Vidars Gefolgschaft: Antisemitismus in der norwegischen Anthroposophie. Ein Interview mit Prof. Jan-Erik Ebbestad Hansen
16. Dezember 2016 at 9:01 pm 17 Kommentare
Jan-Erik Ebbestad Hansen ist Professor (em.) für Ideengeschichte der Universität Oslo und Rezensent für die Abendzeitschrift „Aftenposten“. Wir sprachen über die Anthroposophie in Norwegen, in der sich, wie in Deutschland, völkisch-antisemitische Denkmotive mit einer aggressiven Polemik gegen Kritiker, die darauf hinweisen, verbinden.
Ansgar Martins: Sie haben sich intensiv mit Theorie-Traditionen wie der christlichen Mystik, der Faust-Literatur und der Romantik beschäftigt. Sehen Sie hier Parallelen zur Anthroposophie oder sogar Gemeinsamkeiten? Wie stehen Sie zur Konstruktion einer „esoterischen“ Ideengeschichte?
Prof. Hansen: Ja, hier gibt es Gemeinsamkeiten und Parallelen. Bekanntermaßen hatte die christliche Mystik, oder jedenfalls was er als Mystik verstand, eine entscheidende Rolle für Steiner. Er erzählt ja selber, dass er in der christlichen Mystik wichtige Begriffe für sein eigenes Denken gefunden habe. Und die Christologie, die er entwickelt hat, befindet sich in der Nähe einer johanneischen Christus-Logos Mystik. Auch die Faust-Literatur war für Steiner wichtig. Alle Steiner-Kenner wissen ja, welche Bedeutung er Goethes Faust zugemessen hat. Faust ist sozusagen ein anthroposophisches Thema. Auch von der deutschen Romantik gehen deutliche Linien zu Steiners Anthroposophie. Ich denke an die spiritualistisch orientierte Natur- und Geschichtsphilosophie Schellings und Steffens´, die Volksseelen-Idee, Schellings Theosophie, die Revolte gegen ein mechanistisches Weltbild, gegen den Intellektualismus, die französische Aufklärung usw. Wichtig ist auch die Esoterik, die wir in der Romantik finden, z. B. bei Franz von Baader, der Jakob Böhme und Claude de Saint Martin vermittelt hat. Schelling ist ja vom Idealismus zur Theosophie Böhmes und Silesius’ gekommen wie Steiner von einem fichteschen Idealismus in die Theosophie Blawatskys. Diese Theosophien sind ja sehr unterschiedlich, aber dennoch: Eine Ideengeschichte der Esoterik finde ich sehr wichtig, da sie ja in der ideengeschichtlichen Forschung sehr unterbelichtet ist. Ich bin überzeugt davon, dass die allgemeine Ideengeschichte gezwungen sein wird, diese Ideen und Denkweisen zu integrieren. In den zwei letzten Jahrzenten sehen wir, dass die Esoterikforschung ein neues Forschungsgebiet geworden ist, und sie tritt offensiv auf. Ich denke an Antoine Faivre und besonders an Hanegraaff und sein Umfeld in Amsterdam. Und ich denke an wichtige Übersichtpublikationen wie Dictionary of Gnosis and Western Esotericism (2006), Hanegraaffs Esotericism and the Academy (2012), Western Mysticism and Esotericism (2016) und Western Esotericism in Skandinavia (2016). Und was die Anthroposophie angeht, sind ja Helmut Zanders, Peter Staudenmaiers und Ihre eigene Forschung von entscheidender Bedeutung.
Was können Sie über die Entwicklung und Verbreitung der Anthroposophie in Skandinavien, speziell in Norwegen erzählen?
Steiner war ja mehrmals als Theosoph und Anthroposoph in Norwegen, seine Anhänger unter den Theosophen haben 1913 die anthroposophische Vidar-Gruppe und 1923 eine Anthroposophische Landesgesellschaft gegründet. Man hört oft, dass die Anthroposophie in Norwegen im Unterscheid zu anderen Ländern, einen relativ großen Einfluss unter Schriftstellern bzw. Intellektuellen ausgeübt habe. Dies darf nicht übertrieben werden, aber einige Schriftsteller und Intellektuelle versuchen Steiners Ideen zu verteidigen und vermitteln. Heute gibt es sonst mehr als 30 Waldorfschulen in Norwegen, ein Bank, einige Ärtze, Kirche (die Christengemeinschaft), Camp Hill communities, biodynamische Landwirtschaft und einige Zeitschriften.
Wie wird die Anthroposophie in Norwegen heute öffentlich rezipiert und (wie) wird sie wissenschaftlich wahrgenommen?
Die Anthroposophie ist durchaus der wichtigste spirituelle Alterntivimpuls in Norwegen. Die Steiner-Schulen haben Anerkennung gewonnen und bekommen eine öffentliche finanzielle Unterstützung. Wissenschaftlich, in der Akademie, spielt die Anthroposophie kaum eine Rolle. Es gibt aber einige akademische Arbeiten die anthroposophische Aktivitäten thematisieren. Neulich haben wir eine PhD-Abhandlung über die norwegischen Steinerschulen erhalten. Selber habe ich mehrere Masterarbeiten über norwegische anthroposophische Zeitschriften von 1915 bis heute initiiert.
Vor einiger Zeit wurde Kaj Skagens 1000-seitige Biographie des jungen Rudolf Steiner hymnisch in einigen deutschsprachigen anthroposophischen Medien besprochen. Das klingt natürlich nach viel Material oder zumindestnach aufwendiger Interpretation des Bekannten. Wie beurteilen Sie das Buch?
Anthroposophische Hymnen sind meistens Hymnen auf Rudolf Steiner, und von geringem sachlichen Interesse. Skagen ist ein bekannter Schriftsteller, der an der öffentlichen Debatte teilnimmt, oft ziemlich polemisch. Er meint viel und lautstark. Er ist ein Autodidakt, will aber mit seinem Buch über den jungen Steiner zur Forschung beitragen. Es dreht sich nichtsdestowenigerum Vermittlung des schon Bekannten. Man kann aber sagen, dass er in Norwegen der beste Kenner des jungen Steiners ist. Skagenwar seit seiner Jugend ein fanatischer Anthroposoph (er nennt sich selber einen Fanatiker), aber schreibt, dass er jetztaus der Anthroposophie hinaus will. Er hat offensichtlich mit seinem eigenen Dogmatismus und der anthroposophischen Vorstellungswelt Probleme bekommen. In seinem Buch gibt es Ansätze zu einer selbständigen kritischen Darstellung. Das sind aber nur Ansätze. Wir werden sehen, ob er es schafft, sich frei zu machen.
Auch in Norwegen hat es eine Debatte über die Rassentheorien, Völkerstereotype und den Antisemitismus Rudolf Steiners und prominenter Anhänger gegeben. Sie publizieren demnächst eine Monographie zum Thema. Wie kam es dazu?
Vor einigen Jahren hat Professor Tore Rem eine große Biographie über den Schriftsteller Jens Björneboe publiziert, der auch einige Zeit lang von der Anthroposophie inspiriert wurde. Sie hat meistens glänzende Rezensionen bekommen, aber unter den Anthroposophen hat sie heftige Reaktionen hervorgerufen. Kaj Skagen und sein Freund Peter Norman Waage, auch ein loyaler Steiner-Apologet, haben das Buch verrissen. In diesem Streit ereignete sich ein bizarres Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man Anthroposophen kritisiert. Skagen veränderte unter einem Pseudonym Rems WIKIPEDIA-Eintrag in eine negative Richtung. In der Debatte wurde auch ich von Kaj Skagen angegriffen, weil ich einer der Lektoren des Verlags war. Die Debatte drehte sich hauptsächlich um das Verhältnis norwegischer Anthroposophen zum Nationalsozialismus. Dann habe ich an den Schriftsteller und Anthroposophen Alf Larsen gedacht, der oft von Anthroposophen als einer der Großen in der Bewegung hervorgehoben wird. Ich habe in seinem Archiv in der norwegischen Nationalbibliothek gesucht und ganz schnell ein großes, unbekanntes Manuskript gefunden, das Das Judenproblem betitelt war. Das war wirklich eine Überraschung. Es war kaum zu glauben, was da geschrieben stand. Ich wusste ja, dass er ein Antisemit war, aber dass er so extrem und grob war, wusste ich nicht. Ich hatte den größten Antisemitender norwegischen Literatur entdeckt. Ich habe sofort verstanden, dass ichmit diesem Material weitergehen musste, und es hat nicht lange gedauert, bis ich auch verstanden habe, dass Larsen nicht der einzige Antisemit unter den norwegischen Anthroposphen war.
Ihr Artikel betont besonders einen Aspekt von Steiners Antisemitismus: Die Vorstellung vom speziellen Charakter des jüdischen Blutes. Bei norwegischen Anthroposophen war das offenbar ein zentrales Thema. In der deutschsprachigen Literatur ist es irritierenderweise meines Wissens kaum ausführlicher untersucht worden. Hier dominiert, von einigen harten anthroposophischen Rassisten abgesehen, m. E. ein anderes Motiv: Steiners Kontrastierung von christlichem und „mitteleuropäischem“ Universalismus mit dem ethnozentrisch-vorchristlichen „Jahwe-Bewusstsein“, das er auch im Ersten Weltkrieg am Werk sah. Allerdings überzeugt Ihr Argument, die Bedeutung der Blutsvorstellung in seinem Bild des Judentums höher einzuschätzen. Der gesamte „internationalistische“ Anspruch seiner Christologie richtet sich gegen die überlebte Rolle der angeblich blutshomogenen Juden: „Sein erstes Auftreten hätte der Christus nicht haben können innerhalb der jüdischen Gemeinde selber, wohl aber in Galiläa, an demjenigen Orte, wo gemischt waren die verschiedensten Völkerstämme und Völkergruppen.“ ([1909] GA 112, 162) Das hätte ich in meinen Büchern stärker pointieren müssen.Wie entwickelte sich in Norwegen der anthroposophische Antisemitismus? Welche Rolle spielte die blutsmaterialistische Dimension von Steiner Völkermythologie?
Der Kontext ist ja auch wichtig, gerade in diesen Jahren wurde die Dichotomie von „Deutschtum“ und des Judentum entwickelt. Auf der einen Seite die Germanen, die Individualismus und Universalismus repräsentieren, auf der andren Seite die Juden, die an Rasse, Blut und Kollektiv gebunden sind. Conrad Englert sagt explizit, dass die Juden ans Blut gebunden seien, dass die jüdische Rasse die Rasse sei, die am stärksten durch das Blut repräsentiert werde. Und Alf Larsen weist mehrmals auf das besondere Blut der Juden hin. Er sagt deutlich, so lange es ein kleines Tröpfchen Judenblut in einem Jude gebe, könne er nicht restlos in ein anderes Volk aufgehen, was ihm eine ideale Notwendigkeit war. Auch Hohlenberg (er war ein Däne, der mehrere Jahre in Norwegen wohnte und wirkte) hebt die Einheit vom Geist und Körper als eine Selbstverständlichkeit hervor.
In welcher Hinsicht galten „die Juden als Lehrer der Nazis“, wie Sie schreiben?
Die anthroposophischen Autoren meinten, dass die Nazis ihre Vorstellungen von Rasse, Volk und Kollektiv von den Juden übernommen haben. Der Nazismus wurde also nicht nur als eine Parallele zum Judentum betrachtet, sondern die Nazis hätten von den Juden gelernt. Larsen sagt zum Beispiel, dass die Rassegesetze der Nazis eine direkte Nachahmung des Alten Testamentes seien.
Wie präsent waren solche Motive bei den leitenden norwegischen Anthroposophen jener Jahre?
Sie haben mehr oder weniger dasselbe gesagt, Johannes Hohlenberg, Conrad Englert und Alf Larsen: Die Juden waren die Lehrmeister. 1941 schrieb Larsen, dass der Nazismus der endgültige Sieg des Judentums auf der Welt sei. Die Juden waren also nicht nur Kommunisten und Kapitalisten, sie waren auch für den Nazismus verantwortlich! Dies muss die endgültige Bestätigung von Adornos These sein, der Antisemitismus sei ein flexibler Mythos.
Änderte sich diese Haltung nach 1945?
Bei Alf Larsen ist sie explodiert, ins Extreme entwickelt. Das Judenproblem wurde in den 1950er Jahren geschrieben. Interessanterweise ist diese Denkweise unter norwegischen Anthroposophen noch möglich. 2009 hat der Rechtsanwalt (höchstes Gericht) und Großanthroposoph Cato Schiötz in einer Diskussion über Larsens Antisemitismus und die Anthroposophie folgendes gesagt: „Larsen kritisiert Juden aus demselben Grund, aus dem er zu den Nazis kritischist. Sie bauen auf einen veralteten Begriff von Rasse und Blut. Dies dreht sich um das Rassenverständnis der Juden, nicht um die Christologie Rudolf Steiners.“
In welchem Verhältnis standen die Anthroposophen zu völkischem Gedankengut in Norwegen?
Hier gibt es ein nahes Verhältnis. Viele Anthroposophen haben die norwegische, germanische Volksseele betont. In der Zwischenkriegszeit gab es beinahe einen Kultus der Volksseele. Es gab eine starke Germanophilie und einen Glauben an die besondere Bedeutung der nordgermanischen, skandinavischen Länder. Sie sahen auch eine Kontinuität zwischen Heidentum und Christentum. Das heißt, dass sie an die heidnischen Götter, wie zum Beispiel Balder und Vidar, glaubten. Das tun norwegische Anthroposophen übrigens noch immer. Die Götter werden als geistige Realitäten aufgefasst. Mit ihrer starken Vidar-Anbetung strebten sie eine Art Synthese von Germanentum und Christentum an. Dies sieht man heute bei einem wichtigen Anthroposophen wie Frode Barkved, er meint, dass es notwendig sei, dass der heidnische Gott Vidar ein Leib für Christus werde.
Hans Büchenbacher schreibt in seinen „Erinnerungen“:
„Der dänische Generalsekretär Johannes Hohlenberg (ein in Dänemark bekannter und anerkannter Schriftsteller und Maler) und ein alter naher Freund von mir seit der Weihnachtstagung, an der er als dänischer Generalsekretär teilgenommen hatte, war Herausgeber der Monatsschrift „Vidar“, in der er auch Vorträge von Dr. Steiner übersetzt veröffentlichen durfte. Nachdem aus dem Titel unserer Wochenschrift „Das Goetheanum“ die Bezeichnungen „international“ und „Dreigliederung“ gestrichen worden waren, druckte er in einer Nummer des „Vidar“: „das sei nun die einzige Zeitschrift, die Anthroposophie „uafkortet“ (unverkürzt) vertrete“. Daraufhin entzog ihm Frau Dr. Steiner die Möglichkeit, Vorträge von Herrn Doktor in seiner Monatsschrift zu veröffentlichen. Nach der Besetzung Dänemarks im Weltkrieg konnte Hohlenberg nach Norwegen fliehen und wurde mit Hilfe unseres gemeinsamen Freundes Otto Morgenstierne auf einer Insel in Sicherheit gebracht.Ende der 50er Jahre ist Hohlenberg in Kopenhagen verstorben.“
Wie beurteilen Sie Büchenbachers Einschätzung und Beschreibung Hohlenbergs und dessen Kritik der Nationalsozialismus?
Vidar war eine norwegische anthroposophische Zeitschrift, die 1915 gegründet wurde. 1926 wurde Hohlenberg der Herausgeber Vidars, eine Stelle, die er bis 1940 hatte. 1933 wurde er auch ein Mitarbeiter in Alf Larsens Zeitschrift Janus. Er war mit einer norwegischen Frau verheiratet und hat eine zentrale Rolle für die norwegische Anthroposophie gespielt. Hohlenberg nahm wie sein Freund Larsen früh Stellung gegen Hitler und den deutschen Nazismus. Wegen seiner Hitler- und Nazismus-Kritik hat er aber große Schwierigkeiten mit der Leitung in Norwegen und Dornach bekommen. Es wurde ihm, wie Büchenbacher sagt, u.a. verboten Texte von Rudolf Steiner zu veröffentlichen. In der norwegischen anthroposophischen Gesellschaft gab es in der Zwischenkriegszeitvöllig absurde Streitigkeiten und Konflikte. Leitende Personen wie Helga Geelmuyden und Conrad Englert waren Freunde von Marie Steiner-von Sievers und sehr Dornach-loyal. Sie waren beide sehr kritisch gegen Hohlenbergs Hitler- und Nazismus-Kritik. In einem Brief an Marie Steiner-von Sievers empörte Geelmuydensich über Hohlenbergs „Hitler-Hass“ und über seine Nazismus-Kritik. Auch Larsen wurde wegen seiner Kritik der politischen Entwicklung in Deutschland in den 30er Jahre kritisiert. Die „offizielle“ Erklärung dieser Opposition gegen Hohlenberg ist, dass die Gesellschaft politisch neutral sein solle und dass die Leitung wegen der schwierigen Lage der Anthroposphen in Deutschland vorsichtig sein müsse. Nach Staudenmaiers und Ihrer eigene Forschung sieht das etwas anders aus. Nach dem Kriege haben norwegische Anthroposophen Hohlenbergs und Larsens Nazismus-Kritik hervorgehoben. Ihren Antisemitismus haben sie aber verschwiegen.
In Ihrem Artikel ist nachzulesen, ausgerechnet Steiners Vortragszyklus „Die Mission einzelner Volksseelen…“ (in Deutschland 2007 von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ unter Kommentarzwang gestellt, weil „in Teilen als zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“), sei unter norwegischen Anthroposophen viel rezipiert worden. Immerhin wurden die Vorträge 1910 in Oslo gehalten. Welche Botschaften und welche Ausgabe zog man daraus?
Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhange mit der germanisch-nordischen Mythologie ist sehr wichtig, will man norwegische Anthroposophen verstehen. Hier hat Steiner ihnen die große, entscheidende Bedeutung Vidars und der eigenen heidnischen Mythologie beigebracht. Sie erfuhren, dass es eine Kontinuität zwischen Heidentum und Christentum gebe, und dass sie eine große Bedeutnung für der Entwicklung der Welt haben können. Und NB, von hier haben sie auch die esoterische Begründung des Steinerschen Antisemitismus bekommen.
Ein weiteres Beispiel, das ebenfalls in Ihrem Artikel auftaucht: Für Rudolf Steiner war es „reizvoll zu verfolgen“, was „die nordischen Götter“, (Erz-)Engel mit bestimmten Zuständigkeitsbereichen, auf ihren „Wanderungen“ erschaffen. Ihm zufolge kommt „der Mensch … aus geistig-seelischen Welten herunter“ und so ist es „nicht gleichgültig, ob er als Norweger oder als Schwede geboren wird“: Ostskandinavier werden beim Inkarnationsvorgang „wie abgelenkt“ und entwickeln „einen passiven Charakter“: „Sie können nicht widerstehen demjenigen, was sich vom Osten herüber“, u.a. „durchmongolisch-tatarische Völkerschaften“ aufdrängt, bewahrten dafür aber in Vorzeiten eine „mystisch-orientalische“ Götterlehre. Die „norwegischen Menschen“ bzw. diejenigen, die „in der richtigen Weise ihr Norwegerleben“ verwirklichen, haben dagegen die Mission, ihren „Mitseelen“ in nachtodlichen Daseinszuständen „von den Geheimnissen der Erde“ zu berichten. Das sei für die postmortalen Menschen so wichtig wie die anthroposophischen Berichte aus der „geistigen Welt“ auf der Erde. ([1921] GA 209, 59ff.) Dieser Vortrag wurde ebenfalls vor norwegischen Zuhörern gehalten. Hatte diese spirituelle Völkerpsychologie Skandinaviens Folgen für die nationalistische Steiner-Rezeption in Norwegen und Schweden?
Ganz klar! Man kann sicher annehmen, dass Steiners Worte einen großen Eindruck gemacht haben. Sie haben sich als Vidars Gefolgschaft oder Kampfgruppe aufgefasst. Sie waren die Avantgarde der Entwicklung! „Nordland“ und Norwegen haben jetzt die Initiative. Der Leuchter, der früher in Mitteleuropa stand, steht jetzt in Skandinavien. Diese Ideen führten zu einer Huldigung der germanischen, norwegischen Volksseele. Eigentlich wollten sie wohl keine Nationalisten sein, aber im Nationalen haben viele die große Zukunft gesehen, haben sie einen Weg gefunden, der sie mit Vidar zu Christus gehen konnten.
Welchen Stellenwert nehmen rassentheoretische und nationale Spekulationen insgesamt in den Schriften norwegischer Anthroposophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein – also auch im Verhältnis zu den sonstigen Aktivitäten?
Man kann schon sagen, dass der Nationalismus wichtiges Thema war, nicht dominierend, aber wichtig. Die Rassentheorien standen mehr in der Peripherie. Hohlenberg hat aber den anthroposophischen Rassentheoretiker Richard Karutz hervorgehoben. Und sie waren selbstverständlich „Germanen“.
Wie gehen heutige norwegische Anthroposophen mit Steiners Rassen- und Völkertableau um?
Selber haben sie nicht mit dem Antisemitismus oder den Rassentheorien Steiners abgerechnet. Sie sind im Grunde genommen überzeugt davon, dass es keinen Rassismus oder Antisemitismus in dessen Schriften gibt. Erst wenn andere, wie zum Beispiel Staudenmaier, auf problematische Seiten in der Anthroposophie oder der Bewegung zeigen, reagieren sie. In dieser Hinsicht sind sie ausgesprochen reaktiv. Und sie reagieren oft mit einer Apologetik, die ziemlich aggressiv sein kann. Wenn man sich historisch-kritisch mit der Anthroposophie beschäftigen will, muss man auf eine oft unangenehme apologetische Polemik vorbereitet sein. Seriöse Wissenschaftler wie Helmut Zander und Peter Staudenmaier sind ja bekanntlich fast Hassobjekte geworden. Wenn Anthroposophen Kritik aufnehmen, geht es um Bagatellisierung. Und sie heben einige Aussagen Steiners hervor, die den Rassismus verurteilen. Einige, die nicht so dogmatisch sind oder sein wollen, können auch auf die Untersuchung der holländischen anthroposophischen Gesellschaft hinweisen. Eine Stellungnahme zu Ihrem Buch über den Steinerschen Rassismus habe ich nicht gesehen. Der Steinerkult bei den norwegischen Anthroposophen ist zentral, und die meisten orientieren sich offensichtlich an deutschen Dogmatikern wie z. B. Lorenzo Ravagli. Seine Texte werden übersetzt und er hält Vorträge in Oslo.Sie haben auch Baders und Ravaglis Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit. Anthroposophie und der Antisemitismusvorwurf übersetzen lassen, damit glauben sie offensichtlich das letzte Wort über Anthroposophie und Antisemitismus gesagt zu haben. Die Übersetzung hat ein Nachwort von Cato Schiötz, der, ohne die Sache untersucht zu haben, behauptet, dass Alf Larsens Antisemitismus eine Privatsache war. Es geht immer um Apologetik, Bagatellisierung und Wegerklärung. Es gibt aber Lichtpunkte. Kaj Skagen sieht den assimilatorischen Antisemitismus beim jungen Steiner. Hier hat er sich offensichtlich von Ralf Sonnenbergs kritischer Erörterung von Steiners Aussagen über die Juden beeinflussen lassen. Den Antisemitismus bei dem Theosophen und Anthroposophen Steiner kommentiert er nicht, es ist ja auch nicht sein Thema. Wie dies in der Bewegung aufgenommen wird, weiß ich nicht.
Einer der vitalsten Aspekte aus Steiners Zeitbetrachtung, der ebenfalls implizit antisemitisch aufgeladen ist, sind seine Verschwörungsideologien. Sie drehen sich primär um eine übersinnlich manipulierte okkulte Geheimlogen hinter der englischsprachigen Welt gerichtet waren. Wie verhielten oder verhalten sich norwegische Anthroposophen zu seinen im Ersten Weltkrieg formulierten Feindbestimmungen gegenüber dem „Angloamerikanertum“ ?
Auch ein Interessantes Thema! Hier kann ich aber leider nicht viel sagen, dies ist auch eine Untersuchung wert. Generell gilt, dass die große mitteleuropäische Kultur als ein Gegensatz zur angloamerikanischen Kultur gesehen wurde. Alf Larsen war hier sehr deutlich. Und Johannes Hohlenberg warnte vor der englischen Sprache, die eine ahrimanische Sprache sei.
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1.
Ralf Sonnenberg | 17. Dezember 2016 um 3:30 am
Grüß dich Ansgar,
besten Dank für das interessante und informative Interview mit Prof. Hansen! Vieles darin war mir neu, da ich von der norwegischen anthroposophischen Szene so gut wie nichts wusste, sieht man einmal von ein paar Details der Vergangenheit ab.
Mal zur Abwechslung ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn du in deinem Blog nicht nur Steiner-Kritiker zum Thema Rassismus-Vorwurf zu Wort kommen ließest, sondern der Fairness und Ausgewogenheit halber etwa mal einen Staudenmaier-Kritiker wie Robert Rose (»Evolution, Rasse und die Suche nach einer globalen Ethik«, 2016) interviewtest? Du kannst ihn ja mit kritischen Fragen bombardieren (ich bitte darum!), aber es wäre dann ein wirkliches Streitgespräch auf akademischem Niveau und nicht nur eine (Selbst-)Bestätigung des von Dir und dem Interviewpartner im Wesentlichen Geteilten bzw. eine reine Informationsveranstaltung. – Eine kleine, aber nicht unerhebliche Richtigstellung zu den Ausführungen Hansens: Es reagieren keinesfalls nur einzelne Anthroposophen allergisch und intolerant auf Kritik – was ich als Autor kritischer Beiträge ja selber häufig erfahren musste und immer noch muss –, sondern eben auch sogenannte Gegner der Anthroposophie. Hasserfüllte und dogmatische Apologeten gibt es auf beiden Seiten, keinesfalls nur aufseiten der Anthroposophen. Dogmatismus und Sektierismus in Reihen von Minderheiten fällt nur der Mehrheit deutlicher auf, während Dogmatismus, der mit Mainstream-Vorurteilen bzw. Mainstream-Auffassungen stillschweigend einhergeht, oftmals nicht sofort als solcher identifiziert wird.
Insofern wäre es doch vielleicht einmal ganz hilfreich, die eigene »akademische« Position im Spiegel des heftig kritisierten Gegenstandes (»Anthroposophie«) selbstkritisch zur Disposition zu stellen und sich zu fragen, ob es in der Anthroposophie Steiners nicht auch interessante Aspekte gibt, die es sich lohnt, philosophisch und erkenntniswissenschaftlich weiterzufolgen – gerade auch dann, wenn man sich kritisch und ablehnend mit Rassismus auseinandersetzt. Ich denke in diesem Zusammenhang vor allem an einen Kontrapunkt zu dem heute gängigen wissenschaftlichen Vorurteil, wonach das menschliche Ich entweder eine Illusion sei (vgl. deterministische Neurowissenschaften, eliminatorischer Determinismus) oder/und sich ausschließlich aus Genetik/Biologie und soziologischen Prägungen erklären ließe. Wenn man jedoch den Begriff eines geistigen, d.h. nicht ausschließlich durch Biologie und Prägung deutbaren Ich eliminiert, dann frage ich mich, woraus man dann die Legitimität nehmen möchte, den »Rassismus« gedanklich zu entkräften bzw. ihm den ideologischen Boden zu entziehen? Ist doch die Elimination des Ich zugunsten eines reduktionistischen Biologismus gerade die Voraussetzung dafür, dass moderner Rassismus fortlebt, selbst wenn man ihn heute anders, d.h. mit neutraleren, rein naturwissenschaftlichen Begriffen (Biologie, Gehirn, Neuronen usw.) tituliert. Die heutigen reduktionistischen Wissenschaften fallen damit unweigerlich auf eben den Biologismus zurück, den sie eigentlich zu überwinden angetreten sind. Insofern auch meine Frage an Steiner-Kritiker, die sich Anthroposophen himmelweit überlegen wähnen: Wäre es neben der berechtigten und notwendigen Kritik an rassentheoretischen Aufassungen Steiners, dessen Anthroposophie heute doch eine eher bescheidene gesellschaftliche Rolle spielt, nicht viel eher geboten, die eigene erkenntniswissenschaftlich-reduktionistische Borniertheit in den Blick zu nehmen, die heute immerhin den Kern der materalistischen Wissenschaften ausmacht und auf ein Millionenpublikum ausstrahlt?
Beste Grüße von Ralf
2.
A.M. | 17. Dezember 2016 um 4:05 pm
Hallo Ralf,
schön von Dir zu hören. Leider mit diesen irritierenden Positionen. Ich wüsste nicht, welchen Vorteil es hätte, Rose zu irgendwas zu befragen. Wenn er etwas zu Staudenmaiers Forschungen zu sagen hätte, dann wäre es wohl in dem Buch aufgetaucht. Ich habe darin aber keinen Hinweis auf Anthroposophie im Nationalsozialismus gefunden, nur ein bisschen zusammenhangloses Pöbeln gegen ein paar frühe Aufsätze von Staudenmaier. Dessen eigentliche Arbeiten kommen gar nicht vor und Steiners Rassenlehre wurde anderswo auch schon erhellender rekonstruiert. Das Buch ist eine Lachnummer. Stattdessen geht es darin nur um eine weitere explizite Apologie von Steiners Rassismus. Soweit nichts neues. Ich verstehe nicht, wo das für Ausgewogenheit sorgen soll, weil diese Position eine Lüge oder selbst Rassismus ist (oder eine psychologisch-ideologische Verdrängungshaltung, die zu analysieren nicht mein Kompetenzbereich ist). Neurodeterminismus ist zwar ebenfalls Quatsch (ich empfehle dazu: http://www.springer.com/de/book/9783642250972), aber nunmal auch nicht Thema dieses Blogs, wobei : Es gibt ja sogar Waldorf-Dialoge mit „der Hirnforschung“. Was meinst Du dazu? Meines Wissens wird zumindest zur Hetze gegen Ausländer kaum auf Neurobiologie verwiesen und werden rassistische Typologien heute kaum von Neurobiologen begründet. Schon um 1900 war Biologismus, neben Spiritualismus, nur eine Begründungsmöglichkeit. Rassismus besteht nicht in der Leugnung des Ich sondern in der Annahme von angeborenen Kollektiveigenschaften. Auch Goebbels verehrte Eckart, Fichte und Stirner. Wenn etwas aufzusprengen wäre, dann diese theosophische Überzeugung, Rassismus habe mit „Materialismus“ zu tun. Deine Vorstellung von „den materialistischen Wissenschaften“ und dass sie sich um Neurowissenschaften als „Kern“ gruppierten, wird wohl aus derselben Ecke stammen. Ebensolche anthroposophischen Vorstellungen über die „materialistische“ Außenwelt gelte es hier zu kritisieren. Dass die Legitimation von Kritik an der statistischen Verbreitung und Reichweite des Gegenstandes hängen soll, verstehe ich nicht. Außer wenn Du meinst: Anthroposophie ist so unwichtig und bescheiden, kritisiert sie doch nicht. Dann würde ich widersprechen.
Wenn DU Deine Einwände, irgendwelche Funde oder sogar die Beobachtungen Deines Kommentars hier publizieren möchtest, steht Dir der Blog gern zur Verfügung. Robert Rose hat zum Thema schlechterdings nichts zu sagen (oder zumindest sein Buch nicht) und will ich ungern hier besprechen. Schon die englischsprachige Fassung hätte ich lieber ignoriert. Die deutsche Übersetzung nehme ich mir vielleicht mal vor, wenn noch mehr Hinweise wie Deiner kommen. Ralf Sonnenberg für Robert Rose, das ist ja schon anthroposophische Bankrotterklärung genug. Die größte mögliche Verdrängungshaltung gegenüber Eurer Bewegungsgeschichte im Nationalsozialismus. Kein Kritiker kann sich die anthroposophische Welt so stereotyp ausmalen, wie sie sich bei jeder und offenbar auch dieser Gelegenheit freiwillig zeigt. Insofern ebenfalls beste, aber traurige Grüße von
Ansgar
3.
harrybr | 17. Dezember 2016 um 9:22 am
..Larsen kritisiert Juden aus demselben Grund, aus dem er zu den Nazis kritischist.–?????
4.
Andreas Lichte | 17. Dezember 2016 um 2:21 pm
… eine Ergänzung, die den Zusammenhang – für den Laien – vielleicht deutlicher macht:
„Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie“ [1]
[ist ein] Buch [Rudolf Steiners], dem die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) bescheinigte, dass es, Zitat BPjM, „als zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ sei.
Die BPjM beanstandete unter anderem die folgende Text-Stelle, die den Inhalt des Buches zusammenfasst, Zitat Rudolf Steiner: „Eine Aufgabe, die besonders der kaukasischen Rasse obliegt, ist die: Sie soll den Weg machen durch die Sinne zum Geistigen, denn sie ist auf die Sinne hin organisiert.“ [2] „Kaukasische Rasse” gebraucht Steiner synonym für „weiße Rasse“, über deren Rolle er an anderer Stelle schreibt: „Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse.“ [3]
Die „weiße Rasse“ ist das Ziel von Rudolf Steiners „Menschheitsentwickelung“, die der Historiker Peter Staudenmaier so zusammenfasst: „Ausgehend von Blavatskys [4] entwicklungstheoretischem Ansatz baute Steiner eine Evolutionslehre der Völker- und Rassengruppen auf, wonach die menschliche Seele durch aufeinanderfolgende Verkörperungen in immer ‘höheren’ Rassen geistig wie leiblich fortschreitet. Diese Stufenleiter der Rassen steht im Mittelpunkt von Steiners esoterischem Verständnis der Gesamtentwicklung der Menschheit, vom Verhaftetsein in der Materie hin zur geistigen Vervollkommnung.“ [5]
Innerhalb der „weißen Rasse“ haben die „Germanen“ eine herausragende Mission, sie sind es, die die „Menschheitsentwickelung“ voranbringen. Und genau darum geht es in Steiners „Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie“: die „Germanen“ – sprich: die „Deutschen“ – sind ein auserwähltes Volk.
(…)“
Quelle (dort auch die Fußnoten): „Ein ‚rechter‘ Waldorflehrer soll gehen – Rudolf Steiner bleibt“, http://hpd.de/artikel/11915
5.
Ralf Sonnenberg | 17. Dezember 2016 um 5:09 pm
Hallo Ansgar,
danke für deine Erwiderung. Das Buche von Rose habe ich gerade erst begonnen zu lesen, daher kann ich noch nicht beurteilen, ob es eine »Lachnummer« ist. In der Tat beschäftigt sich das Buch auch nicht mit den Verstrickungen von Anthroposophen in den NS, sondern mit Steiners Rassentheorien bzw. dem Bild, welches Staudenmaier davon entwirft, indem er die Unterschiede von Anthroposophie und Nationalsozialismus an manchen Stellen bis zur Unkenntlichkeit minimiert. Der Ansatz Roses, den Begriff Rassismus zu problematisieren und auf seinen inflationären Gebrauch im Sinne eines Kampfbegriffes hinzuweisen, ist zumindest nicht uninteressant. Rose ist sicherlich ein »Apologet« (so wie es auch Apologeten von grüner Politik, Demokratie, Anthroposophie-Kritik usw. gibt), was nicht problematisch wäre, wenn er denn auch kritische Ansätze tolerieren und ernsthaft diskutieren würde. Beim bloßen Überfliegen fielen mir da in der Tat bereits schwerwiegendere argumentative Mängel auf, insofern fürchte ich fast, dass du mit Teilen deiner Rose-Vorbehalte Recht hast. – Gleichwohl: Dein erklärtes Ziel ist es doch auch, Anthroposophen für Problematisches, sprich Rassistisches innerhalb der Anthroposophie zu sensibilisieren, nicht wahr? Oder habe ich den Sinn deines Blogs dahingehend missverstanden, dass er nur der Befriedigung eines akademischen Forscherehrgeizes dient?
Mit einer kompletten Gesprächsverweigerung und Lächerlichmachung der Standpunkte des anderen, mag der andere auch in seiner Apologetik gefangen sein, wird man allerdings kaum Fortschritte erzielen können. Ich kann selbst aus den Gsprächen mit sogenannten Apologeten und Dogmatikern Interessantes für meine eigene Haltung gewinnen und diese noch einmal unter einem anderen Gesichtspunkt anschauen und überprüfen. – Zu deinen Bemerkungen zum Biologismus und Rassismus: Ich wollte den Begriff des Rassismus, insofern er nämlich bei einem Menschen die biologische Abstammung höher bewertet als sein individuelles Sein, bewusst auf heutige reduktionistische Wissenschaftsmodelle erweitern – nicht, um der Frage des Rassismus innerhalb der Anthroposophie auszuweichen, sondern um darauf hinzuweisen, dass mit einer rein antirassistischen Argumentation und Polmik noch gar nichts gewonnen ist, sofern überhaupt noch gar kein selbstständiger Begriff von Individualität und Ich entwicket wurde bzw. noch keine Wissenschaft des Ich vorhanden ist. Dieses erkenntniswissenschaftliche Manko hat meines Erachtens heute sehr viel weitreichendere Konsequenzen in der gesellschaftlichen Praxis (inbesondere Pädagogik oder auch der Art des Wissenschaftstreibens), als das Häuflein dogmatischer Anthroposophen, welches an bestimmten Aussagen Rudolf Steiners zu Rassen klebt und gesamtgesellschaftlich einen eher marginalen Einfluss hat.
Grüße von Ralf
6.
A.M. | 17. Dezember 2016 um 6:39 pm
Lieber Ralf,
auch Dir vielen Dank für die schnelle und engagierte Antwort, wobei ich mich schon frage, ob du beispielsweise auch in „Die Drei“ so emphatisch darauf dringst, Kritiker abzudrucken, wie Du hier Rose der Fairness halber sehen willst. Gewiss kann man aus Gesprächen mit allen möglichen Standpunkten selbstverständlich so einiges an Information und Horizonterweiterung beziehen, das ist aber kein Grund, alle solchen Standpunkte als gleichermaßen relevant darzustellen. Ich würde z.B. Dir ganz, ganz dringend dazu raten, Dich mal mit einem Neurowissenschaftler über dessen Prämissen auszutauschen, aber dennoch nicht dazu raten, Neuroreduktionismus aus probate Position vorstellig zu machen. Im speziellen Fall von Robert Rose glaube ich allerdings nicht, dass jemand sehr viel neues aus seinem Buch lernen kann. In der Tat wird heutzutage beispielsweise Sexismus durch Hirnforschung „bestätigt“, aber das ist etwas sehr anderes als Rassismus, der inzwischen eher als Ressentiment ohne akademische Rückendeckung herumgeistert. Beide Ideologien sind in Genesis und Funktion sehr unterschiedlich. Die Verwässerung des Rassismusbegriffs auf Neurodeterminismus gibt nur die Erkenntnisfunktion des Begriffs preis. Nur wenn man die anthroposophische Prämisse unterstellt, es gebe solche Kollektiv-Leiber („Rassen“) kann die Leugnung des Ich-Kerns Rassismus bedeuten. Rassismus richtet sich nicht gegen Individualitäten, sondern gegen Menschen als Gruppen. Ihn bekämpft man nicht, indem man erklärt, dass das „Ich“ sich über die Gruppe erhebt, sondern indem man die Imagination dieser Gruppe als solche entlarvt. Der Begriff eines sich inkarnierenden Ichs kommt mir überdies epistemologisch altbacken vor: Spätestens mit Hegel ist das Selbstbewusstsein und das Denken als komplex mit anderem vermittelte Instanz zu verstehen. Dahinter fällt der Tropfen aus dem Meere der Gottheit oder den Geistern der Form usw. in eine monadologische Konstruktion zurück. Dass ist wie wenn Rose den theosophischen Internationalismus des 19. als „globale Ethik“ des 21. verkauft. Dieses Buch kursierte vor einigen Jahren als englische PDF-Fassung, die deutsche habe ich mir noch nicht angeschaut und darauf wenig Lust. Es gibt einen Forschungsstand zum Thema, sogar inneranthroposophisch, und Roses Versuch, die altbekannten Positionen schon wieder als revolutionäre Entdeckung zu präsentieren, fügt dem in meinen Augen nicht viel wesentliches hinzu. Und es geht schon wieder nur um Steiner. Wachsmuth, Karutz, Steffen usw. wären einzubeziehen, und eben die Geschichte im NS. Die Auseinandersetzung, die Staudenmaier hier anregt, wird durch das Buch von Rose allenfalls zugeschminkt. Interessanter sind die Rezensionen (v.a. von Hans-Jürgen Bader in der „Erziehungskunst“ in seiner souveränen Verleugnung der gesamten Debatte).
So wie die Debatte um Rassismus und Anthroposophie von der Fixierung auf Steiner zu lösen ist, so ist überdies das Rassismus-Problem zu relativieren. Die Fusionen mit völkischen Ideen und Projekten ergaben sich vielmehr über das Paar „Mitteleuropa“ vs. „Angloamerika“. Es waren immer schon die Verschwörungsideologien, nicht der Rassismus. Da hatte ich mich in dem 2012er-Buch getäuscht, wie ich bei den Recherchen für Büchenbacher feststellte. Und das Thema Verschwörungsideologie ist nun eines, über das Anthroposophie-Kritik und Gesellschafts-Kritik grundsätzlich zusammengehören, weil Anthroposophie hier klar in den Anti-Mainstream-Mainstream gehört.
Der Sinn dieses Blogs ist eigentlich eher Dokumentation. Ich habe nicht mehr die Hoffnung und nicht die Erfahrung gemacht, dass unter Anthroposophen irgendeine förderliche Debatte loszutreten ist. Entsprechend bleibt mir nur eines zu tun: Warnen. Wer auch immer damit was anfangen kann. Genausowenig ist das Format und sind die Texte dieses Blogs akademisch. Es geht um Anthroposophie-Kritik. Solange Anthroposophen zu diesen Themen schweigen, werde ich auf diesem Blog weiter den je aktuellen Stand der geistigen Umnachtung dokumentieren. Es gibt viele Blogs und Seiten zu bedeutenderen Bewegungen und Problemen. Dieser eine Blog hier beschäftigt sich aber nunmal mit Anthroposophie. Was ist denn dagegen einzuwenden? fragt
mit den besten Grüßen,
Ansgar
7.
Andreas Lichte | 17. Dezember 2016 um 8:57 pm
@ A.M.
„Es gibt viele Blogs und Seiten zu bedeutenderen Bewegungen und Problemen. Dieser eine Blog hier beschäftigt sich aber nunmal mit Anthroposophie.“
Sich dafür zu rechtfertigen, dass man sich mit „Anthroposophie“ beschäftigt, weil sie nicht bedeutend genug sei?
– Anthroposophie kann als Abbild der bürgerlichen Gesellschaft verstanden werden. Sie ist nicht das einzige Ungeheuer, dass die bürgerliche Gesellschaft geboren hat …: „Hitler, Steiner, Mussolini – Anthroposophie und Faschismus, gestern und heute“
– Anthroposophie ist in allen Gesellschaftsbereichen präsent … Wer in Deutschland 238 Waldorfschulen betreibt, hat Einfluss auf die Zukunft vieler Menschen …: „Man kann nicht nur ein ‘bisschen’ Waldorf sein“
– usw., usw.
8.
A.M. | 19. Dezember 2016 um 1:15 pm
… und zwar auch noch vor einem Anthroposophen rechtfertigen. Das passiert ja immerhin nicht alle Tage.
9.
Ralf Sonnenberg | 17. Dezember 2016 um 9:22 pm
Lieber Ansgar,
du beklagst, dass der Dialog mit Anthroposophen in diesem Blog nicht so recht an Fahrt gewinnt und alle Anthroposophen bis auf die »liberalen« um Jens Heisterkamp irgendwie verknöchert und kritikunfähig seien, reflektierst aber nicht auf das WIE mancher der von dir geäußerten Kritikpunkte: Du weißt, dass ich dir in vielem Inhaltlichen, was deine Steiner-Rasssismus-Kritik betrifft, Recht gebe, doch finde ich manche deiner Rundumschläge gegen »anthroposophische Verschwörungsideologen«, »geistig Umnächtigte«, den »bösen Ahriman« usw. nicht unbedingt einladend im Hinblick auf die eingeforderte Dialogbereitschaft der von dir inkriminierten Gruppe. Man möchte ja gern auf Augenhöhe diskutieren, auch wenn man anderer Meinung ist als du – ohne befürchten zu müssen, dass im Hintergrund ein Totschlagargument lauert, was einen als »irgendwie rechts« entlarvt oder allein aufgrund seiner Überzeugung, dass es geistige Intelligenzwelten gibt, gleich die Narrenkappe aufsetzt.
Ich äußere mal eine gewagte These: Den Ton der Süffisanz, der manchmal in deinen Blog-Kommentaren zu Anthroposophen durchlugt, würdest du dir sicherlich als Religionswissenschaftler in der Auseinandersetzung mit Vertretern anderer mystischer Strömungen (etwa der chassidischen Mystik oder der Mystik der Sufis) verkneifen – allein schon deswegen, um dich nicht der Gefahr des Antijudaismus oder der Islamophobie auszusetzen. –
In dem anderen Punkt gebe ich Dir zumindest partiell Recht: Neurodeterminismus, Biologismus und Rassismus sind unterschiedliche heuristische Werkzeuge, die man getrennt anwenden und in der Analyse nicht miteinander vermischen sollte. Allerdings gibt es einen gemeinsamen Nenner dieser unterschiedlichen Begriffe, den du m.E. außer Acht lässt: Die moderne, seit Ende des 19. Jhd. Aufwind gewinnende Rassenhygiene bzw. Eugenik a la Schallmeyer, Ploetz usw., die sich realpolitisch ab Ende der 30er Jahre in Euthanasie und Judenvernichtung niederschlug, speist ihren Genetik- und Selektionswahn eben nicht aus esoterischen oder theosophischen Rassenmodellen, sondern aus einem deterministisch verengten Naturwissenschaftsbegriff, wie er damals und heute sowohl aufseiten der Rechten als auch der Linken en vogue ist. Führende Rassenhygieniker waren keinesfalls nur rechte, sondern häufig auch linke, die einem materialistisch-sozialsanitären Gedankengut verschrieben waren (hierzu habe ich übrigens seinerzeit meine Magisterarbeit an Zentrum für Antisemitisforschung geschrieben).
Die gedanklichen Konsequenzen dieses deterministischen, den Menschen auf Blut und Vererbung und gesellschaftliche Prägung reduzierenden Bildes sind heute zwar durch die Realgeschichte der Eugenik im Dritten Reicht tabuisiert, aber keinesfalls weltanschaulich und philosophisch überwunden. Unter dem Firnis der Zivilisation, des Humanismus und des Antirassismus wabert dieser zutiefst menschenfeindliche Naturalismus weiter. Ob eine solche Überwindung des reduktionistischen Materialismus aus der Anthroposophie kommen könnte oder sich durch eher andere Strömungen wie den Hegelianismus vorantreiben ließe, darüber ließe sich philosophisch gewiss kontrovers streiten. Mir ging es nur darum, hinzuweisen, dass die Kritik an esoterischen Rassentheorien unweigerlich eine kritische Hinterfragung des heute noch allenthalben dominierenden Determinismus nach sich ziehen müsste. Autoren wie Staudenmaier sehen sich als Kämpfer gegen den Rassismus anthroposopischer Provenienz und tragen dieses Kämpfertum mit der Attitüde des moralisch Überlegenen vor: Die Problematik des eigenen Verhaftetseins in einem vorrangig »naturwissenschaftlich-reduktionistisch« geprägten Menschenbild wird nicht mitreflektiert, was übrigens auch für die Staudenmaierische Lesart der Anthroposophie bezeichnend ist und ihn zu zahlreichen Fehlurteilen gelangen lässt. Staudenmaier projiziert in manchen Fällen seine eigenen Vorstellungen von Rasse bzw. die gängigen Vorstellungen von Zeitgenossen Steiners in das Werk Steiners hinein, ohne sorgfältig zu differenzieren, was der Urheber an der jeweiligen Stelle darunter versteht. Etwas, was man eigentlich in jedem Proseminar der Geschichtswissenschaft lernt, wenn man »Quellenkritik« betreiben möchte (auch in deinen Staudenmaier-Interviews sehe ich nur den andächtig fragenden, nicht aber den wirklich kritisch nachhakenden Ansgar Martins). Diese meine Kritik (sowohl dir als auch Staudenmeier gegenüber) schmälert ja nicht die Leistung, die Staudenmaier in Bezug auf die Aufarbeitung der Konvergenzen von NS und Anthroposphen in Italien (und anderswo) geleistet hat. Hierfür verdient er uneingeschränkt Anerkennung.
A propos Freund-Feind-Denken: Man könnte das Projekt Aufklärung doch nach den verschiedensten Seiten selbstkritisch und dialogisch öffnen, ohne damit seinen eigenen kritischen Kernauffassungen oder Prämissen (etwa Anthroposophie-Kritik) preiszugeben. Und wenn Prof. Hansen so eifrig die mangelnde Kritikfähigkeit und die Unwissenschaftlichkeit der norwegischen Anthroposophenschaft kritisiert, dann würde ich mich sehr freuen, wenn er dieses Freund-Feind-Denken ebenso im eigenen Denken überwinden könnte und ein gutes Beispiel seiner Vorurteilsfeiheit abgeben würde.
Herzliche Grüße von Ralf
10.
A.M. | 19. Dezember 2016 um 1:31 pm
Lieber Ralf,
Du führst diese Diskussion offenbar so, dass Du mir Dinge unterstellst, die ich angeblich will, und kritisierst dann, dass diese nicht so erfüllt werden, wie Du sie Dir vorstellst. Also: ich beklage nicht, dass auf diesem Blog kein Dialog mit oder unter Anthroposophen in Gang kommt. Im Gegenteil. Und das WIE ist wohlüberlegt: Auch im freundlichsten aller Dialoge werde ich Fälschung als Fälschung, Lügen als Lügen bezeichnen. Ich habe in Frankfurt und Dornach, Alfter und Stuttgart außerordentlich interessante Gespräche geführt, Informationen erhalten und weitergegeben. Insofern geht es mir um Wissenschaft: sie ermöglicht, über Dinge zu reden, ohne sich einig werden zu müssen. Die Feststellung, dass Anthroposophen vielfach kritikunfähig sind (siehe die Reaktionen auf alle Kritiker bisher), lässt sich breit untermauern. Freund-Feind-Denken ist dagegen Dein irrealer „Materialismus“-Begriff. Weder geht Rassismus aus Materialismus hervor noch hat Staudenmaier etwas mit Naturwissenschaften zu tun. Der Rassismus unserer Tage zeigt mühelos, dass die Wissenschaften ohnehin nicht seine Quelle sind. Auch im 19. Jahrhundert entstanden rassistische Ideologien wissenschaftlicher Form NACH der rassistischen Praxis. Und Steiner ist das beste Beispiel dafür, dass Spiritualismus kein Gegengift enthält, im Gegenteil läuft seine perfide Gleichsetzung von Universalismus und „Mitteleuropa“ nur auf die Neutralisierung des Universalen hinaus. Dein Rassismus-Begriff ist im Normativen nichtig und im Deskriptiven verzerrend, wenn Du ihn wirklich auf dieser Grundlage errichten wolltest.
11.
Ton Majoor | 18. Dezember 2016 um 8:34 am
‘Die Vorstellung vom speziellen Charakter des jüdischen Blutes‘:
Nach Steiner (1910) war jede ethnische Gruppe ‘eine besondere Modifikation der Menschheit‘. Die allen Gruppen zukommende, gesamte, allgemeine, universelle Menschheit bildete als ‘Sonne‘ einen Gegensatz zum stereotypen Mond-, Jupiter-Gruppe usw.:
“Im Semitentum haben Sie eine Modifikation des gesamten Menschentums … indem auf das Blut der Menschheit gewirkt wird …“ (121.113f.). Und: “Da [bei den Europäern] tritt die Modifikation der allgemeinen Menschheit (…) dadurch ein, daß die abnormen Geister, die wir als Jupiter-Geister bezeichnen können, auf die Sinne einwirken.“ (121.114f.).
Steiner distanzierte sich übrigens im ‘Mond-Gott‘-Punkt teilweise von Blavatsky:
“Und Blavatsky hat dann unter ihrer Verführung eine ganz besondere Tücke entwickelt, indem sie durch ihre «Geheimlehre», die «Secret Doctrine», den Jahve-Gott verleumdet hat als einen bloßen Mond-Gott …“ 172.209 (cf. 137.142 und 254.96). Für Steiner war der Mond-Gott zugleich Erden-Gott.
12.
A.M. | 10. Januar 2017 um 12:42 pm
Natürlich war für Steiner jede Rasse eine Modifikation. Das ist die Grundlage seiner Rassenlehre ab etwa 1908 (vorher nicht), auf dieser Basis erwachsen dann die einzelnen rassistischen Stereotype.
Steiner kritisert zwar Blavatsky, aber nur, weil er Jahve zugleich für seine christozentrische Konstruktion brauchte. In diesem Rahmen sprach er dem Judentum (der Vergangenheit) eine größere Rolle zu als die „Geheimlehre“.
13.
Andreas Lichte | 10. Januar 2017 um 5:31 pm
Steiner benutzt verschiedene Begriffe, um letztlich damit immer dasselbe zu bezeichnen:
„Jupiter-Rasse“
„Kaukasische Rasse”
„Weiße Rasse“
Um nur einen Begriff auszuwählen: Nur die „weiße Rasse“ bringt die Eigenschaften mit, die eine Höherentwicklung der Menschheit ermöglichen. Zusammengefasst in einem Zitat von Rudolf Steiner:
„Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse.“ [3]
( siehe dazu auch meinen Kommentar, oben )
14.
Ton Majoor | 10. Januar 2017 um 10:49 pm
Kontinuierlich bei Steiner ab 1899 war anscheinend sein evolutionärer Monogenismus (gemeinsamer Ursprung der Menschheit). Die stereotype Modifikationen unterstellen einen Kern, den er später ‘normale Entwicklung‘ (1908), ‘Normalmenschen‘ (1909), ‘normale Entwickelungsform‘ (1910) nannte. Theosophisch bezeichnete er diese Menschen (für uns: Homo Sapiens) wohl als ‘Ursemiten‘ (1905).
Gehörte Jahve als ‘Erden-Mondenwesen‘ (Geheimwissenschaft) für Steiner zu dieser rekonstruierten normalen, universellen Entwickelung (z.B. in GA 105)?
15.
Ton Majoor | 11. Januar 2017 um 11:26 am
Kaukasisch bedeutet in GA 121 eine ‘atlantische‘ Periode (stereotype Jupitermenschen), in GA 54 eine ‘nachatlantische‘ grosse Epoche, also zweideutig (idem ‘europäisch‘ in GA 121 und GA 107).
In GA 349 (1923) steht eine atlantische Gruppe (Hautfarbe, ‘käseweiss‘) einer weissen nachatlantischen Bevölkerung (Blut, ‘naturfrische Farbe‘), wie im obengenannten Zitat, gegenüber. Auch Sonnenberg hat hier scheinbar eine 5. (‘nachatlantische‘) grosse Epoche und eine 5. nachatlantische kleine Kulturepoche verwechselt (http://www.egoisten.de/pixx/sonnenberg.pdf).
Die ‘nachatlantische‘ Kelten in Europa – statt die Germanen – hätten eine wichtige esoterische, christozentrische Mission (GA 121), so wie auch die atlantische Ursemiten (GA 54) bei Steiner angeblich ‘Sonnenmenschen‘ wären (Geheimwissenschaft). Die ‚Ur-Akkadier‘ bei Scott Elliot und Steiner (GA 11) sind stereotype Semiten.
16.
A.M. | 19. Dezember 2016 um 2:21 pm
Achso, ganz vergessen und insbesondere aufgrund der Zweifel an Deinem Rassismus- und Materialismusbegriff erwähnenswert: Selbstverständlich stimme ich zu, dass es große Rassisten und Eugeniker unter Linken gab und gibt, genau das betone ich ja auch in vielen der Artikel hier. Die jüngeren Synthesen von Verschwörungsideologie und Anthroposophie, z.B. bei Michael Mentzel, sind gewiss eher altlinker als rechter Herkunft. Das neue Wort „Querfront“ überdeckt ein bisschen, dass es das so schon immer gegeben hat. Und da ich es gerade nochmal gelesen habe: Du beschwerst Dich über einen Ton der Süffisanz, den man als Religionswissenschaftler wohl nicht zutage lege. Ich bin, wenn schon, Religionsphilosoph. Meine Zuständigkeit sind insofern Urteile, die über die vergleichenden Religionswissenschaften hinausgehen. Insbesondere geht es auch darum, Gläubige (und Atheisten, versteht sich) mit den Konsequenzen ihrer Vorstellungen zu konfrontieren, völlig egal, ob es um Steiners Politikmodell, das Frauenbild des Koran oder des Buddha geht. Im Übrigen ist der Anspruch der Anthroposophie aber deutlich mehr als ein religiöser: Sie stellt sich selbst in polemischen Widerspruch zu den neuzeitlichen Wissenschaften, von denen sie dank dieses verwässerten und auf alles mögliche angewandten Materialismusbegriffs (der augrund der Verkettung mit Ahriman und „Angloamerika“ per se zum konspirationstheoretischen Denken verführt) zwar keine Vorstellungen hat, von denen sie allerdings nicht verlangen darf, die Polemik nicht aufzunehmen. Im Übrigen gibt es die Debatten doch: Ich weiß darum, dass Hoffmann, Wood, Sparby, Clement, Vögele oder Du die alten Fronten aufbrechen. Beiträge zu einem „wissenschaftlichen“ „Dialog“, die ich in diesem Sinne zur Diskussion stelle, sind die beiden Bücher im Info3-Verlag, auf die allerdings anthroposophischerseits so gut wie nicht reagiert wurde (im Gegensatz zu diesem Blog). Allein: Ich wüsste nicht, dass beispielsweise Du ihn aufgenommen hättest. Hic rodos, hic salta.
17. Steiners „Volksseelenzyklus“ in kommentierter Neuauflage erschienen | Waldorfblog | 21. März 2017 um 5:25 pm
[…] Quelle völkisch-mythologischer Inspiration. (vgl. Anthroposophie und Antisemitismus in Norwegen, Vidars Gefolgschaft) Im deutschsprachigen Raum übernahmen und expandierten zahlreiche anthroposophische Publizisten […]