2015 at 3:55 pm 1 Kommentar
Obwohl (oder: weil) das Buch von Markus Osterrieder zu Rudolf Steiner und dem Ersten Weltkrieg in den allermeisten anthroposophischen Zeitschriften geradezu hymnisch besprochen wurde, hat meine sehr kritische Rezension eine Reihe von scharfen Reaktionen ausgelöst. „Ein verzerrtes Bild“ sieht Albert Schmelzer: Meine Diagnose verschwörungstheoretischer und antiamerikanistischer Positionen bei Osterrieder werde dessen realen Ausführungen nicht gerecht. Seine Replik stelle ich mit freundlicher Genehmigung des Autors hier zur Verfügung:
Hier zum Artikel von Albert Schmelzer (PDF)
Mehr zum Thema auf diesem Blog:
Georg Klemp: Rezension zu Markus Osterrieder: „Welt im Umbruch“
Peter Staudenmaier: „Nationalist Cosmopolitanism“. Anthroposophen und der Erste Weltkrieg
Entry filed under: Albert Schmelzer, Erster Weltkrieg, Markus Osterrieder, Verschwörungsdenken.
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Georg Klemp | 24. Januar 2015 um 12:06 am
Von einem 1700-Seiten starken Buch kann man erwarten, dass viele Aspekte angesprochen werden. Die Masse an Material ersetzt jedoch nicht die Analyse und schützt auch nicht vor Einseitigkeiten, die natürlich auch Osterrieders Buch hat und von Martins völlig zu recht kritisiert werden.
Exemplarisch sei hier ein Beispiel heraus gegriffen:
In seiner Replik bringt A. Schmelzer einige Zitate, die eine „Multiperspektivität“ in Bezug auf die Kriegsschuldfrage belegen sollen. Erwähnt wird dabei nicht die Gewichtung. Osterrieder greift zwar in knapper Form einige Aspekte Fritz Fischers auf, erledigt sie jedoch mit wenigen Bemerkungen, ohne sich gründlicher mit dessen Argumentation auseinander zu setzen. Es entsteht der Eindruck, ökonomische Kriegsinteressen seien nur ein unwichtiger Nebenaspekt des Kriegs gewesen. Gerade das Septemberprogramm ist ein gutes Beispiel für Osterrieders Vorgehensweise, die Martins mit den Worten charakterisiert hat: „Er hält sich mit eindeutigen Aussagen zurück, lässt stattdessen Steiner und solche historischen Kontexte sprechen, die dessen Sichtweise zu unterstützen scheinen“. Das Septemberprogramm, das Fischer in die Diskussion um die Kriegsschuldfrage eingebracht hatte wird zwar erwähnt, jedoch in seiner Bedeutung unter Hinweis auf einige Historiker angezweifelt (119). Dabei finden die zahlreichen Kriegszieleingaben führender Wirtschaftsvertreter kaum Erwähnung, vor deren Hintergrund das Septemberprogramm ein besonderes Gewicht erhält. Der Leser erfährt auch nicht, dass Deutschland zahlreiche Friedensbemühungen des Auslands, angefangen bei der Julikrise bis hin zu den letzten Kriegsmonaten zu torpedieren bemüht war und zwar aus dem Grund, wie Fischer nachgewiesen hat, weil die ökonomischen Kriegsziele jener Wirtschaftsvertreter nicht erreicht worden waren.
Anschließend wird referiert, Steiner habe das Gewicht der Wirtschaftsvertreter für gering gehalten (120) ohne zu untersuchen, worauf sich diese Haltung gründete und wie berechtigt diese Ansicht war. Immerhin berichtet Steiner im Memorandum, er habe sich bemüht zu erfahren, für welche Kriegsziele Deutschland kämpfe und keine Antwort erhalten, es gebe also keine solchen Kriegsziele. Mit diesem offensichtlichen Informationsdefizit setzt sich Osterrieder ebenfalls nicht auseinander.
Während die deutschen Kriegsziele äußerst knapp behandelt werden, macht die Beschäftigung mit Weltherrschaftsplänen aus dem angelsächsischen Raum einen großen Teil des Buches aus. Allein durch diese Gewichtung ist der Vorwurf Martins, Osterrieder verzerre die Rolle des deutschen Kaiserreichs allemal gerechtfertigt.
Eine notwendiger Weise knapp gehaltene Rezension zu einem solch umfangreichen Buch kann nicht jede Aussage im Detail ausargumentieren und setzt sich immer dem Vorwurf ungerechter Verkürzung aus. Sie gibt jedoch dem Leser wichtige Hinweise auf problematische Punkte, die zum Mitdenken anregen. A. Martins hat m.E. hier die entscheidenden Mängel aufgezeigt.
Georg Klemp