Wissenschaft, Mythos und andere unproduktive Etikettierungen – Hartmut Traub zu Heiner Ullrich

10. August 2016 at 12:40 pm 4 Kommentare

Plädoyer für eine Wendung auf Sachfragen

„Die Wissenschaft steht […] dem Mythos viel näher, als eine wissenschaftliche Philosophie zugeben möchte“

Hartmut Traub hat 2011 die erste umfassende philosophische Kritik der Frühschriften Steiners vorgelegt. Schon darin plädiert er dafür, auch die spätere Esoterik der Anthroposophie vor allem aus dem gedanklichen Gravitationsfeld des deutschen Idealismus herzuleiten. Aus dieser Perspektive bespricht er nun Heiner Ullrichs 2015 erschienene ‚kritische‘ „Einführung in die Waldorfpädagogik“ und zeigt, dass Steiner und die Transzendentalphilosophie einander näherstehen als Ullrich vermuten lässt. Dieser Versuch, Ullrichs simple Trennung von Mythos und Moderne zu umgehen, indem die vermeintlich Kantischen Grundlagen der letzteren als Mythos enthüllt werden, unterstützt neuere subjekt- und bewusstseinsphilosophische Lesarten Steiners. Der Text basiert auf einem Vortrag, der im Mai 2016 auf einer Veranstaltung mit Ullrich an der anthroposophischen „Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft“ gehalten wurde.


Zum Text (PDF)


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Dr. Hartmut Traub ist Studiendirektor am Seminar für schulpraktische Lehrerbildung in Essen und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Johann-Gottlieb-Fichte-Gesellschaft. Promotion über Fichtes Populärphilosophie und Herausgeber u.a. des Briefwechsels zwischen Schelling und Fichte, der Fichte-Studien und der Fichte-Studien Supplementa. Lehraufträge in Philosophie und Philosophie-Didaktik an der Mercator Universität Duisburg, der Universität Duisburg/Essen und der Alanus-Hochschule Alfter.

Hartmut Traub

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  • 1. Andreas Lichte  |  12. August 2016 um 7:41 am

    In seinem Text „Wissenschaft, Mythos und andere unproduktive Etikettierungen …“ zitiert Hartmut Traub auf 15 Seiten nicht ein einziges Mal Rudolf Steiner, und das, obwohl er Steiners „Anthroposophie“ die einzigartige Eigenschaft zuspricht, Mythos und Wissenschaft in sich zu vereinen, Zitat Traub, Seite 7:

    „Der vermeintlich mythologische Charakter der Anthroposophie ist danach die veranschaulichende, didaktisch methodologisch explorierte Weiterentwicklung des philosophischen Denkens, das selbst in der ‘Hochphase’ der Anthroposophie sein mythologiekritisches Potential nicht verliert (Traub 2014, S. 149ff.).

    Das Mythologische wird bei Steiner somit weder reflexiv verwissenschaftlicht, noch verhüllt es das wissenschaftliche Denken, sondern dem Mythologischen ist das wissenschaftlich-philosophische Denken explizit immanent. Und das heißt, die Anthroposophie ist ihrem Wesen und Anspruch nach kein mythologisches Denken, und schon gar keine Rückkehr zum Mythos, sondern die weiterentwickelte, veranschaulichte und methodologisch didaktisierte Philosophie Rudolf Steiners.“

    Unterstützer der Anthroposophie wie Hartmut Traub vermeiden, Rudolf Steiner selber sprechen zu lassen, es sei denn, in kurzen, sinnentstellenden Zitaten.

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  • 2. Andreas Lichte  |  12. August 2016 um 7:42 am

    Wo ist in Steiners Aussagen das „wissenschaftlich-philosophische Denken“, die „weiterentwickelte, veranschaulichte und methodologisch didaktisierte Philosophie Rudolf Steiners“?

    Um zu konkretisieren, wie weit sich Hartmut Traubs Interpretation von Rudolf Steiner entfernt, hören wir, was Steiner wirklich selber sagt:

    „(…) Und so kann man sagen: Die Weißen können überallhin, können heute sogar nach Amerika hinüber. Alles dasjenige, was an weißer Bevölkerung in Amerika ist, das ist ja von Europa gekommen. Da kommt also das Weiße hinein in die amerikanischen Gegenden. Aber es geschieht ja etwas mit dem Menschen, wenn er von Europa, wo er dazu natürlich gebildet ist, daß er alles im Innern entwickelt, nach Amerika hinüberkommt. Da ist es so, daß gewissermaßen schon etwas sein Hinterhirn in Anspruch genommen werden muß. In Europa, sehen Sie, hat er als Europäer hauptsächlich das Vorderhirn in Anspruch genommen. Nun, in Amerika, da gedeihen diejenigen, die eigentlich zugrunde gehende Neger einmal waren, das heißt sie gedeihen nicht, sie gehen zugrunde, die Indianer. Wenn man dahin kommt, da ist eigentlich immer ein Kampf zwischen Vorderhirn und Hinterhirn im Kopf. Es ist das Eigentümliche, daß wenn eine Familie nach Amerika zieht, sich niederläßt, dann bekommen die Leute, die aus dieser Familie hervorgehen, immer etwas längere Arme. Die Arme werden länger. Die Beine wachsen auch etwas mehr, wenn der Europäer in Amerika sich ansiedelt, nicht bei ihm selber natürlich, aber bei seinen Nachkommen. Das kommt davon, weil die Geschichte mehr durch das Mittelhirn hindurch nach dem Hinterhirn sich hinzieht, wenn man als Europäer nach Amerika kommt. (…)“

    mehr zu diesem Steiner-Zitat beim Waldorfblog: „Rudolf Steiners Amerikaner ist ein (Halb-) Schwarzer“

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  • 3. Andreas Lichte  |  20. August 2016 um 8:07 am

    Bei „hpd“ – „Humanistischer Pressedienst“ – meine Kritik von Hartmut Traubs Steiner-Interpretation:

    Hartmut Traub, Alanus Hochschule und Rudolf Steiner:

    Jeder Mensch ein Wissenschaftler!

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  • […] seinem Vortrag „Wissenschaft, Mythos und andere unproduktive Etikettierungen …“ zitiert Hartmut Traub auf 15 Seiten nicht ein einziges Mal Rudolf Steiner, und das, obwohl er […]

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Ich bin Ansgar Martins, geb. 1991 und war bis Juni 2010 Schüler an der FWS Mainz. Inzwischen studiere ich Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt a. M. Dieser Blog ( dessen "Leitbild" ganz oben rechts ) ist mein persönliches Projekt, um die oft einseitigen und selbstgerechten Pro- und Contra-Positionen in der Debatte um die Waldorfpädagogik und Anthroposophie kritisch zu kommentieren. Ich hoffe, das gelingt, und freue mich über Rückmeldungen jeder Art!

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