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Wie geht’s weiter?

Hallo zusammen!

Nachdem namenstaenzer.de nun sicher entgültigzumacht und hier trotz Ankündigungen und Ambitionen meinerseits noch nichts erschienen ist, doch kurz noch ein paar Zeilen. Ich bin bis Anfang Juli im Ausland und habe weder Zeit noch Gelegenheit, was zu schreiben.

Grundsätzlich stehen aber zwei Themen an, die ich kurz schon einmal skizzieren will:

1. SchülerInnenpartizipation an Waldorfschulen

Anhand der SchülerInnenVertretungsarbeit an deutschen Waldorfschulen werde ich aufzeigen, warum eine Individualisierung und Erneuerung der Waldorfpädagogik überfällig ist. Nur eine Schule, in der SchülerInnen Unterrichtsgeschehen und Verwaltung mitbestimmen, darf wirklich die Sprüche „Erziehung zur Freiheit“ oder „vom Leben lernen“ auf ihre Fahnen Schreiben! ( Vgl. auch Rüdiger Iwan )

2. „Zanders Erzählungen“ von Lorenzo Ravagli.

Der „Erziehungskunst“-Journalist Ravagli, dessen befremdliche Aktionen die Waldorfpädagogik in prekäre Situationen bringen ( vgl. NPD-Blog ), hat eine polemische Abwehrschrift gegen das Werk „Anthroposophie in Deutschland“ von Helmut Zander ( vgl. das Interview „Mysterium Anthroposophie“ )geschrieben. Zanders historisch-kritischer Ansatz, der aber auf dem Anspruch steht „spirituelle Weisheit“ und historische Forschung nicht gegeneinander auszuspielen, wäre ein Anstoß für eine zeitgemäße, grundlegende Neuausrichtung der Anthroposophie. ( vgl. „Heilsame Verunsicherung“ ) Ravaglis Buch, „Zanders Erzählungen“ stellt dagegen denVersuch dar, Zanders Bemühungen durch die Unterstellung einer Zerstörung von „Heiligem“, den Wunsch, „statt den Engel das Tier im Menschen zu sehen“ u.ä. zu denunzieren. An dutzenden belanglosen Detailfehlern von Zanders Werk und aus anthroposophischen Dogmen heraus bemüht Ravagli das ganze Geschütz der anthroposophischen „Betonfraktion“ gegen den Forscher ins Felde, ohne seine eigentlichen Ergebnisse zu treffen.

Ich hoffe, ich konnte Euch interessieren. Spätestens im Juli Ausführlicheres!

15. Juni 2009 at 10:37 pm 5 Kommentare

Zander als Gewährsmann II- Was sagt das Mittel?

Helmut Zander im Gespräch mit Norbert Bischofberger über das „Mysterium Anthroposophie“.

 

Dieser Artikel ist eine Fortsetzung und Bestätigung meines Artikels „Zander als Gewährsmann – In der Anthroposophiedebatte heiligt der Zweck die Mittel“.

 

2007 sorgte das Buch „Anthroposophie in Deutschland – Thesophische Weltanschauung, gesellschaftliche Praxis 1884-1945“ für Aufruhr in der kleinen, verzankten aber liebenswerten Welt der Anthroposophie und ihrer GegnerInnen. Der Autor Helmut Zander hat – unter Berücksichtigung ( fast ) aller bisher zum Thema erschienenen Literatur – auch bisher unbekannte oder kaum beachtete Quellen rund um Rudolf Steiner, seine Anthroposophie, deren historisches Umfeld und ihre heutige Adaption zusammengetragen. Dabei werden Steiners Aus- und Ansprüche radikal historisch kontextualisiert, wobei Zander den AnthroposophInnen notwendige Kritik, aber auch viel Verständnis entgegenbringt. „Niemand lebt von seinen Schwächen“ gemahnt Zander bei der Schilderung der Waldorfpädagogik: “Die Erfolgsgeschichte der Waldorfschulen macht klar, daß es bei aller Kritik starke Seiten dieser Schulform gibt.”

Das bemerkenswerte Werk hat es in kurzer Zeit geschafft, zum Standardwerk zu werden – vor allem für Anthro-KritikerInnen. Aber auch liberale(re) AnthroposophInnen wie Robin Schmidt von der „Forschungsstelle Kulturimpuls“ am Goetheanum oder Waldorfmamis wie Dorion Weickmann ( Journalistin „Die Zeit“ ) begrüßten das Buch.

Beide Fraktionen dabei stets im eigenen Interesse, das heißt: radikal und polemisch für oder gegen Anthroposophie. Dass dabei die Fakten oftmals verdreht oder zumindest äußerst tendenziös presäntiert werden, hat namenstaenzer.de schon thematisiert: ( „Zander als Gewährsmann“  )

Wer keine Lust hat(te), über 200 Euro für die Lektüre des 2000-Seiters auszugeben, hat(te) dank des Schweizer Fernsehens jetzt Gelegenheit, ein sehr infromatives Interview mit Helmut Zander zu sehen, in einer knappen Stunde wird die auf den Punkt gebracht, mit notwendiger Kritik, aber auch viel Verständnis.
Deshalb fahren jetzt natürlich die Anti-Anthros sämtliche Geschütze auf, denn konnten die von Zander beschriebenen „Starken Seiten“ im Mammutwerk noch großzügig übergangen werden, im Interview gibt Zander diese Chance nicht.  

Und leider lebt z.B. die Seite NWA davon, nur und ausschließlich die schwachen und schwächsten Seiten der anthroposophischen Praxisfelder ( die wiederum AnthroposophInnen wegschieben und uminterpretieren ) zu „Symptomen“ derselben zu erklären – mit Zander als „Gewährsmann“. Die „der-seriöse-Historiker-hat‘s-belegt-Rolle“ kann Zander jetzt aber nicht mehr guten Gewissens zugeschoben werden, ohne auch die positiven Seiten zu benennen, wenn mensch mal wieder die Schreckensmeldungen über prügelnde Sektenzuchthäuser etc. abstaubt.

WaldorfvertreterInnen dagegen können sich freuen: In der Tat sind einige Äußerungen Zanders, etwa die Würdigung der Waldorfpädagogik, in angenehmem Kontrast zu seinen meist rein historisch-analytischenen Beschreibungen in „Anthroposophie in Deutschland“.

Aber auch die KritikerInnenseite könnte manches zurecht beanstanden: An einigen Stellen ist Zanders Versuch, Steiner innerhalb seines historisch-kulturellen Umfelds zu verstehen, auch etwas unglücklich: So führt er aus, Steiners aus heutiger Sicht oft deterministisches Reinkarnationskonzept sei damals der Versuch gewesen, Freiheit bis in die letzte Konsequenz zu denken, d.h. ein selbstgewähltes Schicksal dem als passiv empfundenen buddhistischen Reinkarnationsgedanken gegenüberzustellen. Das Problem ist aber weniger, wie Steiners Konzept historisch zu verstehen ist, sondern wie AnthroposophInnen heute damit umgehen, denn das birgt in manchen Fällen problematische Implikationen. Das hat Zander in seinem Buch genauer ausgeführt:

„Steiner hat die Konsequenz, dass der Tod durch Katastrophen karmisch zu begrüden sei, selbst gezogen (GA 34,361–363), die Übertragung auf den Holocaust durch heutige Anthroposophen ist mir nur müdlich bekannt. Yonassan Gershom, der derartige Thesen vertritt, wird auf anthroposophische Tagungen eingeladen und in anthroposophischen Medien diskutiert (vgl. Diet: Auf den Spuren der Opfer, 288–291). Gershoms Buch „Kehren die Opfer des Holocaust wieder?“, wurde 1997 im Dornacher anthroposophischen Verlag Geering publiziert. Die in dieser Vorstellung vom selbstverschuldeten Holocaust-Schicksal implizierte Entlastung der Täter zieht inzwischen in rechtsradikalen Milieus außerhalb der Anthroposophie weite Kreise.“

Und da ist es relativ egal, warum Steiner vor 100 Jahren was wie sagte!

Der Fundiertheit von Zanders Forschung tut das selbstverständlich insgesamt keinen Abbruch! Es wäre hilfreich, wenn mehr KritikerInnen wie BefürworterInnen der Anthroposophie und Waldorfpädagogik an Zanders Ansatz anknüpfen könnten.

5. März 2009 at 8:01 pm 1 Kommentar

Zander als „Gewährsmann“: In der Anthroposophiedebatte heiligt der Zweck die Mittel

Zurzeit ist der Trubel um Waldorf und dessen ganz persönliches „Schwarzbuch“ in der romantisch-vorweihnachtlichen Atmosphäre von Konsum und Kaufrausch, Kerzenduft und Tannengrün ein wenig abgeflaut. Damit aber natürlich immernoch nicht geklärt. Da hilft es auch nicht, dass die Hochschule Witten/Annen die KlassenlehrerInnenausbildung umkrempelt und Peter Loebell zum ersten Professor für Waldorfpädagogik ernannt wurde.

Die Fronten zwischen WaldorfgegnerInnen vom Hörensagen bzw. solchen aus schlechter Erfahrung und denen, die auf eine glückliche Waldorfvergangenheit zurückblicken können bzw. sonstwie gute Erfahrungen gemacht haben, stehen wie allermeist unvermittelt gegenüber. Neue Waffe beider Seiten ist seit einiger Zeit das Werk des Anthroposophiekritikers Helmut Zander, der in seinem Buch „Anthroposophie in Deutschland“ klar Defizite und „starke Seiten“ benennt, wozu „die“ WaldorfgegnerInnen bzw. WaldorfanhängerInnen meist nicht willens oder aus irgendwelchen Gründen überhaupt nicht mehr in der Lage sind. ( Elke Reihl hat diese reichlich kurzsichtige und vor allem: letztlich in jeder Hinsicht kontraproduktive Perspektive auch noch stolz so benannt. [ http://instant-eistee.de/2008/12/bekenntnisse-eines-waldorfopfers/ ] )

In der Diskussion um das „Schwarzbuch Waldorf“ hat beispielsweise Dorion Weickmann, die selbst gute Erfahrungen an einer Waldorfschule gemacht zu haben scheint ( und deshalb natürlich von der Anti-Front zu einer von „den Anthroposophen“ beschimpft werden muss ) folgendes über Steiners Rassismus geschrieben, es sei wahr, dass Steiner Stereotype vertrat, die „nach Auschwitz unerträglich klingen, wahr ist aber auch, dass die Waldorfschulen, die mit den einschlägigen Passagen aus Steiners Werk nie gearbeitet haben, hier längst und überdeutlich auf Distanz zu ihrem Gründervater gegangen sind. Und wahr ist schließlich, dass Steiner sich in den Denkfiguren seiner Zeit bewegt hat und dezidiert »kein Rassist sein wollte«, wie der waldorfkritische Historiker Helmut Zander 2007 in seinem Opus magnum Anthroposophie in Deutschland festgestellt hat.“

( http://www.zeit.de/2008/38/Waldorf-Schwarzbuch )

Die überaus anthroposophiekritische Seite „Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie“ ( NWA ) konterte: „Nein, wahr ist, dass Rudolf Steiners Vorstellungen von menschlichen „Rassen“ nicht nur „unerträglich klingen“, sondern es auch sind, und zwar nicht erst „nach Auschwitz“. (…) Dorion Weickmann schreckt dann auch nicht davor zurück, den Historiker Helmut Zander als Gewährsmann ihrer Apologie zu präsentieren. (…) Mit diesem Zitat hatte Weickmann schon einmal versucht, den Zeit-Lesern zu suggerieren, die renommierte Wissenschaft würde Rudolf Steiner hinsichtlich seiner Vorstellungen von menschlichen „Rassen“ entlasten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. (…) so legt gerade Helmut Zander ausführlich dar, dass Steiner eine konkret ausformulierte „Rassentheorie“ geschaffen habe, die das gesamte anthroposophische Evolutionsverständnis prägt.“

(http://rudolf-steiner.blogspot.com/2008/09/augen-zu-und-drucken.html )

Selbst wenn Zander das nicht täte: Steiner entwickelte aus dem Geist der Theosophie eine äußerst bizarre Evolutionslehre, aus der wiederum eine Rassentheorie resultiert: Die Vielfalt von Kulturen auf der Welt muss durch das theosophische Postulat einer linearen, als zwingend notwendig empfundenen Welt- und Bewusstseinsgeschichte in verschiedene Grade der „Aktualität“, verschiedene „Entwicklungshöhen“ gegliedert werden. Das heißt: Europa, besonders Mitteleuropa, sei geistige Avantgarde, Völker mir magischem Naturbewusstsein auf überholten Stufen des Bewusstseins stehengeblieben. Je heller die Haut, desto weiter entwickelt sind die jeweilgen „Rassen“ ( GA 174b ) Es gibt rein quantitativ nicht wirklich viele rassistische Aussagen in Steiners unfassbar umfangreichem Werk, aber die vorhandenen haben’s wirklich in sich!

Steiner meinte in anderen Zusammenhängen aber auch: „Selbstverständlich, der einzelne Mensch erhebt sich über dasjenige, was ihm durch seine Volksseele wird, und das ist ja gerade die Aufgabe unserer anthroposophischen Gesellschaft, dass sie den Menschen heraushebt aus der Gruppenseelenhaftigkeit, dass sie ihn zum allgemeinen Menschentum erhebt.“ ( GA 159, S. 138 )

Dieses Fazit trennt Steiners Rassentheorie vom völkischen Rassismus, wie schon der Nazi-Gutachter Baeumler feststellte: „Insofern Rassen eine Naturwirklichkeit sind, scheint schon im Ansatz eine Übereinstimmung zwischen der Menschenkunde des Nationalsozialismus und der Rudolf Steiners vorzuliegen. Würde man jedoch versuchen, den Begriff der Rasse in unserem [ d.h. dem nationalsozialistischen ] Sinne in diese biologische Fundierung einzuführen, würde er die Menschenkunde Steiners zersprengen. Der Platz, den in unserem Weltbild der von rassischen Kräften bestimmte geschichtlich gestaltende Mensch einnimmt, ist in der Weltanschauung Rudolf Steiners besetzt durch den über aller Geschichte thronenden Geistesmenschen.“ Ich persönlich finde diesen Vergleich sehr gut: Die nationalsozialistische Ideologie würde die Rassentheorie Steiners „zersprengen“ – denn Steiner fordert keine Unterdrückung der vermeintlich „niederen“ Rassen, sondern Internationalismus, um die angeblichen Rassenunterschiede via „Geisteswissenschaft“ zu überwinden. Aber zurück zum Thema

Der verehrte Zander folgert an der von NWA und Weickmann angeführten Stelle in „Anthroposophie in Deutschland“, und zwar ausdrücklich als „Stellungnahme“ in der „aktuellen Debatte“ gekennzeichnet, tatsächlich das Folgende – und überaus zurecht:

„Wenn Rassismus die Bindung wichtiger Elemente der Anthropologie an augenblicklich existierende Rassen bedeutet, seien diese biologisch oder spirituell definiert, dann kann man Steiner als Rassisten bezeichnen: Es wäre hilfreich, wenn manche Anthroposophen zugestehen würden, dass dies keine schlicht polemische Aussage ist, sondern in der kontextualisierenden Deutung des historischen Materials gründet. Andererseits gibt es bei Steiner Versuche, die deterministischen Konsequenzen dieses Denkens zu durchbrechen, und es wäre gut, wenn viele Kritiker zur Kenntnis nehmen würden, dass Steiner kein Rassist sein wollte; aus diesem Grund spreche ich lieber von Steiners Rassentheorie als von Rassismus. Aber diese abgemilderte Begrifflichkeit birgt für die politische Debatte die Gefahr einer voreiligen Salvierung Steiners. Denn es gibt neben philanthropen Anthroposophen solche, die rassistisch denken, wie es bei den Kritikern verständnissvolle neben blindwütigen gibt. Wir wären einen großen Schritt weiter, wenn man die historisch bedingten und in meiner Wahrnehmung vorhandenen Rassismen bei Steiner und die politischen Konsequenzen analytisch differenzieren könnte, bei Anhängern wie Kritikern Steiners.“ ( Zander: Anthroposophie in Deutschland, 2007, S. 636 )

Hier lesen wir: Weickmann hat – bezogen auf ihre Berufung auf Zander – völlig recht! Auch die Arbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg bezog sich 2007 auf diese Stelle – allerdings ohne auf Zanders Darlegungen über die Notwendigkeit einer eindeutigen Distanzierung von Steiners Rassentheorie einzugehen.

Wer nicht an „blindwütige“ KritikerInnen glaubt, die Zander erwähnt, findet im Internet, v.a. aber bei Peter Bierl und Jutta Ditfurth, einige nette Beispiele. AnthroposophInnen, die rassistisch denken hatten wir auch schon bei namenstaenzer.de zu Gast, etwa einen „Peter“ ( 2008-09-19 20:03:45 ), der uns alle aufklärte:

„Vor ein paar Jahren lief in den öffentlich rechtlichen Fernsehsendern ein Anti-Rassismus Spot. Es wurde ein Weißer gezeigt, und es wurde ein Schwarzer gezeigt. Beide wurden nebeneinander gestellt und geröntgt. Und siehe da: das Skelett war gleich. Und das war dann auch die Botschaft: wir sind alle gleich.
Sehen Sie, genau das ist Rassismus. Dieser Werbespot war zuriefst rassistisch, denn was bedeutet das eigentlich? Das bedeutet, dass man den anderen nur anerkennen kann aufgrund einer äußeren Gemeinsamkeit. Wir sind eben nicht alle gleich.“

Ebensolche Ansichten legitimieren in meinen Augen auch die meist polemisierenden NWA! Die kritisieren vieles zurecht, übersehen aber ebensoviel anderes zu Unrecht: Das verschenkt Potential!

Die große Mehrheit von denen, die von den meisten WaldorfkritikerInnen als „die“ AnthroposophInnen bezeichnet werden, haben mit solchen Ansichten aber ebensowenig gemein wie mit vielen obskuren Ansichten Steiners. Ich spreche von all den sozial und gesellschaftlich ambitionierten und engagierten Menschen in Pädagogik, Wirtschaft, Landwirtschaft oder Politik, die dabei auf „Ressourcen“ und Tätigkeitsfelder aufbauen, die großenteils Steiner initiiert hat, und die mittlerweile einen verhältnismäßig großen und – hier sind die meisten WaldorfkritikerInnen klar zu kurzsichtig – durchaus verdienten Erfolg aufweisen. Gerade diese überragende Mehrheit überlässt die fruchtlosen Debatten oft den übereifrigen und buchstäblich versteinerten anthroposophischen FundamentalistInnen, die an solchen Kreuzzügen Freude finden. Das sollte sich ändern, es sollten aber auch klare Auseinandersetzungen dieser Menschen mit problematischen Positionen Steiners erfolgen. Nicht im Stil von Distanzierungen von „vereinzelten Äußerungen“, sondern konsequente Umbrüche und fruchtbare Neuentwürfe! Für die Waldorfpädagogik bietet etwa das Projekt „captura“ neue Ansätze, auch einige Ansätze aus den FWSen in Bochum und Villingen-Schwenningen, vor allem aber die ROJ in der Schweiz (http://www.roj.ch/ ) sind mehr als fruchtbar. Vgl. auch „Die Zukunft der Waldorfschule“ ( http://www.amazon.de/Die-Zukunft-Waldorfschule-Doris-Kleinau-Metzler/dp/3499609517 )

Nein. Die Kritik an der Anthroposophie, vor allem aber der Waldorfpädagogik sollte besser werden. Dazu gilt es, weniger nach dogmatischer Fundierung oder praktischer Entgleisung, d.h. anthroposophiegeschädigten Ehemaligen zu schauen ( deren Fälle, z.B. im Fall der KJHE Rädel, selbstverständlich – und gerade von Waldorfseite – genaustens aufgearbeitet werden müssen!!! ), denn vielmehr dieses breite Publikum der sog. „anthroposophischen“ Praxisfelder, das bis jetzt außer acht gelassen oder im Bedarfsfall noch schnell und praktisch zum Teil der „Anthroposophensekte“ wird. Unwahr ist beispielsweise eines von Helmut Zanders Argumenten für die „Versteinerung“ der Waldorfpädagogik: Es gäbe prinzipiell (!) keine SchülerInnenVertretung an Waldorfschulen. Die nicht vorhandenen SVen organisieren sich allerdings sogar regional und bundesweit in LandesschülerInnenräten und einer Bundes-WaldorfSV, deren letzte Tagung in Berlin Kreuzberg über 150 TelnehmerInnen anlockte und den Mythos der grundlegend „versteinerten“ Waldorfschule mal wieder als solchen entlarvte. Auch Michael Grandt hielt es für sein „Schwarzbuch Waldorf“ nicht für nötig, die Perspektive der „WaldorfSV“ anzufordern. Das ist traurig. Wer so munter an der Realität vorbeiarbeitet, muss sich natürlich wie Grandt letztlich über die intellektuelle Marginalisierung, gesellschaftliche Akzeptanz und praktische Erfolgsgeschichte „der“ Anthroposophie wundern, bzw. diese penetrant ignorieren. Und hier hebt Zander sich eben wohltuend von vielen AnthroposophiekritikerInnen ab:

Während NWA ( diesmal ohne Quellenangaben ) behauptet, AnthroposophInnen wüssten insgeheim beispielsweise um irgendeinen angeblichen „Wert“ der Waldorfschulen als anthroposophischen Rekrutierungsanstalten, meint Zander von fundamentalistischen AnthroposophInnen das genau Gegenteil, diese hätten das Gefühl, die anthroposophischen Praxisfelder würden in unanthroposophischem Sinne „ausgenutzt“ ( Zander, I, S. 252 ).

Auch die 2007 erschienene WaldorfabsolventInnenstudie kommt, wie schon mehrfach erwähnt wurde, zu einem anderen Ergebnis als NWA – für manche WaldorfgegnerInnen kein Grund zur Sorge: Hier können nur „Die Anthroposophen“ ihre Finger im Spiel haben. In der Tat ist einer der Herausgeber der Studie, Randoll, überzeugter Anthroposoph, auch der andere Herausgeber, Heiner Barz steht ihr, wenn auch als Nichtanthroposoph, überaus sympathisch gegenüber. Pech nur, dass sich um die weltanschaulichen Ansichten der AbsolventInnen sowie den Abschnitt über Anthroposophie und Waldorf der ( katholische ) Religionssoziologe Prof. Michael Ebertz von der Katholischen Fachhochschule Freiburg kümmerte …

Die „Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie“ haben sich vornehm von der waldorfkritischen, aber eben letzlich waldorfpositiven Studie zurückgehalten.

Und die Selbstkritik unter AnthroposophInnen sollte nach fast 100 Jahren auch mal über rhetorische Bescheidenheitsformeln vor reißerischen Pamphleten hinauskommen. Die „Nachrichten“ erzählen nicht völlig zu Unrecht jüngst:

„Helmut Zander hat mit seiner Geschichte der „Anthroposophie in Deutschland“ (1884–1945) einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der anthroposophischen Weltanschauung geliefert. Eine Geschichte der Anthroposophie in der Bundesrepublik steht nach wie vor aus. Es ist die Geschichte der Etablierung und Expansion einer fundamentalistischen Gemeinschaft in einer demokratischen Gesellschaft. Die anthroposophische Organisation kann nicht nur als Sekte bezeichnet werden, sie ist hinsichtlich der meisten Kriterien eine Sekte par excellence.“

( http://rudolf-steiner.blogspot.com/2008/12/anthroposophie-und-sektenbegriff_4138.html

In der Tat hielt Steiner natürlich nicht viel von Demokratie: Die Wahrheit weiß immerhin nicht die Mehrheit, sondern der/die „Eingweihte“ durch höhere Einsicht. Das pauschal auf sämtliche AnthroposophInnen und – vor allem: die sog. „anthroposophischen“ Praxisgebiete zu übertragen, ist allerdings ungenau und vor allem schlicht unzutreffend. Unentwegt bedient der/die AutorIn von NWA sich im eben zitierten Artikel wieder bei Helmut Zander, der zur Sektenbezeichnung der theosophischen Organisationen allerdings dezidiert nur Folgendes sagt: „Nach der lange Zeit sehr kritischen Bewertung der Theosophie im Rahmen der negativ konnotierter ‚Sekten-‘ und ‚Okkultismus-‘definitionen nehmen aber augenblicklich die Tendenzen zu, die Theosophie als aufklärerische und in diesem Sinn moderne Vereinigung zu verstehen (…) Demgegenüber halte ich diese modernisierende Vereindeutigung für ebenso unangemessen wie die antimoderne Ausgrenzung.“ ( Zander, I, 55f. )

Außerdem, von NWA nicht beachtet, stellt Zander heraus: „Man kann davon ausgehen, daß Anthroposophen in der westdeutschen Plebiszitbewegung eine Rolle gespielt haben. Dieser wenig bearbeitete Befund mag überraschen, da eine ambitionierte Demokratisierung Steiners Ansprüchen auf Politik aus höherer und elitärer Einsicht zuwiderläuft. Aber dieses Engagement von »Dreigliederern« dokumentiert, daß man Steiner selektiv so lesen kann, daß seine autoritären Führungsansprüche im Halbdunkel verschwinden.“ ( Zander II, S. 1712 ).

Das ist bei den meisten problematischen Äußerungen Steiners der Fall: Sie bleiben unagetasteter, verleugneter oder bestenfalls im Bedarfsfall zurechtgebogener Teil seines Werkes. Die „anthroposophischen“ Praxisgebiete müssten das endlich auch offiziell so benennen und sich von Einigem unzweideutig distanzieren. Von vielen KritikerInnen ist ein Umgang, der Steiners Dogmen von der heutigen Praxis trennt, kaum zu erwarten, solange es offziell von anthroposophischer oder waldorfianischer Seite keine gibt! Hier könnte das Werk Zanders eindeutig als eine fundierte Orientierungshilfe dienen, aber nicht als Selbstbedienungsabteilung der Anthroposophiegeschichte. KritikerInnen wie potentielle SympathisantInnen bräuchten zunächst mal eines: Besonnenheit.

Deren Fehlen werden Kommentierungen dieses Artikels – sollten welche kommen – ohne jeden Zweifel mal wieder beweisen. Denn da heiligt der Zweck die Mittel, und die dürfen dann auch ruhig mal nur die halbe Wahrheit sein ( vgl. Elke Reihl, s.o. ). Ist auch viel bequemer!

Zusammenfassend könnte mensch mit Ernst Jandl sagen:

„immer starrer
immer starrr
immer strrr
immer srrr
immer rrr
immerrrr
immrrrr
irrrr“

27. Dezember 2008 at 1:18 pm 1 Kommentar

“Schwarzbuch Waldorf“: Pleiten, Plagiate Pech und Pannen

MICHAEL GRANDT SCHLINGERT DURCH SUMPFIGE UNTIEFEN ZWISCHEN „MYTHOS UND WIRKLICHKEIT“ EINES VERMEINTLICH „VERMEINTLICHEN“ ERFOLGSMODELLS

„Die Wahrheit gibt es, nur die Unwahrheit muss erfunden werden“

Georges Braque

Glücklich und zufrieden habe ich mein ganz persönliches Exemplar des „Schwarzbuch Waldorf“ doch noch erhalten. Wie schon vorausgeahnt kann ich mir eine Rezension nicht verkneifen.

Laut Klappentext bringt Michael Grandt „die Thematik und die öffentliche Diskussion auf den Punkt“. Das ist wahrscheinlich weniger inhaltlich denn schon rein sprachlich zu verstehen – manche von Grandts Ausführungen sind nämlich in dieser ( – und leider ausschließlich dieser – ) Form unbestreitbar vorher nie dagewesen und wortwörtlichst „auf den Punkt gebracht“ kurz…. Dazu zitiere ich das gesamte Kapitel namens „Pädagogische Forschungsstelle/Waldorfpädagogik“. In dem es um die Stellungnahme der „Pädagogischen Forschungsstelle“ des BdFW gegenüber Grandts Theoremen und Forderungen geht. Es lautet:

keine Reaktion“.

( S. 200 ) – auf den Punkt gebracht!

Oder Grandts wirklich bemerkenswerte Analyse der anthroposophischen Kosmologie im Kapitel 1.a) namens „Die Sicht auf die Welt, auf die Schöpfung“, das genau zehn Wörter enthält:

Die Welt und alles in ihr enthaltene ist ‚geistigen Ursprungs“

Revolutionäre Erkenntnisse!

Aber neben solch brisanten und originellen Forschungsergebnissen stellt Grandt uns auch noch die entgültige Rettung in Aussicht: „Ich werde die Öffentlichkeit auch in Zukunft darüber informieren“.

Gott sei Dank! Aber über was eigentlich?

Das „Schwarz“-Buch behauptet, folgende Fragen zu beantworten:

1.Vertritt Steiner rassistisches Gedankengut?

2.Kann Waldorf heute noch zeitgemäß sein? ( Die Frage stellt Grandt tats�chlich aber gar nicht, die Antwort wäre aber selbstverständlich: nein )

3.Proklamieren Waldorf-Schulen esoterische okulte Weltanschauungen?

4.Darf eine solche Pädagogik staatlich gefördert werden?

Grandts Antworten:

  1. Ja; 2. Natürlich nicht ( impliziert ); 3. Ja; 4. Nein

Der erste Eindruck verpasst zunächst mal einen trüben Dämpfer. Immerhin ist der Klappentext und der Beginn des Vorworts des „Schwarzbuch Waldorf“ fast wörtlich dasselbe wie der Ankündigungstext von Grandts vor zehn Jahren erschienenen Buches „Waldorf Connection„. Aber immerhin haben ja beide Bücher auch fast denselben Inhalt.

Michael Grandt setzt sich also mal wieder mit dem auseinander, was er unter Waldorfpädagogik versteht. Er will mit seinem „Schwarzbuch Waldorf“ „Mythos und Wirklichkeit beleuchten und unangenehme Fragen stellen.“ Es ist sein ehrenwertes „Anliegen (…), die komplexe Thematik zusammenzufassen und für jeden verständlich darzustellen.“ ( S. 9 )

Ein hoher Anspruch. Aber Grandt verweist beruhigend auf seine „journalistische Sorgfaltspflicht“ ( S. 10 ), 10 Jahre will er recherchiert haben. Grandt beginnt mit einer einfühlsamen Kurzbiographie Steiners. Denn ja, Steiner begründete die esoterische „Anthroposophie“, die er als „seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“ verstand.

Dieser erscheint das menschliche Ich als göttlich-geistiges Wesen, das aus „geistigen“ Welten auf die Erde komme und dabei völlig eigene Fähigkeiten und Begabungen mitbringe. Pädagogik müsse also individuelle Ziele und Fähigkeiten fördern, statt ( nur ) von außen Lehrinhalte einzutrichtern. Emil Molt, Anhänger Steiners und Inhaber der Zigarettenfabrik „Waldorf-Astoria“ wollte 1919 – in der üblen Lage nach dem 1. Weltkrieg“ – den Kindern seiner ArbeiterInnen eine umfassende pädagogische Betreuung gewährleisten. Er bat Steiner um die pädagogische Leitung der Schule. Entsprechend seinem „anthroposophischen“ Menschenbild konzipierte dieser die Grundlage der Pädagogik, die heute als „Waldorf-Schule“ rund um den Globus erfolgreich ist:

Man soll sich nicht sagen: du sollst dies oder jenes in die Kinderseele hineingießen, sondern du sollst Ehrfurcht vor seinem Geiste haben. Diesen Geist kannst du nicht entwickeln, er entwickelt sich selber. Dir obliegt es, ihm die Hindernisse seiner Entwicklung hinwegzuräumen, und das an ihn heranzubringen, das ihn veranlasst, sich zu entwickeln (…) Man muss so erziehen können, dass man (…) dem Zögling eine Umgebung schafft, durch die sein Geist in voller Freiheit in das Leben eintreten kann.“
19.8.1922, GA 305, S. 71-75.

„Erziehung zur Freiheit“ lautet bis heute das Aushängemotto der Waldorfeinrichtungen.

Dass es da unterschiedliche Meinungen gibt, wurde schon mehrfach dargestellt,

u.a. auf diesem Blog – vgl. „Rassistische Religionsschule…„; „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg„.

Deutlich wird bei vielen Gelegenheiten: „Waldorf“ ist beliebt. 212 Schulen gibt es allein in Deutschland ( das heißt: laut Grandts „Schwarzbuch Waldorf“ sind es mal 208 ( S. 49 ), dann wieder 203 ( S. 94 ), beides leider falsch ). Neugründungen sind – als Elterninitiativen – ständig im Gange. Waldorf polarisiert. Manche KritikerInnen werfen den Schulen „Ver-Steiner-ung“ vor, manche BefürworterInnen loben sie als die einzig zukunftstaugliche Pädagogik.

Michael Grandt hat sich für die GegnerInnen entschieden. Sein „Schwarzbuch Waldorf“ soll fundiert u.a. folgende Forderungen belegen:

  • Waldorfschulen müssen sich transparenter geben
  • Waldorfschulen müssen sich endlich als anthroposophische Weltanschauungsschulen bekennen
  • Rudolf-Steiner-Schulen müssen sofort umbenannt werden (!?)
  • Keine staatliche Förderung/Steuergelder mehr für Waldorfschulen

Was ist dran an diesen Forderungen? Wie fundiert sind die Schilderungen, die zu ihnen führen? Ich schreibe deshalb eine vielleicht ungewöhnlich lange Rezension.

Dass Steiners Lehren noch heute an WaldorflehrerInnenseminaren vermittelt werden, ist unumstritten, laut dem Bund der Freien Waldorfschulen“ als persönliche „Forschunganregungen“ für die werdenden LehrerInnen. ( Grandt; S. 61 ). Auf zahlreichen Seiten trägt Grandt „Beweise“ für diese nie und von niemandem geleugnete Tatsache zusammen. Diese stammen größtenteils aus dem Internet und allein das spricht doch dafür, dass die Grundlagen von „Waldorf“ transparent genug sind, um zu Grandts (Vor?)Urteilen zu kommen. Allerdings: Tatsächlich sollte mehr aktive Information und Diskussion der Waldorfschulen diesbezüglich stattfinden.

Grandt konzediert Steiners „Vielseitigkeit“,“sein soziales Engagement“ und „sein Weltbürgertum“, zu kritisieren sei vielmehr, dass er „sich in der Hauptsache mit theosophischen, esoterischen und okkulten Themen befasst“ ( S. 14 ).

1. Exorzismus mit Gassmann – oder: warum Okkultismus „böse“ ist ( und Steiner natürlich auch )

Hier stoßen wir auf den alten Urgroll Grandts gegen Steiner: Ganze Seiten verschwendet das Schwarzbuch damit, mal wieder etwas völlig offensichtliches und auf der Hand liegendes zu „beweisen“ – dass Steiner Okultist war ( was er selbst oft genug sagte – das ist in etwa so als wollte mensch beweisen dass Marx Marxist war oder Joseph Ratzinger Katholik war/ist… )! Ein weiteres Kapitel „beweist“ auf dieselbe Art und Weise, dass die Anthroposophie „okkultistisch“ geprägt ist. Weitere „Enthüllungen“ von ähnlich revolutionärer Brisanz sind, dass Steiner das für ihn in und hinter den Dingen wirkende „Göttliche“ als „Elementarwesen“ bezeichnete.

Grandt setzt voraus: niemand würde sein Kind auf die Waldorfschule schicken, wenn er/sie wüsste, dass deren Begründer Okkultist war!

Die LeserInnen werden sich fragen: Was soll das?

„Okkultismus“ ist die „Lehre vom Verborgenen“, in Steiners Worten: „Geheimwissenschaft“. Weniger aber eine geheim gehaltene „Wissenschaft“ denn eine „Wissenschaft“ vom „Verborgenen“. Steiner hat sich selbst mehrfach als Okultisten bezeichnet, seine zweite Frau Marie von Sivers tat das ebenfalls. Okkultismus ist f�r Steiner gleichbedeutend mit „Geisteswissenschaft“, „Geheimwissenschaft“.

Grandt: „Was in diesem Fall für Steiner spricht ist die Tatsache, dass er nicht auf die Unterwerfung des Schülers unter einen „Guru“ setzt, sondern auf die Eigenständigkeit des ‚Geistschülers‘, der ausschließlich Hinweise zum freien Gebrauch erhält.“ ( S. 20 – in der Praxis gilt Steiner vielen AnthroposophInnen allerdings heute noch als Prophet. S.u. zur sich anschließenden Phantasie Grandts, es gäbe trotzdem einen geheimen „Code“ im Werk Steiners )

Nach Steiner wird also kein Mensch durch „Gott“ erlöst, vielmehr gilt es das „Göttliche“ im „Menschlichen“ zu finden.

Weiterhin: Wo ist das Problem bei der Sache?

Das Schlimme am Okkultismus – frei nach Grandt – ist vielmehr, dass er eben „okkultistisch“ ist. Das beweist er mit dem Theologen Lothar Gassmann, der sagt:

Damit wird das Evangelium, die Frohbotschaft von der Erlösung des Sünders verraten.“ Okkultismus als Verkündigung „geistlicher Wahrheiten die über die Schrift hinausgehen.“ kann natürlich nur übel und sündig sein.

Gassmann kennt sich aus: Mit dem Feuer des Glaubens zieht er in die Schlacht gegen das Böse selbst:

Dieses schleicht sich heimtückisch von Steiner ( bzw. dessen „Okkultismus“ ) in jede einzelne seiner Ideen, beispielswiese die Eurythmie. Logischerweise kann die also „aus christlicher Sicht nur als dämonisch inspirierte und Dämonen herbeirufende (!) Kunst verstanden werden (…) Vor der Eurythmie als einer okkulten Praxis ist somit deutlich zu warnen.“ so Gassmann nach dam „Schwarzbuch“, S. 124.

Gassmann hat noch mehr auf Lager. Wenn das auch nicht mehr Teil von Grandts Argumentation ist, so ist es meiner Meinung nach nicht uninteressant für die Einordnung und Beurteilung seiner ( und Grandts an sein Urteil anschließender ) Argumente und Thesen. Er kennt die biblisch-unumstößliche Wahrheit nicht nur über Eurythmie, sondern auch das EU-Antidiskriminierungsgesetz: „Der betreffende ( nichtchristliche – A.M. ) Religionsanh�nger, Sektierer oder Homosexuelle, den wir vor Gottes Gericht warnen, könnte sich ja diskriminiert fühlen.“ Gut erkannt!

Das verhindere aber wahre, „christliche“ Lebensweise:

„Praktizierte Homosexualität ist Sünde. (…) Den Betroffenen müssen wir sagen, dass diese Lebensform nicht Gottes Wille ist. (…) Somit ist es auch ein Unding, gleichgeschlechtliche Liebe als normal anzusehen und der Liebe von Mann und Frau gleichzustellen, sowie ein Adoptionsrecht von Kindern für homosexuele Paare vorzusehen. (…) Wir wollen Homosexuelle nicht diskriminieren, sondern ihnen seelsorgerisch helfen. (…) Es geht uns Christen ja darum, den Sünder zu retten, und da darf man seine Sünde nicht zudecken.“

„Die EU hat zunächst nur vorgeschrieben, dass Diskriminierung im Hinblick auf Rasse, Geschlecht und ethnische Herkunft ( Volksabstammung ) verboten ist. Nun gab es aber Bestrebungen, den Aspekt der Diskriminierung auf Lebensalter, Behinderung, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung auszuweiten. (…) Ist es ( das EU-Gesetz ) in Kraft, könnte es für uns Christen ernste Konsequenzen nach sich ziehen. (…) Musterfälle in Deutschland werden wohl zeigen müssen, ob die Meinungs- und Religionsfreiheit dann noch höher steht als eine solche angebliche Diskriminierung. (…) Diese neue diktatorische Toleranz wird eines Tages auch die Schweiz, wenn nicht die ganze Welt erfassen.“

„Sie alle ( „Vertreter christlicher Konfessionen und heidnischer Religionen wie z.B. dem Dalai Lama, Medizinmännern, Verehrern von Ahnengeistern etc.“ ) kamen nach Assisi, um dort für Frieden zu beten- in Wirklichkeit ein Teufelspakt für einen teuflischen Scheinfrieden ( vgl. 1. Korinther 10,20 )! Wie kann denn bei einer solchen Verbrüderung der christliche Gehorsam gegenüber dem Misionsbefehl überhaupt noch aufrecht erhalten werden.“

( l-gassmann.de )

Gassmanns 2000 Jahre alte Selbsteinschätzung sagt eigentlich alles: „Ich weiß nicht anderes als Jesus Christus, den Gekreuzigten“ ( l-gassmann.de ). Ausgerechnet so jemand ist heutzutage offizieller „Sekten- und Weltanschauungsbeauftragter“ der Evangelischen Kirche!

In einer Danksagung bedankt Grandt sich speziell bei Gassmann für die „nützlichen Hinweise“ zum Thema Anthroposophie und Waldorfpädagogik, das „Schwarzbuch Waldorf“ zitiert ihn unkritisch bei jeder Gelegenheit. Das sollte doch zu denken geben.

Was Gassmann vielleicht schaudernd und betend verschweigt, Grandt wagt es auszusprechen: War Steiner nicht vielleicht absichtlich Satanist und damit noch viel böser als ohnehin schon durch seine dämonenbeschwörenden Ideen? „Man“ werfe Steiner immerhin Kontakte zu einem neosatanischen Orden vor“ ( „Schwarzbuch Waldorf“, S. 14 ). Mehr enthüllt nur die Fußnote 6[66?]: „Man“s Name ist nämlich Michael Grandt, der seine Glaubwürdigkeit durch die wiederholte und undistanzierte Wiedergabe Gassmanns scheinbar noch nicht genug strapaziert hat, um jetzt weitere Abstrusitäten von sich zu geben. Das besagte Buch ist „Waldorf Connection“ ( vgl. „Wo ein Wille ist“ ). Die Behauptungen dieses Buches sind von der akademischen Wissenschaft – namentlich Anthroposophiekritiker Helmut Zander – als „relativ krasser Fall von Unseriosität“ bezeichnet worden. Die Behauptungen von „Waldorf Connection“ über vermeintliche Sexualmagie und Satanismus bei Steiner werden bei Zander durch fundiertes Quellenstudium weggewischt. Im „Schwarzbuch Waldorf“ wird das nicht beachtet. Grandt geht von seinen alten Thesen über Satanismus immernoch aus. Es sollte zumindest erwartet werden dürfen, dass mensch seine Thesen auf dem Stand der Ereignisse hält.

Alldem steht für Grandt nicht entgegen, dass Steiner seine Anthroposophie als „esoterisches Christentum“ bezeichnete. Grandt konstruiert sogar einen „christlichen“ „siebenstufigen Einweihungsweg“ Steiners. Der bezeichnete den Prozess der Erleuchtung in Wahrheit allerdings als dreistufig ( von der „Imagination“ – einer Art exakt nachschaffender bildhafter Phantasie – gehe es zur das „Bild“ erkennend durchdringenden „Inspiration“, der schließlich die „Intuition“ als lebendige Verbindung mit dem Erkannten folge ). Grandt erzählt uns stattdessen über „Die Bereitung des Steins der Weisen“, „Fußwaschung“, „Geißelung“, „Dornenkrönung“, „Kreuzigung“ bis hin zur mystischen „Grablegung“ ( !?!? ) in Steiners „Einweihungsweg“ – allerlei „Okkultes“ also. Darauf kommt er möglicherweise durch nebensächliche und für den „anthroposophischen Erkenntnisweg“ unbedeutende Bemerkungen Steiners, der die Schilderungen/Figuren der Evangelien für Personifikationen seelisch-geistiger Prozesse hielt, allerdings gibt Grandt keine Schrift Steiners an, nur einen Aufsatz über das Rosenkreuzertum von Hannelore Schilling. Diese Quelle ist aber immernoch verhältnismäßig seriös, an anderer Stelle ( S. 121 ) beruft Grandt sich etwa auf Band 642 der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe ( die 360 Bände umfasst ), der „Eurythmie“ heißen soll.

Eine weitere Phantasie Grandts treibt das Ganze auf die Spitze: Steiner habe einen geheimen „Code“ in seinen Schriften, der „nur für ‚Eingeweihte'“ zu entziffern sei. ( S. 22f. ). Das schreit geradezu vor Dummheit. Das schließt er daraus, dass Steiner seinem Schüler Walter Stein schrieb, er solle in philosophischen Darlegungen esoterische Annahmen mit nicht-esoterischen Worten beschrieben, „restlos in Begriffe verwandeln“. Naheliegend, da nicht erwartet werden kann, dass jedeR die esoterischen Begriffe kennt. Entweder, Grandt hat diese Aussage einfach nicht verstanden, oder er deutet sie absichtlich um, um seine irrigen Vorstellungen so gut als möglich zu belegen. Für einen Menschen, der sich auf „journalistische Sorgfaltspflicht“ beruft, sollte das jedenfalls nicht angehen.

Zusammen mit Ernst Bloch bezeichnet Grandt die „Anthroposophie“ abschließend als „atavistisch“, was er ( in einer weiteren Fußnote, falls die LeserInnen sich nicht ganz sicher sein sollten, was er meint ) als „primitiv“ und „überholt“ definiert. Er stellt abschätzig die angebliche Ähnlichkeit von Eurythmie mit „der Macumba“, einem „magischen Tanz der südamerikanischen Eingeborenen“ dar. Selbstredend ist dieser auch wieder dämonisch-teuflischer Spuk ( S. 125 ).

Ich spare mir weitere Details zum Thema.

Wem sich beim Wort „atavistisch“ in diesem Zusammenhang die Haare sträuben, der/die denkt wohl an den Gebrauch, den Steiner von diesem Wort macht. Und damit sind wir bei neuen Tiefpunkten makaberer Theoremen angelangt: Steiners Rassentheorie.

Fazit: Schon was die Schilderung der Anthroposophie angeht, auf deren Gedanken die Waldorfpädagogik aufbaut, liegt Grandt beim besten Willen völlig daneben, auch ohne die Ausführungen Lothar Gassmanns. Diese treiben die Ausführungen jedoch auf die Spitze. Für das weitere Verständnis des „Schwarzbuchs“ ist das „okkult“-satanistisch-dämonische Brimborium, das Grandt für die Anthroposophie ( oder: für das Grandt die Anthroposophie ) hält, aber wichtig. Die Behauptung, Steiner habe einen geheimen „Code“ in seine Schriften eingestreut, klingt nach Verfolgungswahn, aber nicht nach Wissenschaft!

2.Verweilen wir noch kurz bei Steiners Rassismus.

Auch Grandt widmet dem Thema ein ganzes Kapitel. Steiner hätte den „Macumba“-Tanz wohl ebenfalls für primitiv und überholt weil „magisch“-spiritistisch gehalten, da seine theosophische Interpretation der Evolution und Menschheitsgeschichte magisches Natur- und Menschenbewusstsein als durch die abendländische „Verstandesseele“ überholt und daher „dekadent“ ansieht. ( vgl. „Die Philosophie der Un-Freiheit“ )

Was Grandt über Eurythmie und Anthroposophie zusammenreimt besitzt immerhin einen gewissen Unterhaltungswert. In Bezug auf Steiners Rassentheorie ist diese Kreativität abhanden gekommen:

Ein Kapitel von über 30 Seiten besteht ( fast ) ausschließlich aus Zitaten. Zunächst natürlich von Steiner. Grandt selbst hält seine Vorgehensweise für brisant:

„Anthroposophen argumentieren häufig, Kritiker rissen die beanstandeten Aussagen aus dem Zusammenhang und verwendeten sie ‚manipulativ‘ (…)“ Er biete die Lösung des Problems an: „Der Leser kann das nun selbst beurteilen.“ ( S. 147 ) heißt es da. Es folgen aber die üblichen Äußerungen Steiners – ohne Zusammenhang. Meiner Einschätzung nach ist Steiners Rassentheorie auch innerhalb des Textzusammenhanges eine solche, aber was soll Grandts Enthüllungsanspruch?

Anschließend weist Grandt auf die Niederländische Untersuchungskomission zu Steiners Rassismus sowie die 2007 geschehene Überprüfung von zwei Steinerschriften durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdene Medien hin, nur um anschließend weitere Zitate zusammenzustellen. Diesmal hauptsächlich von Jens Heisterkamp von der anthroposophischen Zeitschrift info3, die sich noch in den 90ern (!) über antijudaistische Ansichten innerhalb der heutigen Anthroposophie beschwerte.

Wo Grandt nicht zitiert, klingen doch merkwürdig vertraute Formulierungen an. Am Ende des Kapitels kommt Grandt zu einem Urteil und einem Fazit von ( S. 177 ):

„Meiner Auffassung nach sind die rassendiskriminierenden Aussagen in den Schriften Rudolf Steiners besonders gravierend, weil sie keinesfalls Zufallsprodukte oder durch den Zeitgeist bedingte rassistische Stereotype sind, sondern vielmehr Ausprägungen einer spezifisch Steinerschen esoterischen Rassenkunde.“

Im Spiegel ( 36/2007 ) hieß es vor einem Jahr in einem Artikel über das ( später abgebrochene ) Indizierungsverfahren von zwei Steinerbänden ( der Autor Per Hinrichs zitiert – allerdings ordentlich als Zitat gekennzeichnet – eine Aussage des Familienministeriums ):

„Die ‚rassendiskriminierenden Aussagen‘ in den Werken Rudolf Steiners seien als besonders gravierend zu betrachten, da es sich ‚keinesfalls um Zufalllsprodukte oder durch den Zeitgeist bedingte rassistische Stereotype handelt‘ (…) Vielmehr seien sie als ‚Ausprägungen einer spezifisch Steinerschen esoterischen Rassenkunde‘ zu sehen.“

Auf Per Hinrichs Artikel im Spiegel schrieb Grandt einen beleidigten Leserbrief, in dem er darauf hinwies, sein „Schwarzbuch Anthroposophie“ habe Steiners Rassentheorie auch schon beschrieben. Trotzdem hatte er es nötig, diese Passage identisch zu kopieren und als sein Fazit auszugeben. Offensichtlicher abschreiben geht wohl nicht. Ein Doppelplagiat Grandts sozusagen!

Fazit: In diesem Abschnitt des „Schwarzbuch Waldorf“ findet sich rein gar nichts Neues oder eigenes, die zusammengesuchten Ereignisse sind größtenteils auch im Internet zu finden. Sogar bis in die Formulierung hinein, die größtenteils aus Zitaten besteht, wie wir gesehen haben selbst an nicht so gekennzeichneten Stellen. Da ich mich mit dem Thema Esoterik/Steiner und Rassismus intensiv auseinandergesetzt habe, finde ich dieses Kapitel ganz besonders enttäuschend und unoriginell. Sinnvoll ist Grandts Schlussfolgerung: „Die Anthropososophische Gesellschaft (…) etc. sollten dies ( Steiners Rassentheorie – A.M. ) schleunigst aufarbeiten.“ ( S. 179 )

3. WaldorflehrerInnen – fundamentalisiert und gewalttätig

Dass Grundlagen von Steiners Anthroposophie in WaldorflehrerInnenseminaren vermittelt werden, ist nie bestritten worden. Hier stimme ich mit Grandt hinsichtlich der Forderung überein, dass diese dort kritischer reflektiert werden sollte. Grandt bedient sich aus der Waldorfliteratur, um die Dogmatisierung zu „beweisen“. Und es gibt hier viel zu kritisieren!

Dass es aber auch gegenläufige Ansätze gibt, dokumentiert Grandt ( natürlich ) nicht. Da wäre Rüdiger Iwan, dessen Buch „Die neue Waldorfschule – ein Erfolgsmodell wird renoviert“ in der „Waldorf-Szene“ für erfreulichen und produktiven Aufruhr sorgte

( eine treffende Besprechung präsentiert Reiner Rudolph auf amazon.de ).

Während der durchaus zu kritisierende waldorfianische 7-Jahresrhythmus unter Grandts Fingern zum „esoterischen Korsett“ ( S. 89 ) leidender SchülerInnen wird, ist der in der Waldorfpädagogik tatsächlich schon lange wesentlich differenzierter betrachtet worden, z.B. in den beliebten „Leitlinien der Waldorfpädagogik“ ( Rainer Patzlaff und Wolfgang Saßmannshausen, Pädagogische Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen, 2005, siehe z.B. S. 35f. ). Da heißt es, es sei ein Irrtum, anzunehmen,

„es handle sich hier ( beim 7-Jahres-Rhythmus ) um einen natürlichen Rhythmus, der sich von selbst einstelle, genauso gesetzmäßig wie viele andere Rhythmen, die in unserem Organismus biologisch wirksam sind. Das ist nicht der Fall. Der Siebenjahres-Rhythmus ist nicht von der Natur vorgegeben, ebensowenig wie die Einteilung des Jahres in siebentägige Wochen.“

Sondern vielmehr um einen „pädagogisch-therapeutischen Richtwert“, der ermöglichen solle, emotionale, mentale und willensmäßige Entwicklung auszubalancieren.

Ähnliches ließe sich wohl zu allem sagen, was Grandt als „okkult“ ( =böswillig ), dogmatisch und gefährlich anführt.

Den „Bund der Freien Waldorfschulen“ regte aber vor allem ( und zurecht ) die Behauptung Grandts auf, er ( der BdFW ) gebe „eventuell schlagenden Lehrkräften“ eine „theoretische Grundlage und eine Rechtfertigung„. Und zwar dadurch, dass er angeblich folgendes Buch „anpreist“:

Erich Gaberts Buch „Die Strafe in der Selbsterziehung und in der Erziehung des Kindes“ aus den 50ern, das als erstes Buch der „Pädagogischen Forschungsstelle“ erschien. Grandt: „Der Autor schließt Strafen nicht ausdrücklich aus, sondern zieht sie sogar in Betracht.“ ( S. 56 ). Das ist natürlich unverantwortbar.

Auf Beschwerde des Waldorfschulbundes und einen Gerichtsbeschluss des Langerichts Stuttgart liegt dem Schwarzbuch nun allerdings ein Beipackzettel bei. Darauf erfahren wir: Ja, Gabert hielt Prügelstrafen für pädagogisch vertretbar. Aber er sagte auch:

„…Alle körperliche Züchtigung wirkt (…) schädigend, verletzend auf das Ehrgefühl, die innere Selbstachtung. Das Kind fühlt sich in seiner Menschenwürde herabgedrückt. Und wenn auch die momentane Wirkung zuweilen überraschend gut ist, so wirkt doch das Ungute lange, zuweilen Jahrzehnte lang nach, wie eine leise, schmerzende Wunde, die nicht heilen will. Diese lang andauernden Nachwirkungen, diese Schädigung, die so tief in das Wesen der Persönlichkeit hineingehen, die sind (…) unendlich viel wichtiger als der augenblickliche Erfolg. Denn es werden durch solche Angriffe auf das Gefühl der eigenen Menschenwürde ganz langsam, aber sicher wirkend, sehr bedenkliche, böse Eigenschaften im Kinde heraufgeholt und verstärkt (…) Jeder Schlag, den er ( der Lehrer ) trotzdem in der Erregung des Augenblicks etwa noch austeilt, wird ihn je länger je mehr in seinem Gewissen brennen. Er wird auf ihn zurückschauend sich eingestehen müssen, dass er hier trotz allem, was man anführen kann, doch eigentlich pädagogisch versagt hat, als er zu diesem kümmerlichsten, primitivsten aller erzieherischen Mittel griff …“

Gabert bezeichnet Schläge als schlimmste Form von „Zorn, Gekränktheit, Bequemlichkeit, mangelnde Phantasie und Lieblosigkeit“, mensch brauche „bessere, heilsamere, förderliche“ Strafen, „wenn denn schon gestraft werden muss.“ – was seine Bejahung der körperlichen Strafe an anderer Stelle natürlich nicht revidiert. Es spricht aber auch nicht für Grandt, der pädagogisch-menschlichen Ablehnung solcher Strafen durch Gabert keine Rechnung zu tragen.

Vor allem aber verschweigt Grandt: Das Buch ist in zwei Neuauflagen in einer Bearbeitung von Georg Kniebe erschienen, „in denen körperliche Strafen“ laut Landgericht Stuttgart „ausdrücklich abgelehnt werden.“ Grandt hielt das wohl nicht eigens für erwähnenswert geschweige denn relevant für seine These ( versteckt allerdings in einer rhetorischen Frage ), der „Bund der Freien Waldorfschulen“ verharmlose körperliche Strafen, da das Buch als Band I der Pädagogischen Forschungsstelle erschienen war.

Da Grandt wohl ebenfalls auffiel, dass dieser Argumentationsstrang äußerst dünn ist, müssen noch Zitate Steiners aus dessen Buch „Aus der Akasha-Chronik“ herhalten. In diesem fabuliert Steiner über das „alte Lemuria“, einen sagenhaften Kontinent, der vor Jahrmillionen im indischen Ozean existiert habe. Die Menschen dort seien von nebelhafter Substanz und im Umgang mit feinstofflichen Wesenheiten gewesen, sie hätten bei den Mädchen auf die „Ausbildung von Phantasie“, bei Jungen auf „Abhärtung“ gesetzt. So weit, so eigenartig. Für Steiners Strafvorstellungen ist das irrelevant. Sein Rassismus rührt gerade daher, dass er AfrikanerInnen vorwirft, mental immernoch auf dem „Entwicklungsstand“ Lemuriens zu stehen, d.h. er wird wohl kaum „lemurische“ Elemente in seine Pädagogik eingeführt haben wollen. Es fragt sich, wie Grandt Steiners Rasssismus kritisiert, wenn er nicht in der Lage ist, das Zustandkommen seiner Rassentheorie zu analysieren. Auch dieser Argumentationsgang Grandts ist eines der vielen Details, die das Buch durch Fehlinformation und Falschdarstellung unseriös machen.

Mit pädagogischen Ansätzen Steiners kann Grandt gar nichts anfangen, er präsentiert sie nur wegen irgendeines „okkult-esoterischen“ Wortlauts. Das geht los bei der Annahme, jedes Kind bringe völlig eigene Fähigkeiten und Eigenschaften und Aufgaben auf die Erde mit. Bei Grandt: „Das Kind ist ein ‚göttliches Rätsel‘, das ‚spirituell‘ behandelt werden soll.“ ( S. 92 ) Tatsächlich gemeint: Mensch muss auf individuelle Begabungen schauen und darf eben nicht nach festgelegten Mustern unterrichten – so sehr sich ein Michael Grandt auch das Gegenteil imaginiert.

Grandt: „Der Lehrer soll in den Kindern Bilder entwickeln, die ‚verwandlungsfähig‘ sind und mit der kindlichen Seele ‚mitwachsen‘ können.“ ( S. 110 ) Tatsächlich gemeint: „Charakterisieren statt Definieren!“ ( Steiner ). Der Unterricht darf nicht in der bloßen Vermittlung von Informationen bestehen, die Sachverhalte müssen erlebt, erfahren, „lebendig“ gemacht werden, damit sie begriffen, nicht einfach nur auswendig gelernt werden.

Ich weiß nicht, was daran auszusetzen ist. Mein bisheriger schulischer Werdegang war weder esoterisch noch dämonisch, noch gewalttätig, gewaltdominiert. Die zahlreichen Referate, Projekte, Gruppenarbeiten und praktischen Experimente vor allem in den unteren Waldorf-Klassen haben auf mich im Gegenteil recht positiven Eindruck gemacht.

Natürlich: Bei einigen Äußerungen Steiners über Temperamente und Typologisierung überkommt eineN das kalte Grausen, anderes ist ebenfalls bedenklich, die WaldorflehrerInnenausbildung müsste komplett umgekrempelt werden und die Dogmatisierung der Anthroposophie zu leugnen wäre leider dumm und unwahr. Aber das ist nur eine Seite der Wirklichkeit. Denn die Praxis der Waldorfschulen, Engagement und Arbeitsweise der LehrerInnen ( ob trotz oder wegen Anthroposophie ), Methodik und Wirklichkeit des Unterrichtes sprechen eine andere Sprache. ( S.U. zur repräsentativen Studie zu WaldorfabsolventInnen ).

Ein weiteres Beispiele, das mensch illustrativ auswählen könnte, um Grandts Arbeitsweise darzustellen: WaldorflehrerInnen-Ausbilder Wenzel Göttel gab ein Interview für die ZEIT ( 08/ 2007 ), in dem er sagte, „dogmatische“ WaldorflehrerInnen seien heute „Fossilien“, seit den Gründertagen habe sich da „einiges geändert.“ Grandt pflückt sich ( S. 94 ) daraus folgendes Resümee zurecht: „Die Antwort des Waldorfdozenten enthüllt interessantes: Es gibt also dogmatische Lehrer.“ Diese Behauptung gilt auf den restlichen Seiten als gesichertes Faktum.

Fazit:

Was Grandt hier heraufbeschwört ist eine fiktive Karikatur, eine Konstruktion, die dem Alltag nicht gerecht wird, Umstände auf den Kopf stellt und anhand dessen auch noch zu ernst gemeinten Forderungen kommt. Zumindest Letzteres ist damit aber unzulässig. Deutlicher wird diese Arbeitsweise, wenn Grandt uns erläutert, „wie an Waldorfschulen unterrichtet wird“. Dabei sehen wir: Ist das „Schwarzbuch Waldorf“ auch äußerst einseitig, so hat es – in sich – doch Logik und Methode.

4. „Wie an Waldorfschulen unterrichtet wird.“

Unterrichtsfächer der Waldorfschulen – das immerhin gibt Grandt zu – präsentiert das „Schwarzbuch Waldorf“ nur als selektive „Auswahl“ – „aus Platzgründen“, heißt es ( S. 112 ). Vor allem aber wird sehr tendenziös ausgewählt, was das Buch berichtet. Manche elementaren Methoden und Bestandteile des Unterrichts bringt jeder billige Flyer über die Waldorfpädagogik ausführlicher.

Bei Grandt heißt es u.a. „Das Lebenselement der Waldorfschulen sind die Künste.“ „Hinzu kommen regelmäßige Ausstellungen, Theateraufführungen und ‚Monatsfeiern‘“ ( S. 109 ) – Womit, Künste, Ausstellungen, Jahresarbeiten, 8.-und 12.-Klassspiel abgehandelt wären!

„Die verschiedenen Unterrichtsgebiete werden in ‚Epochen‘ behandelt, die jeweils etwa vier Wochen dauern. So wechseln die verschiedenen Fächer im Laufe des Schuljahres einander ab. Nach dem Hauptunterricht folgen Fachstunden für die Fächer, die regelmäßiges Üben erfordern, etwa Sprachen, Musik, Eurythmie, Handarbeit oder Turnen.“ ( S. 112 )

– Auch Sozialkunde, sowie Deutsch und Mathe ( letztere zusätzlich zu den Epochen, in welchen dann komplexere Themengebiete genauer behandelt werden können ) sind als Fachstunden vorhanden, wofür Grandt keinen Platz zu haben scheint. An der Waldorfschule Mainz haben wir auch Biologie für den Abi- und Realschulkurs in Fachstunden.

Zweieinhalb weitere Zeilen bringen die Skizze Grandts zum Ende: „In Waldorfschulen werden ab der ersten Klasse zwei Fremdsprachen gelernt. Ab der neunten Klasse lösen verschiedene Oberstufenlehrer dann den Klassenlehrer ab.“ ( ebd. )

Erinnern wir uns an die Ankündigung und Selbsteinschätzung des „Schwarzbuchs“: „Umfassend Mythos und Wirklichkeit und Mythos um Waldorf…“ – stattdessen das! Oder ist das ein weiterer Versuch, das Thema buchstäblich „auf den Punkt“ zu bringen?

Aber jetzt kommen wir zur „Auswahl“ der von Grandt für erwähnenswert erachteten Unterrichtsfächer. Beleuchten wir den Mythos – äh, pardon: die „Wirklichkeit“ der Waldorfschulen:

Die Buchstaben erlernen WaldorfschülerInnen am Anfang der ersten Klasse nicht als abstrakte Gebilde, sondern zunächst aus dem Zusammenhang mit einer Geschichte, Situation oder einem Bild. Bei Grandt schrillen die Alarmglocken: Okkultismus!

„Die Pflanzenkunde ist ein Teil des Biologieunterrichtes.“ – mal wieder eine unglaubliche Feststellung. Auf diese Weisheit Grandts folgt eine weitere Rudolf Steiners: „Die Pflanzenwelt ist die sichtbar gewordene Seelenwelt der Erde.“ Grandt präsentiert weitere goetheanistisch-anthroposophische Ansichten. Über Biologie- oder irgendeinen Unterricht schreibt er in der Passage über „Pflanzenkunde“-Unterricht keine Zeile, bis auf den abgesetzten Schluss: „Auch hier ist ein großer anthroposophischer Einfluss gegeben.“ ( S. 116 ) Was soll das? Jedenfalls ist es wenig überzeugend!

Geschichte: Grandt erkennt zusammen mit dem „pädagogischen Forschungsstelle“ des BdFW: „Geschichte auswendig lernen ist ‚langweilig‘.“ Finde ich persönlich nicht. Ich mag Daten, Jahreszahlen, Rekonstruktionsversuche und Recherchen, die schließlich ein spekulatives Bild einer vergangenen Situation sichtbar werden lassen. Aber das ist mein Hobby und hat mit Grandt und der Waldorfpädagogik sowenig zu tun wie Grantds „Pflanzenkunde“ mit Biologieunterricht.

Trotzdem will Waldorf-Geschichtsunterricht nicht langweilig sein und versucht mit zahlreichen Bildern, Geschichten und Biographien vor allem in Klasse 5-7 den SchülerInnen das behandelte Thema näherzubringen.

Das „Schwarzbuch Waldorf“ bringt – wie könnte es auch anders sein – in diesem Zusammenhang wieder die alte Leier von Atlantis im Geschichtsunterricht. Übel, denn: „Mythos und urkundlich erforschte Historie“ werden vermischt und sind „nicht mehr zu unterscheiden“. ( S. 116 – 118 )

Ob sie so ununterscheidbar sind, mögen die LeserInnen selbst entscheiden. Unten mein Geschichtsepochenheft zur Urgeschichte – in dem wir auch einen kurzen Rückblick auf die „Erdentwicklung“ finden – allerdings wirklich esoterisch?

Religion: „In der Waldorfschule wird nicht nur der evangelische und katholische Religionsunterricht gegeben, es findet sich auch Unterricht der Christengemeinschaft ( die inhaltlich der Anthroposophie nahesteht ) und der Freie Christliche Religionsunterricht.“ ( S. 118 ) Wieder „auf den Punkt“! Im „Freien christlichen Religionsunterricht“ wird nach Grandt und der Waldorfschule Erlangen, die von Grandt zitiert wird, der Grundstein gelegt, dass die Kinder sich später, als „Jugendliche und Erwachsene“, eigenständig auf die Suche nach einem „Sinn des Lebens“ machen „können“. Klingt reichlich abstrakt und sicher wieder okkultistisch, immerhin geht auch das über „die Schrift“ hinaus! ( Diesen Unterricht habe ich auch besucht und in der Tat: Die Inhalte werden in diesem Unterricht hauptsächlich von den SchülerInnen selbst angeregt. Wirklich problematisch! )

Ab Klasse 9 – Grandt wohl zufälig entgangen – werden die Unterrichte der Konfessionen meist zugunsten des Faches „Ethik“ für alle SchülerInnen nicht mehr weitergeführt.

Eurythmie: Hier wird es wieder okkultistisch. Denn die „Dämonen herbeirufende Kunst“ ist nach Grandt das mysteriöserweise „entscheidende“ Fach der Waldorfpädagogik – wieso auch immer ( vom wie auch immer ganz zu schweigen ). Er zieht dazu Äußerungen von Steiner und seinen AnhängerInnen heran. Anschließend Gassmann ( siehe oben ). Auf fünfeinhalb Seiten wimmelt es von Dämonen und Erzengeln. Hier taucht, um alles noch unseriöser zu machen, auch der oben schon erwähnte Band 642 ( von „nur“ 360 ) der Rudolf Steiner-Gesamtausgabe als praktische „Quelle“ der Ausführungen auf. Im Eifer des Gefechts übersieht Grandt nebenbei, warum denn die Waldorfpädagogik Eurythmie enthält ( eine wichtige Frage, besonders, wo er sie doch aus irgendwelchen Gründen für das zentrale Unterrichtsfach hält ).

Selbstverständlich hatte da wieder Dämonenbeschwörer Steiner die Finger im Spiel. Der meinte nämlich: „Übetriebende Sporttätigkeit“ sei „praktischer Darwinismus“ ( Allgemeine Menschenkunde…; S. 192 ), die schlimmstenfalls „viehische Insktinkte“ anspreche ( „survival of the fittest“, immerhin ist Sport bis heute Garant für die Ungleichstellung der Geschlechter, schafft aber für beide eine Leitkultur, in der eine ideale, „gesunde“ Körpernorm konstruiert wird – weiteres würde den Rahmen des Artikels sprengen, obwohl das Thema sicher interessant ist, vgl. „Sportkritik und Schulsportkritik“ – ein Arbeitspapier der Bochumer JD/JL, 1996 )

Steiner wollte eine nicht nur ethisch-un-„viehische“, sondern auch bewegungsmäßige Alternative bieten. Eurythmie, um 1912 von Lory Maier-Smits anhand von Ideen Steiners entwickelt, war zunächst anthroposophische Interpretation des Ausdruckstanzes, wurde aber in den Waldorfunterricht hineingenommen, „weil in der Eurythmie die körperliche Bewegungsfähigkeit stets in einen harmonischen Zusammenklang mit der Empfindungskraft und dem gedankliche Vermögen gebracht werden muss.“ ( Leitlinien der Waldorfpädagogik, S. 55 )

Eurythmie wird von vielen WaldorfschülerInnen stillschweigend akzeptiert, manchmal von ganzen Klassen aufgrund von Sinnlosigkeit boykottiert. Ich persönlich habe das Fach nie wirklich zu schätzen gelernt, unzweifelhaft werden in der Analyse und Umsetzung von Gedichten/ Musikstücken ganz zu schweigen von der Kreativität jedenfalls Koordination und Exaktheit geübt.

Das wars dann auch schon mit der Unterrichtspraxis von Waldorfschulen. Bis auf eines: Grandt schüttelt als vermeintlichen letzten Trumpf seiner Argumentation noch die 2007 erschienene WaldorfabsolventInnenstudie aus dem Ärmel, die er scheinbar für sehr aussagekräftig hält. In diesem Punkt stimme ich größtenteils zu. ( Mehr unter 6. )

In puncto „Wie in Waldorfschulen unterrichtet wird“ kommt auch eine der ganz besonderen Schwachpunkte des Buches zum Vorschein, ein weiterer – schwer abzuwischender – Fleck in Grandts „journalistischer Sorgfaltspflicht“. Er beruft sich andauernd auf die Studie einer „Universitätsprofessori Sigrid Paul“. Das mdr enthüllte: Es gibt Sigrid Paul, aber eine Studie von zu Waldorf existiert schlicht und simpel von ihr nicht! Ein Studienanfänger der eine FWS besuchte, hatte bei ihr ein dünnes Referat über seine Erfahrungen ( im Übrigen sehr gute! ) abgegeben, aus dem Grandt sich als vorgeblich universitär von höchster Stelle abgesicherte Erkenntnis bediente. Mal wieder stellt sich die Frage: War das Inkompetenz, schlechte Recherche oder verzweifelte Suche nach Belegen?

Fazit: Grandts Darstellung der Waldorfpädagogik ist gelinde gesagt unvollständig, schlampig recherchiert, mal wieder unzulässig einseitig und für die tatsächliche Wirklichkeit an Waldorfschulen vollkommen aussagelos. Viele Behauptungen sind unzutreffend, Eurythmie nimmt ganze fünf Seiten ein, zentrale Themen und Mittel werden in wenigen Zeilen behandelt, oft gar nicht erwähnt ( Jahresarbeiten, Praktika… ).  Zwei Quellen werden gefälscht. Wirklich aktuelle und interessante Diskussionen ( z.B. zum Epochenunterricht oder der Portfolio-Methode ) werden von Grandt weder dargestellt noch gestreift, aber zu Aktuellem und Interessantem um die Waldorfpädagogik schweigt das“Schwarzbuch“ ja ohnehin mit Vorliebe.

5. „Die Herrschaft der Theorie über die Empirie“ – Waldorfschulen als esoterisch-okkulte Weltanschauungsinstitute

Ein weiteres Thema darf im „Schwarzbuch Waldorf“ natürlich nicht unerwähnt bleiben. Grandt fordert aufgrund seiner originellen und scharfsinnigen Analysen: Die Waldorfschulen müssten endlich zugeben, dass sie anthroposophische Rekrutierungsanstalten seien. Dazu gibt er mehrere Begründungen an:

In erster Linie natürlich seine „ausführliche“ Darlegung des Waldorfschulunterrichts. Diese These überzeugt also herzlich wenig ( vgl. 4. ).

Zweitens: Das Kultusministerium Baden-Württemberg hat „in der Vergangenheit“ die Waldorfschulen „formaljuristisch“ (!) als „Weltanschauungsschulen“ geführt, weil private „Volksschulen“ ( d.h. Grund- und Hauptschulen, und die Waldorfschule umfasst bekanntlich beide Schultypen ) nicht genehmigt werden durften. Die einzige Ausnahme: bei Weltanschauungsschulen. Daher ( nicht aufgrund etwaiger weltanschaulicher Prägung des Unterrichts ) wurden die Waldorfschulen als Weltanschauungsschule geführt. Diese Ausnahmeregelung aus verwalterischen Gründen als Beleg anzuführen ist selbstredend nicht wirklich überzeugend. Völlig vernichtend für Grandts These wirkt der Zusatz des Ministeriums: „Diese juristische Aussage“ müsse „im gesellschaftlichen Bereich richtig verstanden werden. (…) Man tut den Waldorfschulen Unrecht, wenn man sie in diesen Zusammenhang stellt. Es unterlag nie einem Zweifel, dass die Waldorfschulen die Werte des Grundgesetzes bejahen…“ ( S. 144 ). Grandt führt das „formaljuristische“ „Zugeständnis“ für aus mir unnachvollziehbaren Gründen trotzdem ständig als „Beweis“ an.

Drittens: Aussagen Steiners. Der Gute wollte die Frage, ob Waldorfschulen denn Weltanschauungsschulen seien, entschieden verneinen:

Sei es grundsätzlich: „Wir haben nicht die Aufgabe, unserer heranwachsenden Generation Überzeugungen zu liefern. Wir sollen sie dazu bringen, ihre eigene Urteilskraft, ihr eigenes Auffassunsgvermögen zu gebrauchen. Ob wir nun an der Wahrheit dessen, was wir der Jugend überliefern, zweifeln oder nicht: darauf kommt es nicht an. Unsere Überzeugungen gelten nur für uns. (…) Dass wir Suchende sind, sollen die Heranwachsenden bemerken. Und auf die Wege der Suchenden wollen wir sie bringen.“ ( GA31, S. 233f. )

Oder konkret im Bezug auf die Waldorfschule: „Vor allem würde ich nie anthroposophische Schulen gründen. Die Anthroposophen müssten die Methoden und die Organisation umgestalten, aber niemals Anthroposophie lehren. Als erste müssen wir [ als AnthroposophInnen ] die geistige Freiheit verstehen. Weltanschauungsschulen müssen wir am meisten vermeiden.“ Rudolf Steiner am 24.4.1919

Grandt nimmt diese prinzipiellen Argumente zumindest wahr – wenn er sie auch nicht zitiert – ( Peter Bierl beispielsweise hat das nie begriffen ), immerhin gibt er zu, dass die Waldorfschule keine Weltanschauungsschule sein will. Vielmehr schaut er auf die anthroposophisch herleitbare „Umgestaltung“ der „Methoden“ und der „Organisation“. In hermeneutischen Höhenflügen und philosophischen Gedankengängen schließt er z.B. „…Wer eine Methode von ihrem Begründungszusammenhang lösen und gleichzeitig hinsichtlich ihrer Zielvorstellungen für neutral erklären will, argumentiert methodologisch naiv (…) Daraus folgt: Gerade wenn Waldorfschulen Methodenschulen sein wollen, müssen sie Weltanschauungsschulen sein.“ ( S. 145/46 )

Es fallen drei wichtige Begriffe: Methode, Zielvorstellung und Begründungszusammenhang. Sofort fällt da natürlich das eingangs zitierte Waldorf-Motto ein:

Man soll sich nicht sagen: du sollst dies oder jenes in die Kinderseele hineingießen, sondern: du sollst Ehrfurcht vor seinem Geiste haben. Diesen Geist kannst du nicht entwickeln, er entwickelt sich selber…“ – Begründungszusammenhang

Man muss so erziehen können, daß man (…) dem Zögling eine Umgebung schafft,…“ – Methode

…durch die sein Geist in voller Freiheit in das Leben eintreten kann.“

-Zielvorstellung

Anhand dessen scheint mir die Bezeichnung „Weltanschauungsschule“ ( von Grandt nicht juristisch, sondern wörtlich gemeint! ), so sehr Grandt sich auch um Kopf und Kragen argumentiert, um das Gegenteil zu beweisen, unangebracht. Für Grandt sind Methode und Begründungszusammenhang gleichbedeutend irgendwie ( wer ahnt es schon ? ) „okkult“, d.h. potentiell schlecht, um nicht zu sagen „böse“, ebenso das Ziel. Letztlich sind natürlich beides „nur“ Überlegungen – für deren Berechtigung Steiner allerdings gestritten hätte:

„…Darin besteht diese wissenschaftliche Methode, dass (…) wir die bestehenden Übergänge von Begriff zu Begriff finden,“ sie „besteht in dem Hervorgehen lassen eines Begriffs aus dem andern. Hin- und Herbewegung unseres Denkens von Begriff zu Begriff, das ist wissenschaftliche Methode.“ ( GA 1, S. 170 )

So gelangte er auch zu seinen „seelischen Beobachtungsresultaten nach naturwissenschaftlicher Methode“

Diese „Wissenschaftliche Methode“ hat das „Schwarzbuch Waldorf“ allerdings vorher entschieden abgelehnt, das sei „rationalisierte Mystik“, die „bereits also ( gemeint ist wohl: „also bereits“ ) an den einfachsten Grundvoraussetzungen der empirischen Wissenschaft“ scheitere ( S. 37 ). Helmut Zander definierte Steiners Wissenschaftsverständnis einmal als „Herrschaft der Theorie über die Empirie“. Wie Grandt zieht Zander allerdings die Empirie vor. Um diese also auch zu ihrem Recht kommen zu lassen, sei nun endlich die von Grandt selbst angepriesene „empirische“ WaldorfabsolventInnenstudie angeführt ( vgl. 6. )

6. „Empirie“ strikes back! – Grandts letzter Trumpf oder sein endgültiges Verhängnis?

Als triumphalen Schluss bringt Grandt – wie ich inzwischen oft genug erwähnt habe – noch „Kritik ehemaliger Waldorfschüler“, die die Ergebnisse seiner – ich will es mal so nennen – Auseinandersetzung mit Steiner und Teilen der Waldorfpädagogik belegen soll.

Grandt zieht dazu die empirische Studie zu „Bildung und Lebensgestaltung“ ehemaliger WaldorfschülerInnen sowie der „konkreten Schulwirklichkeit“ der Waldorfpädagogik ( Herausgeber: Heiner Barz, Dirk Randoll ) heran, die 2007 in Zusammenarbeit der Alanus Hochschule, der Freiburger Fachhochschule und der Universität Düsseldorf entstand. Wegen der anthroposophisch geprägten Alanus-Hochschule ist von KritikerInnen eingewandt worden, „die Anthroposophen“ hätten ihre bösen Finger im Spiel gehabt und das Zustandekommen des Ganzen manipuliert. Ausgerechnet diese Verschwörungstheorie greift Grandt nicht auf.

Obwohl das Gros der Quellen des „Schwarzbuch Waldorf“ im Internet zu finden ist, verschweigt Grandt an dieser Stelle, dass die Hauptergebnisse der Studie auch online sind.

Nach meiner Ansicht ist die Studie wirklich repräsentativ, zumindest würde meine Schilderung der Umstände ähnlich aussehen. Die LeserInnen werden deswegen im Folgenden Anmerkungen und Interpretationen der Daten meinerseits ertragen müssen.

Grandt zitiert für ihn interessante Ergebnisse der umfassenden Studie. Die AbsolventInnen kritisieren die Qualität des Fremdsprachenunterrichts an Waldorfschulen ( dem stimme ich persönlich zu! ) und kritisieren fehlenden Leistungsdruck ( so „Leistungsdruck“ als pädagogisches Mittel sinnvoll oder: wertvoll ist, ich bin eher Fan von selbstständigem Lernen und freiem Erarbeiten, aber allen das ihre… ) sowie Mängel bei der Wissensvermittlung in den Naturwissenschaften ( stimme ich auch zu, in meiner Wahrnehmung liegt das allerdings nicht an der fachlichen Kompetenz der LehrerInnen, sondern an der Unbrauchbarkeit von Epochenunterricht in Bezug auf naturwissenschaftliche Fächer. Die Waldorfschule Mainz versucht das mit naturwissenschaftlichen Kursen und Angeboten im – freiwilligen – Ganztagsbereich aufzufangen und bietet immerhin Biologie im Abi- und Realschulkurs in Fachstunden an ).

Bedeutungsschwer schließt Grandt: „Es bleibt zu hoffen, dass die verantwortlichen Waldorffunktionäre aus dieser Kritik ihrer eigenen Schüler lernen.“

Die Studie hat aber auch Antworten auf Fragen, die Grandt im „Schwarzbuch Waldorf“ selbst aufgeworfen und für sich beantwortet hat. Die hochgelobte Studie wird aber bezeichnenderweise dabei nicht herangezogen.

z.B. die Behauptung Grandts, WaldorflehrerInnen griffen immer wieder auf Prügelstrafen zurück, was der „Bund der Freien Waldorfschulen“ rechtfertige ( vgl. 3. ). Der Unterricht sei ein „esoterisches Korsett“ für die SchülerInnen und eine emotionale Einpeitschung auf die/den LehrerIn etc., etc.

Was sagt die Ehemaligenstudie? Bei aller Kritik am Unterricht haben die AbsolventInnen eindeutig „die menschliche, die unterstützende, Sicherheit und Orientierung bietende Funktion besonders der Klassenlehrer fast durchgängig hervorgehoben (…) – das Gros der Erinnerungen ( an die LehrerInnen ) ist (…) äußerst positiv getönt.“ ( S. 20 ) Spricht das nicht gegen Unterdrückung oder Gewalt?

Aber das passt nicht in Grandts Thesen und wird im „Schwarzbuch Waldorf“ verschwiegen.

Was sagt die „empirische“ Studie über die Rolle der Waldorfschule als Weltanschauungsschule?

Der Satz ist schon Kult im Waldorfmilieu: „Der immer neu erhobene Vorwurf, Waldorfschule erziehe zur Anthroposophie, wird durch die Daten eindrücklich widerlegt: Die Mehrheit der Absolventen steht ihr indifferent oder skeptisch gegenüber. (…) Die Absolventen bescheinigen der Waldorfschule auch kaum eine aktive Rolle in der Vermittlung anthroposophischer Überzeugungen, wohl aber eine hohe religiöse und weltanschauliche Offenheit.“ Bei 9% anthroposophisch orientierter bzw. der anthroposophienahen „Christengemeinschaft“ angehörender Elternhäuser an Waldorfschulen sind laut der Studie nur noch 7% der Waldorf-AbsolventInnen von der Anthroposophie überzeugt. Diese unzweideutige Antwort auf Grandts Thesen wird von ihm selbstverständlich ebenfalls verschwiegen.

Zur Frage nach der letztendlichen schulischen Qualität der Waldorfschulen heißt es in der Studie ( S. 90 ): „Trotz der völlig anderen Rekrutierung und fehlenden Selektion durch formale Schulübertritte und ‚Sitzenbleiben‘ u.ä. erreicht diese Schulform ein durchaus mit der staatlichen Schulordnung vergleichbares Leistungsergebnis (…) Dies scheint uns ein Ergebnis, das dem staatlichen Schulsystem zu denken geben sollte.“ – wie, wenn alles „okkult“, unwissenschaftlich, überholt usw. ist? Das „Schwarzbuch Waldorf“ hüllt sich in Schweigen…

Auch andere Ergebnisse müssten Grandt zu denken geben. Er selbst steht völlig ratlos vor dem hohen Engagement der Eltern an Waldorfschulen, dem er ein eigenes Kapitel widmet ( Schwarzbuch Waldorf, S. 99f. ). Müssten die so in den Schulalltag eingespannten Eltern es nicht merken, würde ein „böses“ Spiel mit ihren Kindern gespielt?

Die WaldorfabsolventInnenstudie förderte außerdem die ( im „Schwarzbuch Waldorf“ selbstverständlich ebenfalls nicht erwähnte ) bemerkenswerte Tatsache zutage, dass 14% der Waldorfmütter sowie 12,8% der Waldorf-Väter LehrerInnen sind – LehrerInnen an öffentlichen Schulen. Bei der jüngsten von der Studie abgedeckten Jahrgangsgruppe sogar 20,1% ( d.h. mehr als ein Fünftel der Elternschaft )! Wäre das alles der Fall, wenn Waldorfschulen kruden, okkulten Unterrichtsstoff brächten? Wenn ihre Pädagogik so schlecht wäre? Ich würde sagen: nein. Diese Daten zeigen doch vielmehr, dass LehrerInnen von staatlichen Schulen Methoden und Resultate der Waldorfpädagogik durchaus schätzen können. Aber Grandt schweigt sich auch dazu aus.

Sein Umgang mit den Ergebnissen dieser Studie kann als symptomatisch für seine Arbeitsweise und die Relevanz seiner Behauptungen angesehen werden. Warum ignoriert er wissentlich solch wichtige Befunde, wenn er sich gleichzeitig auf sie beruft? Aber vor allem: warum argumentiert er dann an anderer Stelle mit seiner „journalistischen Sorgfaltspflicht“?

Auch die Ergebnisse der österreichischen Waldorfschulen im PISA-Test ( die deutschen Waldorfschulen nahmen nicht teil… ) sind keineswegs peinlich für die Waldorfpädagogik. 90 Jahre alte Pädagogik kann also doch, jedenfalls irgendwie. Im „Schwarzbuch Waldorf“ findet auch das keine Erwähnung.

Die AbiturientInnen von Waldorfschulen in NRW schrieben dieses Jahr wie die an Gymnasien das Zentralabi und – oh Wunder – schnitten genauso „gut“ oder schlecht ab wie diese? Das hat Grandt zum Rechercheschluss seines Buches vielleicht noch nicht gewusst, aber es spricht ebenfalls gegen seine Thesen.

Und wie erklärt sich das rasante Wachstum der Waldorfschulen in Deutschland und weltweit, wenn nicht aus erfolgreicher ( und das heißt auch, qualitativ wertvoller ) Pädagogik? Immerhin sind die meisten Neugründungen ( nicht-anthroposophischen ) Elterninitiativen zu verdanken. Diese Frage beantwortet Grandt bezeichnenderweise ebenfalls nicht.

Selbst in den Kreisen der Waldorf- und Anthroposophiekritik sticht das „Schwarzbuch Waldorf“ als Sonderfall an Unsachlichkeit und unfairer Berichterstattung heraus. Der Anthroposophiekritiker Helmut Zander beispielsweise stellte zwar wie Grandt die „faktische Dogmatisierung“ der Anthroposophie fest ( bei einigen seiner Ausführungen kann ich ebenfalls nicht zustimmen, aber das bräuchte einen eigenen Artikel ), nahm aber auch die zahlreichen anderen Tatbestände wahr und musste folgern:

Die Erfolgsgeschichte der Waldorfschulen macht klar, dass es bei aller Kritik starke Seiten dieser Schulform gibt (…) schlussendlich lebt die Waldorfpädagogik nicht von ihren Schwächen. Von den Hoffnungen oder guten Erfahrungen der Eltern war nur in Andeutungen die Rede. Es spricht auch viel dafür, dass die teilweise hochmotivierten Lehrer Leistungen (…) erbringen, die viele Eltern an staatlichen Schulen vermissen und dass die musich-praktische Ausrichtung viele kreative Freiräume bietet. (…) Vielleicht muss man die Waldorfschulen, wie Walter Müller [ in „‘Ver-Steiner-te‘ Reformpädagogik“ ] den ‚anthroposophiekritischen Sympathisanten der Waldorfschule‘ nahelegt, ‚trotz Anthroposophie für gute Schulen halten‘.“

( Anthroposophie in Deutschland…, S. 1452-1454 )

Fazit: Wir sehen: An der tatsächlichen Realität der Waldorfschulen scheitern die Verlautbarungen, Spekulationen und eitlen Thesen des „Schwarzbuch Waldorf“ entgültig. Dass lässt an Grandt umsomehr zweifeln, als er selbst die WaldorfabsolventInnenstudie als letzten Trumpf aus dem Ärmel schüttelt. Er leugnet unübersehbare „Erfolgsgeschichte“ der Waldorfschulen sogar noch, indem er sie auf seiner Webseite „vermeintliches Erfolgsmodell“ nennt…

7. Das Schweigen der (Ok?)kultusministerien – Angst oder Inkompetenz der „Staatsgewalt“ – Oder: Ansätze zu einer weiteren Verschwörungstheorie

Ein eigenes Kapitel widmet Grandt – von der Unfehlbarkeit seiner Annahmen natürlich überzeugt – Anfragen an die Kultusministerien, die er fragt, ob und wie sie die Waldorfschulen kontrollieren bzw. was sie zu Steiner, seiner Anthroposophie sagen. Denn den Kultusministerien obliegt schließlich die Schulaufsicht, müssten sie nicht die böse, „okkulte“ Prügelpädagogik stoppen?

Die Selbstverwaltung und pädagogische relative Eigenständigkeit der einzelnen Waldorfschulen sind Grandt scheinbar ein Dorn im Auge ( stattdessen blickt er bewundernd zu Annette Schavan als „oberste(r) Bildungshüterin“ auf. Geradezu entsetzt zitiert er Sigrid Paul:

„Staatlich geführten Schulen ist es (…) wichtig, dass auf allen Stufen und in allen Bereichen des Lernens der Leistungsstand zuverlässig geprüft werden kann. Die Waldorfschulen halten Selbstverwaltung und Gestaltungsfreiheit jeder einzelnen Schule ( sowie Freiheit und Selbsteinschätzung der einzelnen SchülerInnen – A.M. ) für wichtiger als die zentralisierte Überprüfbarkeit.“ ( S. 96 ) Grandt impliziert dabei natürlich unüberprüfbare Zustände pädagogischen und moralischen Grauens.

Entkommen also die Waldorfschulen der Keule der rettenden, rächenden, rechtschaffenden „Staatsgewalt“?

Die überwachenden Kultusministerien helfen Grandt nicht weiter. Aus Bremen heißt es beispielsweise: „Die Vergangenheit Rudolf Steiner(s) ist wie sie ist.“ Die Waldorfschulen aber hätten ein „gutes pädagogisches Konzept.“ ( S. 185 ). Berlin erklärt, dass für die Unterrichtszulassung von WaldorflehrerInnen zusätzlich zur Waldorfausbildung eine universitäre Ausbildung notwendig ist. Ähnlich in Hessen. Hamburg antwortet knapp: Waldorfschulen seien „unproblematisch“, da sei „nichts zu diskutieren“. Mecklenburg Vorpommern will sich scheinbar nicht äußern, Niedersachsens Antwort ist für Grandts Thesen völlig nichtssagend. Saarland betont wiederholt die Gleichwertigkeit des Waldorfunterrichts mit dem an öffentlichen Schulen, „nach hiesigen Erkenntnissen“ flössen „rassistische oder okkult-esoterische“ Inhalte nicht in den Unterricht ein. Thüringen und Sachsen wollen sich ebenfalls „spekulativ“ nicht äußern.

Aus Rheinland-Pfalz hört Grandt, dem Ministerium sei bekannt, dass „Teile des Steinerschen Gedankenguts“ der Waldorfpädagogik zugrundelägen. Er wird an die „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier“ verwiesen. Die erklärt:

„Wie an staatlichen Schulen finden regelmäßig Schulbesuche statt, werden Unterrichtsstunden besucht und in regelmäßigen Abständen Besprechungen abgehalten. (…) Die stattliche Schulaufsicht erteilt nach Prüfung ( Personalunterlagen, Unterrichtsbesuche ) die Unterrichtsgenehmigung für Lehrkräfte. Die Beurteilung erfolgt nach pädagogischen und didaktischen Aspekten.“ Die „zuständigen Schulräte“ hätten auch durchaus „Kenntnisse der Anthroposophie“

– das heißt doch, sie müssten die weltanschauliche Relevanz der Pädagogik erkennen können, was Grandt ja wissen wollte.

Ich hatte in meiner Klasse bisher drei solcher Schulbesuche.

Für Grandt kommt all das ( selbstverständlich ) nicht in Frage. Er meint nur, die Behörden hätten für jedeN offensichtlich „versagt“ ( S. 208 )

Sein letzter Kommentar zum Thema:

„Fast schon könnte man den Eindruck gewinnen, als wären die Behörden ängstlich im Umgang mit Steiner, der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik.“

Sehr mysteriös. Angst ( vor allem: vor was )? Esoterische Indoktrination? Bestechung? Immerhin erspart uns Grandt weitere Ausführungen, sonst käme er noch wie Beckmannshagen zu dem Schluss, wir hätten es in Wirklichkeit mit „Okkultusministerien“ zu tun.

8. Resümee und Ausblick

Das „Schwarzbuch Waldorf“ macht Nichtiges zu Wichtigstem, Wichtiges zu Nichtigem, bläst Theorien zu Wahrheiten auf, ignoriert Sachverhalte, und knüpft noch Zusammenhänge zu christlich-extremistischen Ansichten und Verschwörungstheorien. Es hat nichts neues zu bieten, lässt aktuelle Debatten größtenteils außer Acht und behauptet obendrein, brisant und aussagekräftig zu sein. Die wiederholten Hinweise Grandts auf seine „journalistische Sorgfaltspflicht“ klingen für mich heuchlerisch. Das Buch eignet sich nicht mal zum kritischen „Gegenlesen“ zu polemisch-selbstverherrlichender Waldorfliteratur. Obendrein besteht es großenteils aus ( nicht überall gekennzeichneten ) Zitaten, was auch nicht für Originalität spricht. Das ist sehr schade, da somit viele richtige Ansätze und Fragestellungen – die das Buch zweifelsfrei hat – verschenkt werden.

Das „Gütersloher Verlagshaus“ ist sich der Einseitigkeit der Darstellung bewusst und informiert: „Der Stil des Buchs entspricht dem eines typischen Schwarzbuchs, das ja seiner Definition nach eine Sammlung von Negativbeispielen aus der Sicht des Autors sein soll.“

So ziemlich alles oben angeführte schlug ich dem armen Michael Grandt in einer Mail um die Ohren. Er antwortete ( am 2. Oktober ) mit einem für mich unerwarteten Zugeständnis:

„Bitte nicht den fehler machen: das buch wurde klipp und klar als SCHWARZBUCH konzipiert. kennen sie andere schwarzbücher? dann wissen sie ja, dass diese sich mit missständen und negativbeispielen befassen, sonst wären es ja weißbücher.“

Weiterhin: „jede schule ist autark, es gibt keinen verbindlichen lehrplan, manche lehrer sind anthroposophen, andere nicht (- was für eine Formulierung! Die alberne Haltung „Anthroposophie=böse“ hat damit nichts zu tun – A.M.), das ist unterschiedlich vons chule zu schule, deshalb dürfen sie die beispiele aus dem buch nicht 1:1 auf ihre schule reflektieren!“

Beide betonen, das Buch sei „nur“ eine „Sammlung von Negativbeispielen“ – Ein Teilgeständnis? Jedenfalls fiele dann der eitle Enthüllungsanspruch des Buches weg, sowie die auf dem Klappentext verkündete Werbung: „Eine aussagekräftige Informationsquelle für Pädagogen. (…) Eine handfeste Diskussionsgrundlage für politische Entscheidungsträger.“

Diese neue Haltung von Verlag und Autor gegenüber dem Buch würde die Diskussion um das „Schwarzbuch Waldorf“ auf eine neue Grundlage stellen können, wenn sie die darin vorgebrachten Thesen auch nicht wahrer macht.
Die Waldorf-Zeitschrift „Erziehungskunst“ lässt in ihrer Oktober-Ausgabe zumindest Forderungen hören, die Hoffnung machen: „Wenn aus der Auseinandersetzung um das Grandt-Buch etwas Positives resultieren kann, dann der Aufruf, Ziele und Arbeitsweisen der Waldorfschulen besser (…) kommunizieren.“ Es sei „notwendig, dass die Waldorfschulen ihre Ziele und Methoden, ihre Kriterien, ihre Qualitätsentwicklungs- und -sicherungsverfahren öffentlich und mit der größtmöglichen Transparenz besser als bisher zu kommunizieren.“ So wurde der Mainzer Erziehungswissenschaftler Prof. Heiner Ulrich zu einer Tagung über Qualitätssicherung und Evaluation des Bundes der Freien Waldorfschulen eingeladen. „Nicht zuletzt aufgrund dieser Art konstruktiv verwertbarer Kritik ist die Aufgabe klar: Das Qualitätsmanagement im Bund, an den Seminaren und in den Schulen kann und muss weiter mit Nachdruck verbessert werden. – denn es kann nicht darauf gehofft werden, dass sich weitere Kritiker auf dem Niveau eines Michael Grandt bewegen.“ 120 definitive Falschmeldungen könne der Bund der Freien Waldorfschulen im „Schwarzbuch“ nachweisen. Das halte ich für durchaus möglich, allerdings: warum präsentiert der „Bund“ sie dann nicht, und verklagt Grandt stattdessen?

In meiner Wahrnehmung war seitens des „Bundes der Freien Waldorfschulen“ in letzter Zeit auch nicht viel an „Qualitätsentwicklungs- und -sicherungsverfahren“ zu bemerken. In diesem Sinne ein Nachwort für alle Pro-WaldörflerInnen etc., die jetzt vielleicht erleichtert über die niedrige Qualität und Aussagekraft des „Schwarzbuchs“ sind: WAGT ES NICHT Euch zurückzulehnen! Neben innovativen Waldorfschulen gibt es „versteinerte“, neben engagierten PädagogInnen dogmatisierte!!! Der „Bund der Freien Waldorfschulen“ hat als Reaktion auf das „Schwarzbuch Waldorf“ Kritikunfähigkeit bewiesen, die Ihresgleichen sucht. Beweisen wir ihm – von Grandt ganz zu schweigen – das Gegenteil! An die Verantwortlichen im Bund der Freien Waldorfschulen: Ladet doch Grandt, Lichte und Co. Mal zu Hospitationen in Waldorfschulen ein! Das hätte für diese einigen Erkenntnisgewinn zur Folge und würde Euch vielleicht künftig diverse „Einstweilige Verfügungen“ ersparen.

22. Oktober 2008 at 2:12 am 2 Kommentare

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – aber das hat nicht nur Vorteile!

Neue Inkompetenz in der meist stupide geführten Debatte um die Waldorfpädagogik bieten dieser Tage alle Beteiligten und verwenden mal wieder alle zugänglichen Mittel und Wege. Anlass: Michael Grandts „Schwarzbuch Waldorf“.

Die A-Capella-Gruppe „Wise Guys“ singt in einem ihrer neuen Lieder folgende Zeilen: „Wollt ihr wissen, warum Mann und Frau so unter’nander leiden? Man kann die beiden kaum voneinander unterscheiden!“

Von der Anthroposophie und ihren zahlreichen AnhängerInnen und KritikerInnen hat die Kölner Gruppe wahrscheinlich noch nichts gehört. Diese gäben aber ein Paar ab, auf das der Reim wie angegossen passte: Während die einen die anderen als rechte IdeologInnen oder „Kinderquäler“ diffamieren, hauen die anderen den einen lächerliche Neologismen wie „Linksfaschismus“ und damit zusammenhängende Verschwörungstheorien über die Verdrängung der „bürgerlichen Mitte“ durch ersteren um die Ohren.

Gerichtliche Klagen, unwahre Berichte, Pamphlete, „Studien“, Bücher und Polemiken fliegen hin und her, an verbalen und sogar gerichtlichen Diffamierungen geben sich beide Parteien nichts.

Ein Beispiel von gnadenloser Sinnlosigkeit bietet sich derzeit mal wieder am „Schwarzbuch Waldorf“ und der dumpfsinnigen Reaktion des „Bundes der Freien Waldorfschulen“.

1.Wer, was und warum ist „Schwarzbuch Waldorf“ ?

Einheitsschulen und die Abschaffung von Notenzeugnissen werden heute parteiübergreifend gefordert, das Lernen von Fremdsprachen schon in den unteren Klassen ist allseits als guter Ansatz bekannt. In der Waldorfpädagogik sind diese und andere Ideen schon seit den 20er Jahren Praxis. Waldorf will nicht nur die intellektuelle Bildung der SchülerInnen erreichen, sondern gleichermaßen musische und praktische Fertigkeiten fördern und ausbilden. Theaterprojekte, Unterrichtsfächer wie Holzwerken, Schmieden und Handarbeit, „Jahresarbeiten“ der SchülerInnen zu selbstgewählten Themen und zahlreiche Praktika sollen zu einer „Erziehung zur Freiheit“ beitragen.

Doch hält die Waldorfschule, was sie verspricht? Immer wieder wird Kritk an „Waldorf“ laut, vor allem an seinen Grundlagen: Rudolf Steiner war nicht nur Pädagoge und Impulsgeber für Landwirtschaft, Medizin und den „Wirtschaftsfaktor Brüderlichkeit“ ( Götz Werner ), sondern auch Esoteriker, der von Reinkarnation und Karma, aurischen „Wesenshüllen“ und einer der äußeren Erscheinungswelt zugrundeliegenden „Welt der Ideen“ sprach. Das sollte zwar als persönliche Weltsicht für niemanden ein Problem sein, Steiner führt aber aus dieser Perspektive einige üble Ansichten aus, beispielswiese eurozentristische Stereotype über die Rückständigkeit außereuropäischer Kulturen, die er okkult untermauern zu können glaubte ( vgl. „Die Philosophie der Unfreiheit – Zu Rudolf Steiners Rassismus“ ).

Die VertreterInnen der durch Steiner begründeten „Anthroposophie“ tun sich bis heute schwer damit, sich davon abzugrenzen. Immer wieder heißt es daher in der Kritik, solche Vorstellungen würden auch in den Waldorfschulen tradiert – Zu Unrecht, würde ich als langjähriger Waldorfschüler sagen, und das habe ich gesagt, woraufhin ich mir anhören durfte, ich stünde selber unter dem okkulten Einfluss meiner bösartigen LehrerInnen ( siehe die Diskussionen auf dieser Seite ). Solche Behauptungen sind unbeschreiblich arm und zeigen das Niveau und die kaum vorhandene Sachlichkeit der Vorwürfe.

Aus ähnlichen Vorurteilen heraus wollte diesen September Michael Grandt ein „Schwarzbuch Waldorf“ veröffentlichen. Er gilt als „Spezialist für ‚heiße Eisen‘“, der „Bund der Freien Waldorfschulen“ bezeichnet ihn als „tendenziös und verleudmerisch“, der Historiker und Anthroposophieexperte Helmut Zander hat Grandts bisherige Veröffentlichungen zum Thema Anthroposophie als „unseriös“ kritisiert.

Nachdem er sich am „Eisen“ Waldorf die letzten Male gründlich verbrannt hat, versuchte der Journalist Michael Grandt noch einmal, sich der Thematik angemessen zu nähern. Aber er hatte die stupide Reaktion der Waldorfschulen nicht vorausgesehen, trotzdem er sie schonmal erlebt hat…

Das „Schwarzbuch Waldorf“ selbst ist nicht etwa schwarz, sondern verwaschen-gräulich ( was wohl in etwa dem Unterschied zwischen Anspruch und Inhalt entspricht ), mit hübschem rosa „waldorf“-Schriftzug.

Ich hatte zuerst den Eindruck, ein Buch aus der anthroposophischen Schriftenreihe „kontext“ des info3-Verlages vor mir zu sehen. „Eine Reihe für neue Wissenschaft“, wirbt die info3. Das ist aber nicht auf Sympathie Grandts für Spiritualität, alternative Konzepte oder Esoterik zurückzuführen – im Gegenteil, diese ist für ihn generell böse und unterdrückerisch.

Mit dem „Schwarzbuch waldorf“ soll aber auch die Waldorfkritik einen neuen Anlauf nehmen, eine neue Stufe der Sachlichkeit erobern:

„In ihm kommen auch Vertreter der Waldorfpädagogik und der Anthroposophie zu Wort. Es ist eine kritische Bestandsaufnahme der Waldorfpädagogik und beleuchtet ebenso Rudolf Steiner und die Anthroposophie. (…) Nach zehnjährigen publizistischer Abstinenz zum Thema Waldorfschulen und Anthroposophie soll dieses Buch erneut Anlass zum Nachdenken über diese Form von Pädagogik geben. (…) Michael Grandt erhofft sich durch das Buch eine neue, gesellschaftliche Diskussion über die Waldorfschulen, dessen Begründer Rudolf Steiner und der Frage der Notwendigkeit der staatlichen/steuerlichen Finanzierung dieser Art von Schulen.“

So heißt es auf Grandts Webseite.

2. Der Schlammschlacht erster Teil

Grandt, Waldorf, Anthroposophie und andere schwarze Bücher

Zuletzt sorgte Grandt im Herbst letzten Jahres für Schlagzeilen. Zusammen mit Samuel Althof von der schweizer „Aktion Kinder des Holocaust“ unternahm er gerichtliche Schritte gegen ein Buch Rudolf Steiners, der das Judentum als spirituell durch den „Christus-Impuls“ überholt sah und ihm seine Daseinsberechtigung „innerhalb des modernen Völkerlebens“ absprach – während er selbst zu dieser Zeit als Hauslehrer bei einer „jüdischen Kaufmannsfamilie“ lebte, mit der er sich bestens verstand. Wegen Letzterem und weil Steiner zwei Sätze vor der inkriminierten Stelle meint, das Judentum habe trotz allem immer wieder in die europäische Kulturgeschichte „nichts weiter als günstig“ eingegriffen, behaupten viele AnthroposophInnen bis heute, die Stelle sei einfach nur missverständlich und in Wirklichkeit gar nicht antisemitisch. Das meinte die anthroposophische Seite „Nachsichten aus der Welt der Anthroposophie“ beispielsweise in einem nicht gerade sachlichen Artikel.

Grandt nimmt Kritik leider grundsätzlich nicht so gut auf, dem Autor antwortete er ( sehr höflich und offensichtlich um Klärung bemüht ):

„…Achtung, jetzt begebe ich mich auf ihr Niveau: Sie sind bestimmt auch so ein ausgemergelter, Müsli-essender, verknöcherter Versteinerte[r?], der nicht genug Arsch in der Hose hat, mit einem Kritiker mal Auge in Auge zu diskutieren und zwar sachlich und nicht beleidigend und diffamierend, was ja für Ihre ‚Sekte‘ spricht.? Ich bin gespannt, ob Sie genug E… in der Hose haben, diesen Leserbrief zu veröffentlichen?“[!]

Grandt rechtfertigt dass so: „Ich habe mich (…) nur auf das Niveau dessen begeben, der mich angegriffen hat.“ ( siehe unten ) – eben diese Eínstellung ist das Problem bei der ganzen Sache.
10 Jahre früher. Zusammen mit seinem Bruder Guido hatte Michael Grandt schon einmal ein „Schwarzbuch“ ausgearbeitet. Ein Schwarzbuch zu Rudolf Steiners „Anthroposophie“, mit dem originellen Namen „Schwarzbuch Anthroposophie“. Darin warfen die Gebrüder Grandt Steiner seinen Rassismus vor, darüber hinaus fabulierten sie eigenartige Passagen über Steiners angebliche Mitgliedschaft in sexualmagischen Sekten und Logen, vor allem dem „Ordo Templis Orientis“ ( O.T.O. ) zusammen. Und da der berühmte Satanist Aleister Crowley in letzterem ( im Gegensatz zu Steiner ) tatsächlich Mitglied des O.T.O. war, konstruierten die Grandts auch noch einen „Satanismus“ in die Anthroposopie hinein. Die rassistischen Auswüchse Steiner flössen außerdem in die Waldorfpädagogik ein. Kein Wunder, dass der Historiker Helmut Zander die „Unterstellungen“ des „Schwarzbuch Anthroposophie“ in seinem 2007 erschienenen Mammutwerk „Anthroposophie in Deutschland“ als „unseriös“ bezeichnet. Er widerlegt zumindest das Märchen über okkult-sexualmagische und satanistische Praktiken in Anthroposophie und Waldorfpädagogik. [ Zander, „Anthroposophie in Deutschland“, Vandenhoeck&Ruprecht, 2007, II, S. 986 ]

Die „Anthroposophische Gesellschaft“ und der „Bund der Freien Waldorfschulen“ reagieren auf Kritik grundsätzlich mindestens ebenso heiter, entspannt, gesprächsbereit und ausgeglichen wie Grandt ( d.h. ziemlich wenig entspannt, heiter und ausgeglichen, aber sicher nicht gesprächsbereit! ) und greifen dabei zu allen möglichen und unmöglichen Methoden. Das „Schwarzbuch Anthroposophie“ wies darüber hinaus einige Mängel und Fehler auf – und wurde in pedantischer Weise von anthroposophischen Medien zerpflückt. Dabei ging es auch nicht immer sonderlich fair und sachlich zu.

Zusätzlich beschwerte sich ein von den Grandts als Quelle gebrauchter Autor, Peter König, über deren Recherchen, Behauptungen und Argumentationen, diese seien eine „Zurückdrängung relevanter Fakten durch spekulatives Aufzählen irrelevanter Nicht-Fakten ( z.B. Abschreiben von Abschreibern )“, erlaube „keine Wahrheitskontrolle mehr und mündet in ein endlos fragmentiertes Labyrinth grenzloser Beliebigkeit.“ – was eine anthroposophische Zeitschrift natürlich freudig erregt druckte.

Schließlich klagte die Anthroposophische Gesellschaft gegen das Buch – erfolgreich. Der Verlag musste die Stellen, in denen die Tradierung von Steiners Theoremen in den Waldorfschulen behauptet wurden, per Gerichtsbeschluss schwärzen.

Michael und Guido holten daraufhin zum dritten Streich der eigenartigen Schlammschlacht aus. Sie schrieben ein neues Buch, „Waldorf Connection“, indem sie ihre rücksichtslose Peinigung durch die Anthroposophische Gesellschaft beklagten und ihre Thesen kurzerhand noch einmal veröffentlichten.

Die Qualität ihrer Ausführungen litt dabei – wie schon das Zustandkommen des Buches, als Racheakt, verrät – noch einmal erheblich. Auch das Bild auf dem Cover ( ein zerrissenes Bild Rudolf Steiners ) zeigt das lächerliche Niveau, das die Auseinandersetzung erreicht hatte ( was sie, besonders im Bezug auf Steiners Rassismus, bei so gut wie jeder mir bekannten Gelegenheit tut ).

Ein LeserInnenkommentar von Nicole Leonardy auf amazon.de meint zu dem Buch:

„Da ich mich seit einiger Zeit kritisch mit dem Thema Anthroposophie auseinandersetze, wollte ich die gesamte Literatur kennen, die sich kritisch zur Anthroposophie äußert. Dieses Buch stellt Zusammenhänge zwischen Okkultismus, Satanismus und Anthroposophie in einer unsachlichen polemisierenden Tonalität dar, so dass ich die darin vertretenen Thesen leider nicht ernst nehmen kann.

Die Brüder Grandt vertreten eine Anschauung, die genauso extrem daherkommt, wie jene der in ihrem Buch geschilderten Vertreter der Anthroposophie, sind also in dieser Hinsicht weder weltoffener noch toleranter als Ihre ‚Opfer‘.“

Oben zitierter Helmut Zander kommt in seiner Abhandlung der Literatur rund um Waldorfpädagogik auch auf die unsachlichsten und polemischsten Veröffentlichungen zum Thema ( sowohl pro als auch contra Waldorf ) zu sprechen: „Historische Fakten“ würden in diesen „meist ohne Kontexte und ohne Reflexion auf die Selektions- und Interpretationsprobleme zusammengestellt. (…) Ein relativ krasser Fall von Unseriosität ist die Veröffentlichung von Grandt: Waldorf-Connection.“ [ Zander, Anthroposophie…, S. 1361 ] Grandt selbst bezeichnete das Buch ebenso wie das „Schwarzbuch Anthroposophie“ als schlicht „gesellschaftskritisch“.

Mit dem Hinweis auf diese Debatte versuchen AnthroposophInnen die bösartige und verleumderische Arbeitsweise ihrer KritikerInnen, letztere die gleichfalls bösartige und machtgierige Vorgehensweise von „den Anthroposophen“ zu enthüllen…

3. Schwarzbuch Waldorf – brisante Neuigkeiten oder journalistisches Recycling?

Nun die Ankündigung des neuen Buches 2008. Das „Schwarzbuch Waldorf“ spielt offensichtlich auf das verunglückte „Schwarzbuch Anthroposophie“ an und ist in vielerlei Hinsicht interessant: Welche Neuigkeiten, welche Argumente kann Grandt vorbringen? Welches Niveau haben seine Ausführungen? Wie fällt sein Urteil aus? Wozu ist dieses Urteil gut?

Die bisher erschienenen Rezensionen sind sich mit den ( von Grandt extra benachrichtigten ) Kultusministerien einig, dass das Buch überheblich und ungeschickt ist. Alexander Kissler ( selbst Anhänger der „Die-Große-Waldorf-Verschwörung“-Theorie ) sieht in der „Süddeutschen Zeitung“ aber die „Fragen“ des Buches als berechtigt an ( in meinen Augen sind sie natürlich durchaus berechtigt, aber Grandts Antworten sind nach meiner Information undifferenziert bis falsch ), die anderen RezensentInnen stellen lieber den eigenartigen Aufbau des Machwerks heraus:

Während Grandt „brisantes Material“ versprach, um die Diskussion aufzuheizen, meint Rezensent Heisterkamp: „Gefühlte 50 Prozent des bedruckten Papiers machen hier Auszüge aus Presseartikeln, Büchern und Internetseiten aus, und auch da, wo die Zitate nicht ausdrücklich markiert sind, handelt es sich überwiegend um journalistisches Recycling.“ – ob Heisterkamps Empfinden diesbezüglich richtig ist, sei mal dahingestellt.

Und nichtmal gutes Recycling : Grandt sammle altbekanntes und meist längst aufgearbeitetes, hauptsächlich aus dem Internet zusammen, dabei blieben „die Fakten auf der Strecke“ ( Dorion Weickmann, die ZEIT ).

Grandt wendet alle Mittel und Wege auf, um die Waldorfschulen als versteinerte, pädagogisch miserable Anstalten zu präsentieren, die ihrem Anspruch einer „Erziehung zur Freiheit“ definitiv nicht nachkämen. Völlig offensichtlich sei, dass Waldorfschule „esoterisch-okkulte Weltanschauungsinstitute“ sind.

Dabei wäre sicherlich die 2007 erschienene WaldorfabsolventInnenstudie von Heiner Barz und Dirk Randoll interessant, die kommt diesbezüglich zu folgendem Ergebnis:

„Der immer wieder erhobene Vorwurf, Waldorfschule erziehe zur Anthroposophie ( vgl. Prange 2000 ) wird durch die Daten mehr als deutlich widerlegt. Die Mehrheit der Absolventen steht ihr indifferent bis skeptisch gegenüber. […] Die Absolventen bescheinigen der Waldorfschule auch kaum eine aktive Rolle bei der Vermittlung anthroposophischer Überzeugungen, wohl aber eine hohe religiöse und weltanschauliche Offenheit.“

Grandt ist die Studie bekannt, er zitiert sie sogar zustimmend, allerdings nur in Punkten, die seine eigenen (Vor- und Wert-) Urteile über Waldorfschulen bestätigen können, ( mensch denke an Königs Bezeichnung der „Grandtschen Arbeitsweise“ als „Labyrinth grenzloser Beliebigkeit“ )

Andere erziehungswissenschaftliche Studien, die in der Waldorfschule z.B. eine „Chance zur Individuellen Entwicklung“ gegeben sehen, den das dreigliedrige und selektive Schulsystem momentan nicht biete ( Neue Rottweiler Zeitung ), werden von Grandt scheinbar systematisch ignoriert.

Die RezensentInnen sind sich u.a. deswegen einig, das „Schwarzbuch“ sei eine weitere Publikation in der Reihe unsachlicher Anti-Waldorf-Polemik und bringe deswegen vielleicht ein paar Magazine zu sensationsheischenden Rezensionen, ändere an der Schulwirklichkeit der Waldorfschulen jedoch nichts. Beispielsweise Grandts alte Forderung, Waldorfschulen staatliche Förderungsgelder zu verweigern, weil sie esoterisch, rassistisch und demokratiefeindlich seien, gehört zu diesem Unfug, der aus Steiners 90 Jahre altem Schrifttum und revisionären Haltungen anthroposophischer Institute eine angebliche „Schulwirklichkeit“ der Waldorfschulen konstruiert und die positive gesellschaftliche Resonanz auf die Erfolge der Waldorfpädagogik zum „Mythos“ erklärt. ( vgl. „‘Rassistische Religionsschule‘? – Die Tragik der Waldorfkritik“ ) In „Mythos und Wirklichkeit von Waldorf“, die das „Schwarzbuch“ verspricht, liegt wohl sein größter Irrtum: Mit viel mehr gutem Willen als Können oder entsprechender Sachlage will Grandt die gesellschaftliche Resonanz auf die positive Wirklichkeit der Waldorfschulen zum „Mythos“ erklären – und kreiert dabei eigentlich erst einen Mythos auf Kosten der Wirklichkeit.

Solche „Kritik“ nützt niemandem, außer der Auflage von Büchern und Zeitschriften. – Mit „Waldorf“, wie es 81.000 SchülerInnen täglich erleben, hat Grandts Waldorfkonstruktion jedenfalls praktisch nichts zu tun.

4.Hier die mir bekannten Rezensionen des „Schwarzbuch Waldorf“:

Alexander Kissler: „Sind Waldorfschulen ein Verstoß gegen das Grundgesetz?“Der Autor schließt sich Grandt sensationsheischend an, kritisiert aber „unangenehm eitle Töne und miserable Ausdrucksweise“

Wolfgang G. Vögele: „Abstruses Zerrbild von Anthroposophie – Anti-Waldorfliteratur auf ihrem intellektuellen Tiefpunkt angekommen“ Der Anthroposoph Vögele kritisiert die einseitige, „verleumderische“ und unsachliche Arbeits- und Präsentationsweise Grandts und hat es offenbar zusätzlich nötig, gnadenlos tendenziös die Anthroposophie und Waldorfpädagogik zu preisen.

„Themen der Zeit“: „Schwatzbuch Grandt“ Der Artikel zeigt am Spezialfall Lothar Gassmann, welch bodenloses Niveau zahlreiche Behauptungen und Quellen des „Schwarzbuch Waldorf“ haben – beispielsweise besagter Gassmann. Der enthüllt nämlich viele Dinge: Eurythmie sei nämlich nicht nur dämonisch inspiriert, sondern Homosexualität eine Sünde und ein „seelsorgerisches Problem“, nichtchristliche Religionen und Kulte „Irrlehren“ – am Ende liefe dies noch auf eine „Vereinheitlichung der Menschheit hinaus“…..

NNA: „Verunglimpfung eines Erfolgsmodells“ Die esoterische Website „NNA“ fasst die Kritik des „Bunds der Freien Waldorfschulen“ am „Schwarzbuch Waldorf“ zusammen. Der sieht sich als zukunftstauglich und auch dem von Grandt zurecht kritisierten längst entwachsen – berechtigte Vorbehalte geben sich hier die Hand mit einer selbstgerechten und kontraproduktiven Position!

Jens Heisterkamp, info3: „Waldorf – knallhart retschertschiert“ Heisterkamp nimmt Grandt und sein „Schwarzbuch“ genüsslich auseinander, sieht auch die Notwendigkeit einer Erneuerung der Waldorfpädagogik, hält aber die zu evaluierenden Gebiete paradoxerweise trotzdem für „längst bearbeitet“.

Dorion Weickmann, Die ZEIT: „Dilettant auf Steiners Spuren“ Weickmann urteilt über das Buch: „Die Fakten bleiben auf der Strecke“, das Buch betreibe „brutalstmögliche Aufklärung“. Wie mir Andreas Lichte freundlicherweise mitteilte, ist Weickmann selbst Waldorfschülerin. Ob sie das zur glaubwürdigen Berichterstatterin oder zum Gegenteil macht ( wegen der Rezension wird natürlich wieder die „Beeinflussung durch bösen Okkultismus“-Keule geschwungen ), sei den LeserInnen überlassen. Manche ihrer Aussagen, beispielsweise die, dass der Waldorfschulbund „überdeutlich“ Distanz zu Steiners Rassismus bezogen hätte, kann ich ( bitte bedenken: ebenfalls Waldorfschüler ) nicht feststellen.

Vielleicht urteilt Jens Heisterkamp am tauglichsten:

„Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Gesellschaftlich ambitionierte Projekte wie die Anthroposophie und die Waldorfpädagogik müssen mit Kritik leben. Und mit Michael Grandts Buch kann man gut leben. So gut, dass es sich fast schon unsportlich anfühlt, mit so einem „Gegner“ zu streiten – da gibt es nun wirklich Klügeres zum Thema. Grandts Bild der Waldorfschule als eines okkulten Unterwanderungs-Apparats hat mit Waldorf-Kritik so viel zu tun wie eine Sendung von Galileo-Mystery mit dem Nobelpreis für Physik– ‚im Internet retschertschiert‘ eben.“

Auch das war jetzt nur journalistisches Recycling meinerseits von Rezensionen ÜBER das „Schwarzbuch“. Mit der Frage, warum ich keine eigene schreibe, sondern andere wiederkäue, erreichen wir die bittere Pointe:

5. Der Schlammschlacht zweiter Teil

Doch wenn das Wörtchen wenn nicht wär…

„Gesellschaftlich ambitionierte Projekte wie die Anthroposophie und die Waldorfpädagogik müssen mit Kritik leben…“ Aber sie wollen es nicht! Das haben die hysterischen Reaktionen von VertreterInnen der Anthroposophie und Waldorfpädagogik in vielen Situationen immer wieder bewiesen. Steiners Werk ist nicht nur Impuls- und Ideengeber der Waldorfpädagogik, sondern steht ihr heute leider meist im Wege. Eines der bilderbuch-haftesten Beispiele ist Steiners Rassentheorie: In der „Stuttgarter Erklärung“ von 2007 distanzieren die Waldorfschulen sich eindeutig von Rassismus und verurteilen Diskriminierung – Steiners Rassismus aber wird nur am Rande und als höchstens „aus heutiger Sicht (…) diskriminieren(d)“ dargestellt. Die Anthroposophiekritikerin Jana Husmann-Kastein beispielsweise wurde in einer juristischen Stellungnahme der Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung als „Linkssektiererin“ mit angeblich typisch „linker“ „ahistorischer“ Vorgehensweise verunglimpft.

Nicht gänzlich ohne Grund betonen GegnerInnen der Anthroposophie bei jedem Anlass die „Kritikunfähigkeit“ der Waldorf-Szene. Auch die Reaktionen auf das „Schwarzbuch Waldorf“ erfüllen dieses Klischee:

„Damit wir uns nicht falsch verstehen: es gibt in der Tat vieles zu kritisieren und zu verbessern an Waldorfschulen; manche Gewohnheiten (wie die achtjährige Klassenlehrerzeit) gehören auf den Prüfstand, die Waldorfschule muss sich für zeitgenössische Konzepte öffnen und mit einzelnen rassistischen Äußerungen in Vorträgen Steiners muss man sich weiter kritisch auseinandersetzen“,

räumt der oben bereits zitierte Jens Heisterkamp in seiner Rezension ein. AAAAber sobald es um konkrete Beispiele und entsprechende Agitation geht, ist schnell Schluss mit lustig – und mit legitimer Kritik:

„Als spezielles Angriffsfeld hat sich Grandt noch die Waldorflehrerausbildung ausgesucht – ein natürlich längst auch waldorfintern bearbeitetes Reformfeld“

Dass dieses Reformfeld noch nicht, jedenfalls keineswegs genug bearbeitet ist, hat Andreas Lichte herausgestellt, den Heisterkamp als „den unvermeidbaren, gescheiterten Waldorf-Studenten Andreas Lichte“ vorstellt und auf dessen Meinung er – wie auf die praktisch aller WaldorfgegnerInnen – nichts gibt! Lichte ist nicht etwa gescheitert, sondern hat die Ausbildung am Berliner Seminar für Waldorfpädagogik wie jedeR andere absolviert und kritisiert heute als „ausgebildeter Waldorflehrer“ und entschiedener Gegner derselben Steiners befremdlichen Passagen über die angeblichen Eigenschaften vermeintlicher Menschenrassen oder die Historizität von Atlantis. Auf Lichtes Hinweis, er sei keinesfalls gescheitert, erläuterte Heisterkamp geradezu gran(d)tig, Lichte sei Opfer einer „Gehirnwäsche (…) – die muss heftig gewesen sein, wahrscheinlich bei 90 Grad und anschließendem Schleudergang – und jetzt ist gar kein Hirn mehr da…[!]“

Was immer das sein mag, es ist kein guter Umgang mit Kritik und die schlechtestmögliche Reaktion auf den Hinweis auf einen eigenen Fehler!

Während z.B. auf der großen WaldorflehrerInnentagung in Greifswald im Herbst 2007 kritische Fragen über Waldorfpädagogik und deren Evaluation gestellt und bearbeitet wurden und Anfang dieses Jahres eine weitere Tagung mit diesem Schwerpunkt dazu stattfand, ist dem „Bund der freien Waldorfschulen“ die mögliche Notwendigkeit der Erneuerung der Waldorfpädagogik plötzlich ein Rätsel: im „Schwarzbuch“ werde

„in keiner Weise darauf eingegangen (…), dass die Waldorflehrerseminare seit langem evaluiert werden und wie alle anderen Hoch- und Fachhochschulen derzeit einer starken Veränderung durch den Bologna-Prozess mit entsprechenden Anerkennungs- und Evaluierungsverfahren unterworfen sind.“

„Schwarzbuch Anthroposophie“ nicht genug, der „Bund der Freien Waldorfschulen“ beschloss schließlich mal wieder, den juristischen Weg einzuschlagen und die Auslieferung der Buchs zu verhindern, Begründung: Grandt behaupte ( was tatsächlich mal wieder dämlich ist ), dass die Waldorfschulen „körperliche Züchtigung an Schülerinnen und Schülern“ verharmlost und gerechtfertigt haben.

Genauer geht Alexander Kissler in einem zweiten Artikel für die „Süddeutsche Zeitung darauf ein, wie genau es mit diesem hauptsächlichen „Stein des Anstoßes“ „Stein des Anstoßes ausgesehen haben soll.

Der Anthroposoph Christian Grauer schreibt auf der Seite „Schachtelhalm“ sehr treffend: „Der Bund der Freien Waldorfschulen begeht Selbstmord“. Ich erlaube mir, einige längere Passagen zu zitieren:

„Die Dummheit, diesen faux Pas nun erneut zu begehen, verursacht fast physischen Schmerz. Gibt es denn in Stuttgart keine PR-Berater? Auf solche Aktionen haben Grandt und seine Mitstreiter doch nur gewartet wie ausgehungerte Piranhas, denn sie sind die beste PR für das Buch. Der Enthüllungsanspruch von Grandt, der hinter Waldorf eine rigorose Sekte vermutet, wird dadurch nur bestätigt und die gesellschaftliche Diskussionsunfähigkeit der Waldorfvertreter wird aktenkundig demonstriert. Statt mit einer offenen Debatte voll Esprit und Humor auf die tumbe Agitation von Grandt zu reagieren, begibt man sich noch weit unter dessen eigenes Niveau. Die heren Ansprüche von freiem Geistesleben und Pluralismus, mit dem man sich als Privatschule stets rechtfertigt, weichen einer geradezu spießbürgerlichen Borniertheit. (…)

Diese peinliche Aktion treibt jedem Waldorfschüler die Schamesröte ins Gesicht und sie ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich mit Engagement und Phantasie öffentlich für die Ideen der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik eintreten (…) ich weigere mich als Mitglied einer Waldorfschule, einen solchen Bund als Vertretung anzuerkennen.“

Eine solche Debatte hinterlässt bei mir eine seltsame, leere Müdigkeit. Dass Grandt und Co sich über jedes nachvollziehbare Maß dagegen weigern, die starken Seiten und positiven Erfolge der Waldorfpädagogik und zahlreicher anderer Praxisgebiete der Anthroposophie wahrzunehmen, verblasst in meiner Perspektive momentan vor der sensationellen Inkompetenz, die der „Bund der Freien Waldorfschulen“ in diesem Fall an den Tag gelegt hat!

Sobald sich jemand in der Debatte Pro oder Kontra Waldorf/Anthroposophie äußert, wird er oder sie von einer der beiden Parteien sofort als Feind gebrandmarkt, als böswillig, voreingenommen oder sogar unzurechnungsfähig abgefertigt. Besonnenheit oder Sachlichkeit tun Not. Dabei gibt es diese Besonnenheit bei vielen LehrerInnen, Eltern und v.a. SchülerInnen der Waldorfschulen. Von dieser menschlichen Basis muss der Keim zu einer fruchtbaren Erneuerung des Waldorfpädagogik und einer fruchtbaren Neuformierung ihrer Kritik kommen, das darf einem „Schwatzbuch Grandt“ ( Themen der Zeit ) und ein aufgeblasener, angeblich repräsentativer „Bund“ der Waldorfschulen nicht überlassen bleiben!

18. September 2008 at 6:38 pm Hinterlasse einen Kommentar

Die Philosophie der UN-Freiheit – Zu Rudolf Steiners Rassismus

Ich gehe durchschnittlich viermal am Tag dran vorbei. Vor dem Unterricht, nach dem Unterricht, vor und nach der Mittagspause:

„Die Anthroposophie als Grundlage der Waldorfpädagogik richtet sich gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus. Die Freien Waldorfschulen sind sich bewusst, dass vereinzelte Formulierungen im Gesamtwerk Rudolf Steiners nach dem heutigen Verständnis nicht dieser Grundrichtung entsprechen und diskriminierend wirken.“

Ein merkwürdiger Spruch von einem merkwürdigen Plakat, das seit Ende letzten Jahres irgendwo in jeder deutschen Waldorfschule zu finden sein müsste – an der Freien Waldorfschule Mainz ist das hübsche Ding mit seinem sanften Klischee-Waldorfblau schon irgendwo unter den üblichen Anzeigen, Zeitungsartikeln, Plakaten für Chorauftritte und Ausstellungen, Berichten des Vorstands etc. verschwunden.
Nicht, dass es frisch nach dem Aufhängen jemanden groß interessiert hätte… Oder überhaupt aufgefallen wäre…

Die Stuttgarter Erklärung

Die Stuttgarter Erklärung

Umso trauriger aber ist die Botschaft und die Geschichte, die hinter dem Plakat stecken, die der Waldorfalltag nicht kennt oder ignoriert und der „Bund der Freien Waldorfschulen“ leugnet und vergeblich relativieren will. Ich hatte neulich mal wieder den unerfreulichen Anlass, mich damit auseinanderzusetzen.

Die Rede ist von der „Stuttgarter Erklärung“, die der „Bund der Freien Waldorfschulen“ im Oktober 2007 als Reaktion auf eine lange und fruchtlose Debatte verabschiedete, die dadurch höchstens noch mehr aufgestachelt worden ist. Einer Debatte um die brisante Frage: „War Rudolf Steiner, Begründer der Waldorfschulen, ein Rassist?“ Es gibt viele Meinungen zu dieser Frage, die zumeist polemisch und völlig falsch sind. Ich möchte in diesem Artikel der Frage nachgehen und dabei bei Steiner selbst ansetzen – deshalb werde ich großenteils Zitate zusammenstellen, um eine realitätsnahe Wiedergabe zu erreichen. Darunter leidet natürlich die Einfachheit des Textes

1. Rudolf Steiners Anthroposophie

Waldorfschulen, Weleda, Wala, demeter, GLS-Bank und dm-Drogeriemärkte sind Namen, die wohl jedeR zumindest schon mal irgendwo aufgeschnappt hat. Ihnen allen ist eins gemeinsam: Ihre Konzepte beruhen auf den Ideen eines gewissen Rudolf Steiner, einer der umstrittensten Figuren des letzten Jahrhunderts. Philosoph, Okkultist, Sozialreformer, Hellseher, Wahnsinniger, Betrüger, Genie – es gibt wohl keine Bezeichnung, die Steiner noch nicht beigelegt wurde.
Nach Philosophiestudium und Mitarbeit an der Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes kam er zu der Ansicht, dass Gott seine „eigene Existenz aufgegeben“ habe. Die ganze Welt, alle Naturvorgänge, die Evolution seien Teil dieser kosmischen Ganzheit, die dem erkennenden Indidviduum bewusst werden könne. „Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“ nannte er das.

Würden die der Natur zugrundeliegenden „geistigen Kräfte“ erkannt, könnten sie dem Menschen, der Menschheit und der Erde zunutze angewandt werden. Der Grundgedanke, auf den sich oben genannte Konzepte und Konzerne berufen. Während z.B. die Waldorfpädagogik weltweit fruchtbare Resonanz erfährt, geben sich die anthroposophischen Institute Organe allerdings als fortschrittsresistent, wenn es um den Umgang mit Steiners umfangreichen philosophisch-esoterischen Lehren geht.

Für die hatte Steiner nicht nur auf goetheanistische Naturbetrachtung, sondern auch auf die okkult-esoterischen Ausführungen der Theosophin Helena Blavatsky zurückgegriffen, die, inspiriert durch taoistische Quellen, nach einer „Universellen Lehre“ suchte, die allen Religionen zugrundeliege. Dieser Lehre waren allerdings Gedanken immanent, die den eigenen universalistischen Anspruch in grausigster Weise unterhölten. Gedanken, an die sich die heutige Anthroposophie noch heute klammert…

2. Es war einmal… – Theosophische Geschichtsschreibung

Von Blavatsky ausgehend will Steiner auch die der „Menschheitsentwicklung“ zugrundeliegenden geistigen Kräfte erlebt haben. Er beschreibt die Menschheitsgeschichte als einen Inkarnationsvorgang des menschlichen Ich, das ihm in neognostischer Tradition nicht etwa als Frucht eines langen Weges, sondern als göttlicher „Feuerfunke“ gilt, der aus immateriell-„astralischen“ Höhen in eine urzeitlich-nebelhafte Erdatmosphäre wirkend eingetreten sei. In der Vorzeit sei das Bewusstsein des Menschen aber noch von gänzlich anderer Beschaffenheit gewesen als unseres, traumhaft und unindividualisiert, völlig hingegeben an den Kosmos und seine Umwelt, deren Ab- und Ebenbild er war, so Steiner.
Er beschreibt die Kultur- und Bewusstseinsgeschichte als Prozess der Emazipation von dieser Ganzheit, dafür entwickelten sich individuelles Wollen, Gedächtnisfähigkeit und logischer Verstand. Blavatsky und Steiner integrierten in diese Geschichte Mythen von versunkenen Erdteilen wie Hyperboräa, Lemurien und Atlantis, teilten „Kulturepochen“ und Zeitalter lange vor den frühen Hochkulturen ein, denen sie die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten, die Entstehung uralter Sagenmotive zuschrieben..

In der „nachatlantischen“ oder „arischen“ Zeit ( ab 10.000 v. Chr. ) entwickelte sich erstmalig das einzelne Individuum weiter, es folgte die Entfaltung des Denkens, Fühlens und ( freien ) Wollens. Das vermeintlich isolierte Ich sei zu Irrtum, schrecklicher Selbstsucht und üblen Taten fähig, könne sich als freies Wesen aber auch von seiner Egozentrik befreien und Mitleid und Liebe entwickeln. Das stellten Steiner wie Blavatsky der Menschheit als Aufgabe, die zu meistern sie die „Theosophische“, er die „Anthroposophische Gesellschaft“ gründete.

3. Evolution mal anders: „Der Mensch ließ einen Teil seiner Brüder zurück…“

Nur naive Esoterik mit rosaroter „Gott-liebt-uns“-Brille? Leider nicht!

Im Anschluss an Blavatksy beschreibt Steiner die „Bewusstseinsetappen“ der Menschheit nicht nur als kulturelle Entwicklung, sondern auch evolutive Veränderung der biologischen Beschaffenheit der Menschheit. Er spricht von den jeweiligen „Wurzelrassen“ der verschiedenen „Entwicklungsstufen“. So schreibt er in der Aufsatzreihe „Aus der Akasha-Chronik“ 1904 über die älteste theosophische „Wurzelrasse“, die Menschen des „lemurischen Zeitalters“:

„Nachdem diese durch verschiedene Entwicklungsstufen durchgegangen waren, kam der größte Teil in Verfall. Er wurde zu verkümmerten Menschen, deren Nachkommen heute noch als sogenannte wilde Völker gewisse Teile der Erde bewohnen. Nur ein kleiner Teil der lemurischen Menschheit war zur Fortentwicklung fähig. Aus diesen bildeten sich die Atlantier. – auch später fand wieder etwas ähnliches statt. Die größte Masse der atlantischen Bevölkerung kam in Verfall, und nur von einem kleinen Teil stammen die sogenannten Arier ab, zu denen unsere gegenwärtige Kulturmenschheit gehört. Lemurier, Atlantier und Arier sind, nach der Benennung der Geheimwissenschaft, Wurzelrassen der Menschheit. (… ) Es geht immer eine aus der andern in der Art hervor, wie dies eben in bezug auf Lemurier, Atlantier und Arier angedeutet worden ist. Und jede Wurzelrasse hat physische und geistige Eigenschaften, die von denen der vorhergehenden durchaus verschieden sind. Während zum Beispiel die Atlantier das Gedächtnis und alles, was damit zusammenhängt, zur besonderen Entfaltung brachten, obliegt es in der Gegenwart den Ariern, die Denkkraft und das, was zu ihr gehört, zu entwickeln.“

(heute in GA 11, S. 24f. – im Internet zu finden auf: anthroposophie.net)

„So leben immer Bevölkerungen auf der Erde nebeneinander, die verschiedene Stufen der Entwicklung zeigen.“

resümiert Steiner.

Bei der „Wurzelrassenhypothese“ handelt es sich um ein sozialdarwinistisches Entwicklungsmodell, das H.P. Blavatsky in Anlehnung an Ernst Haeckel entwickelt hatte. Solche biologistischen, linear und hierarchistisch aufgebauten Modelle genossen im 19. Jahrhundert in wissenschaftlichen, aber auch bürgerlichen Kreisen eine erschreckend hohe Popularität.

Tafelzeichnung Steiners

Tafelzeichnung Steiners, GA 100

Die Methode der Wurzelrassenentwicklung beschreibt Steiner kurz und prägnant:

„Der Mensch ließ sozusagen auf seiner Bahn einen Teil seiner Brüder zurück, um selbst höher zu steigen. […] In mancher wilden Völkerschaft haben wir die heruntergekommenen Nachfahren einstmals höher stehender Menschenformen zu sehen.“ [ S. 74 ]

„Man sieht, der Mensch steigt in ein höheres Reich, indem er einen Teil seiner Genossen hinabstößt in ein niederes.“ [ S. 140 ]

Halten wir fest: Die „Arier“ – ein Begriff, den Steiner bald durch „Weiße“ ersetzt – sind die Avantgarde der Entwicklung im „nachatlantischen Zeitalter“. Die anderen Völker, „Rassen“, entsprechen bewusstseinsmäßig ( und, in der Wurzelrassenlehre, damit zusammenhängend: biologisch ) angeblich „früheren“ Menschheitszeitaltern und deren jeweils „zeitgemäßer“ „Rasse“. Sie sind zurückgeblieben und „heruntergekommen“ und für die „vorgeschrittenen Weißen“ gefährlich.

„Nicht absolut brauchen sie zurückzubleiben, aber sie bleiben mit alten Kräften zurück, um diese alten Kräfte später mit der fortschreitenden Evolution in einer anderen Kulturepoche entsprechend in Zusammenhang zu bringen. Man braucht nicht einmal an Wertigkeiten zu denken, sondern nur an Charaktereigentümlichkeiten. Wie sollte denn den Menschen nicht auffallen die tiefe Verschiedenheit, wenn es sich um Geisteskultur handelt, sagen wir der europäischen und der asiatischen Völker. Wie sollte denn nicht auffallen, die Differenzierung, die gebunden ist an die äußere Hautfärbung! (…)
Nur wenn man in einem nicht ganz gesunden Seelenleben befangen ist, kann einem dasjenige besonders imponieren, was als orientalische Mystik die orientalische Menschheit aus alten Zeiten bewahrt hat, wo die Menschen es notwendig hatten, mit niederen Seelenkräften zu leben. Solch ungesundes Geistesleben hat vielfach Europa allerdings ergriffen ( … ) Aber andere Zeiten werden kommen über die Erdenentwicklung, folgende Zeiten. In diesen folgenden Zeiten, da werden veraltete Kräfte mit vorgeschrittenen Kräften wiederum sich verbinden müssen. Daher müssen sie an irgendeiner Stelle bleiben, um da zu sein, um sich verbinden zu können mit den vorgeschrittenen Kräften.“

(GA 174b, S 35ff zit. nach wiki.anthroposophie.net)

Wirklich ein großer Trost. Sogar die „orientalische Mystik“ bringt Steiner mit Hautfarbe und angeblichen „niederen Seelenkräften“ der AsiatInnen in Verbindung. Er verurteilt hier konkurrierende esoterische Praktiken als unzeitgemäß und zurückgeblieben.

An anderen Stellen seines Werkes hat Steiner konkretisiert, wie das mit den Hautfarben genau aussieht, und welche „Eigenschaften“ die angeblichen gegenwärtigen „Rassen“ haben sollen. 1909 schilderte er: „Wenn der Mensch sein inneres ganz ausprägt in seiner Physiognomie, in seiner Körperoberfläche, dann durchdringt das gleichsam mit der Farbe der Innerlichkeit [ der Psyche, der Emotionen ] sein Äußeres.“ ( GA 107, S. 288 )

4. Von Farbigen und „Normalmenschen

„Diejenigen Völker, bei denen der Ich-Trieb zu stark entwickelt war und von innen heraus den ganzen Menschen durchdrang und ihm die Ichheit, die Egoität aufprägte […] wurde die Bevölkerung, die in ihren letzten Resten auftritt als die indianische Bevölkerung Amerikas.“ Ihr Körper sei durch „Egoität verhärtet“, es sei ihnen deswegen unmöglich gewesen, „sich über einen gewissen Grad hinauszuentwickeln“. ( ebd. )
„Diejenigen Menschen aber, die ihre Ich-Wesenheit zu schwach entwickelt hatten, die den Sonneneinwirkunge zu sehr ausgesetzt waren wie Pflanzen: sie setzten unter ihrer Haut zuviel kohlenstoffartige Bestandteile ab und wurden schwarz.“ ( ebd. ) Die „übriggebliebenen Reste“ dieser Menschengruppen seien zu den heutigen Schwarzen geworden, deren „Rassencharakter“ zu verschweigen Steiner einfach nicht übers Herz brachte: „…Von der ganz passiven Negerseele angefangen, die völlig der Umgebung, der äußeren Physis hingegeben ist, bis zu den anderen Stufen der passiven Seelen in den verschiedensten Gegenden Asiens.“

( ebd., S. 290 ). Die UreinwohnerInnen Amerikas mit ihrer verkörperten Egozentrik und den angeblich passiv-unindividuellen Menschen Afrikas und Asiens hätten ihr Ich also in falscher Weise entwickelt und „Aus allen Völkern, die das Ich zu stark oder zu schwach entwickelt hatten, konnte nichts besonderes werden.“ ( S. 293 ) Die Weißen, EuropäerInnen seien die „Normalmenschen“ ( S. 291 ) und „das waren die Grundbedingungen für die spätere Kultur“ ( S. 293 ). Zwischen südöstlicher Passivität und nordwestlicher Aktivität „mitten hineingekeilt“ habe sich allerdings das Christentum, für Steiner der Impuls zum „Höheren im Menschen“, entwickeln können.

Ein Satz Rudolf Steiners aus dem Jahr 1923 bringt das Ganze auf den Punkt: „Die weiße Rasse ist die zukünftige, die am Geist schaffende Rasse“. In dem einschlägigen Vortrag konstruiert Steiner Zusammenhänge zwischen der Hautfarbe(n) der Menschen und deren angebliche Einflüsse auf bestimmte Menschengruppen. Steiner greift auf Grundgesetze der Farbenlehre zurück: Weiße Körper reflektieren das Licht, Farbige, besonders Schwarze, nehmen Licht auf. Das glaubt Steiner auch auf Körperbeschaffenheiten anwenden zu können:

„Der Schwarze ist ein Egoist, der nimmt alles Licht und alle Wärme auf. […] Der Gelbe, von der mongolischen Bevölkerung, der gibt schon etwas Licht zurück, aber er nimmt noch viel Licht auf. […] Er arbeitet nicht so stark mit den Gliedmaßen und dem Stoffwechsel. Der Neger ist viel mehr auf Rennen und auf die äußere Bewegung aus, die von den Trieben beherrscht ist. Der Asiate, der Gelbe, der entwickelt mehr ein innerliches Traumleben, daher die ganze asiatische Zivilisation dieses Träumerische hat. Also er ist nicht mehr so in sich bloß lebend, sondern er nimmt schon vom Weltenall etwas auf. Und daher kommt es, daß die Asiaten so wunderschöne Dichtungen über das ganze Weltenall haben. Der Neger hat das nicht. Der nimmt alles in seinen Stoffwechsel herein und eigentlich verdaut er nur das Weltenall. Der Asiate eratmet es sich, hat es in seiner Blutzirkulation.“

Die Weißen hingegen wiesen Wärme und Licht und Licht zurück und entwickelten „das Menschliche in sich“, d.h. unabhängig von den kosmischen Kräften. So verfügten sie einzig über die Fähigkeit, selbsstständig zu denken. Das habe Vor- und Nachteile, denn es wären die Möglichkeiten zu Egoismus, Materialismus und Unmenschlichkeitgegeben. Den farbigen „Rassen“ bliebe das erspart, sie blieben durch das umnachtete vegetieren in den aufgesaugten kosmischen Kräften „schon innerlich Mensch“. Das selbstständige Denken ermöglicht nach Steiner aber erst das wirkliche Erleben und Nachvollziehen des „Geistigen“ auf individuelle Art, wie im „nachatlantischen Zeitraum“ nötig. Daher gilt die „Weiße Rasse“ als die „zukünftige“.

Tafelzeichnung Steiners, GA 349

Tafelzeichnung Steiners, GA 349

Und wem das noch nicht reicht: In der Vortragsreihe „Die Mission einzelner Volksseelen“, die Steiner 1910 hielt, bringt er nocheinmal Ich-Entwicklung, Menschheitsentwicklung und Rassenentwicklung miteinander in Verbindung. Makabererweise kommen zu allem Überfluss die anthroposophischen „Jahrsiebte“ zum Tragen. „Alle sieben Jahre verändert sich der Mensch“ soll Steiner gesagt haben, dabei geht es um die Entfaltung, die emotionale und mentale Reifung des Individuums. Diesen entsprächen die übersinnlichen Welten an bestimmten Stellen der Erdoberfläche, z.B. „im Innern von Afrika“, wo die Lemurier als älteste Vorfahren des heutigen Menschen ihre „Entwicklungsstufen“ absolvierten,

„An diesem Punkte wirken gleichsam von der Erde ausstrahlend alle diejenigen Kräfte, welche den Menschen namentlich während seiner ersten Kindheitszeit ergreifen können. […] So also wirkt jener Punkt auf der Erde, auf dem der Mensch lebt, am allerstärksten in der ersten Kindheitszeit und bestimmt dadurch diejenigen Menschen, die ganz abhängig sind von diesen Kräften, ihr ganzes Leben hindurch so, daß jener Punkt ihnen die ersten Kindheitsmerkmale bleibend aufprägt. […] – in bezug auf ihren Rassencharakter – […]. Das, was wir schwarze Rasse nennen, ist im wesentlichen durch diese [ d.h. kindliche ] Eigenschaften bedingt.“

In diesem Sinne geht es kurz und bündig weiter:

„Der afrikanische Punkt entspricht denjenigen Kräften der Erde, welche dem Menschen die ersten Kindheitsmerkmale aufdrücken, der asiatische Punkt denjenigen, welche dem Menschen die Jugendmerkmale geben, und die reifsten Merkmale drückt dem Menschen der entsprechende Punkt im europäischen Gebiete auf. Das ist einfach eine Gesetzmäßigkeit.“ ( GA 121, S. 74 )

Aber: memento mori! Denn was wären Jugend und Erwachsenenalter, wenn wir nicht um die „Schrecken“ des Alters wüssten? Steiner

:„Wenn wir dann diese Linie weiterziehen, so kommen wir weiter nach Westen nach den amerikanischen Gebieten hinüber, in jene Gebiete, wo diejenigen Kräfte wirksam sind, die jenseits des mittleren Lebensdrittels liegen. Und da kommen wir — ich bitte das nicht mißzuverstehen, was eben gesagt wird; es bezieht sich nur auf den Menschen, insofern er von den physisch-organisatorischen Kräften abhängig ist, von den Kräften, die nicht sein Wesen als Menschen ausmachen, sondern in denen er lebt -, da kommen wir zu den Kräften, die sehr viel zu tun haben mit dem Absterben des Menschen, mit demjenigen im Menschen, was dem letzten Lebensdrittel angehört. […] Nicht etwa deshalb, weil es den Europäern gefallen hat, ist die indianische Bevölkerung ausgestorben, sondern weil die indianische Bevölkerung die Kräfte erwerben mußte, die sie zum Aussterben führten.“ Aber natürlich alles kein Problem:„In unserer Zeit wird der Rassencharakter aber allmählich überwunden.“ ( ebd. S. 75 )

Leider ein paar Jahrhunderte zu spät für die Indianer, aber besser zu spät als nie…

Ekelhafteste Stereotype, ein kosmologisch gerechtfertigter Determinismus, die Steiner aber nicht sonderlich in seiner Postulierung einer theosophischen ( bzw. anthroposophischen ) Verbrüderung der gesamten „Erdenmenschheit“ gestört zu haben scheinen.

„Heute schon sehen wir, wie im Grunde genommen die Kultur nicht mehr getragen wird von einer führenden Rasse unmittelbar, sondern wie die Kultur sich über alle Rassen ausbreitet. Und die Geisteswissenschaft soll ja gerade dasjenige sein, was ohne Unterschied der Rassen und Stämme die Kultur über die ganze Erde trägt […] Und wenn die Theosophie [ später „Anthroposophie“ ] ihren guten alten Grundsätzen treubleiben soll, so wird sie – trotzdem sie zu ihrem ersten Grundsatze hat, ohne Unterschied von Rassen- und Farbeigentümlichkeiten und so weiter, eine Kultur zu begründen – gar nicht darauf verfallen können, eine Zukunftskultur zu erhoffen von einer einzelnen Rasse.“ ( GA 133, S. 151f. )

Die vermeintlichen rassischen Ungleichheiten glaubte er durch weitere esoterische Ausführungen versöhnt:

I. „Ist das nicht ein ungeheurer harter Gedanke, dass ganze Völkermassen unreif werden und nicht die Fähigkeit entwickeln, sich zu entfalten […]? – Aber dieser Gedanke wird für Sie nicht länger etwas Beängstigendes haben!“ Denn: „Die Rasse kann zurückbleiben, eine Völkergemeinschaft kann zurückbleiben, aber die Seelen schreiten über die einzelnen Rassen hinaus.“ ( GA 104, S. 89 ) Mit anderen Worten: Das menschliche Individuum ist letztendlich unabhängig von sogenannten „Rassencharakteren“, bzw. es sei seine Aufgabe, sich davon frei zu machen:

„Daher muss der moderne Mensch, der einsieht, dass über die ganze Erde hin eine gleichmäßige, nicht nur materiell-wirtschaftliche, sondern Seelenkultur wachsen muss, der muss aus anderen Untergründen als den Völkischen geistig-sittliche Ideen entwickeln. […] Für die ethische Grundlegung der Weltanschauung habe ich das versucht in meinem Buche […] ‚die Philosophie der Freiheit‘. Da ist versucht worden, den Menschen den Weg zu Freiheit und zugleich zur Sittlichkeit zu zeigen, so dass in diesem Buche aber auch gar nichts gefunden werden kann, was aus einer einseitigen, völkischen Richtung herausgeboren wäre […] Da ist wie eine selbstverständliche Note durch das ganze Buch durchgehend, dass der Mensch noch nicht Vollmensch ist, wenn er sich als Angehöriger einer menschlichen Differenzierung fühlt, dass er Vollmensch ist erst, wenn er herauswächst aus dieser Differenzierung.“ ( GA 334, S. 291 )

Dabei bleibt die Abwertung der „überholten“, „heruntergekommenen“ und „dekadenten“ Völker/“Rassen“ allerdings bestehen, sie könnten allenfalls überwunden werden.

II

„Da alle Menschen in verschiedenen Reinkarnationen durch die verschiedenen Rassen durchgehen, so besteht, obgleich man uns entgegenhalten kann, daß der Europäer gegen die schwarze und die gelbe Rasse einen Vorsprung hat, doch keine eigentliche Benachteiligung.“

– sehr versöhnlich….wohlbemerkt: Sie bestünde dieser Äußerung nach, wenn nicht die Reinkarnation einen Ausgleich brächte.

III „Es hat zum Beispiel schon gegenüber der heutigen Menschheit keinen rechten Sinn mehr, von einer bloßen Rassenentwicklung zu sprechen. […] Wir können noch von Rassen sprechen, aber nur in einem solchen Sinne, dass der eigentliche Rassenbegriff seine Bedeutung verliert.“ [ GA 105, S. 184 ]

„Die Rasse ist etwas, was entstanden ist und wieder vergeht. Das Zeitalter, in dem die Rassen sich gebildet haben ist das lemurische und atlantische Zeitalter. Heute haben wir nurnoch die Nachzügler der Rassen. […] Bei den großen Umwälzungen [ zwischen dem atlantischen und nachatlantischen Zeitalter ] war alles das, was [ an Rassen ] auf der Atlantis entstanden war, zusammengewürfelt worden, durcheinandergemischt. Man sollte daher in der nachatlantischen Zeit nicht mehr von Rassen sprechen, sondern von Kulturen.“ [ GA 109, S. 233f. u. 245 ]

Aber bevor das optimistisch stimmt: Die Theorie vom Verschwinden der Rassenunterschiede besagt nicht, dass diese schon verschwunden sind:

„In unserem Zeitraum spielen ja Rasse- und Kulturepoche noch durcheinander. Der eigentliche Rassebegriff hat seine Bedeutung verloren, aber er spielt noch immer hinein. Es ist keineswegs möglich, dass eine jede Mission in gleichwertiger Weise von einem jeden Volk bei uns schon ausgeübt wird. Manches Volk ist besonders dazu prädestiniert.“ ( GA 104, S. 152 )

Ausgehend von den wesentlichen Relativierungen seiner Rassentheorie verurteilte Steiner den Nationalismus, wenn er auch befürchtete, dass der Nationalismus „in der nächsten Zukunft“ als „besonders segensreiches Programm gelten“ würde.

„Daher wird man erleben, wenn dieser Nationalismus wird bauen wollen – er kann ja in Wirklichkeit nur zerstören -, dass die Illusionen, die von der Lüge durch eine schmale Kluft getrennt sind, sich eben fortsetzen werden. Denn soviel Nationalismus in der Welt entstehen wird, so viel Unwahrheit wird in der Welt sein, besonders gegen die Zukunft hin.“ ( GA 185a, S. 77 )

Es sei aber „Schon kein Wahn mehr, sondern eine Tatsache: Das Zerspalten, das Zerklüften der Menschheit in sogenannte Nationen…“ ( GA 162, S. 148 ) Mit dem Steiner überhaupt nichts zu tun zu habe vermeinte….

In anderen Zusammenhängen bezeichnete Steiner sogar die Wurzelrassenlehre als „Kinderkrankheit“ der spirituellen Bewegungen und meinte:

„Das ist das Wesentliche. Deshalb ist es notwendig, daß diejenige Bewegung, welche die anthroposophische genannt wird […] gerade in ihrem Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, daß sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind.“ ( GA 117, S. 151 )

5. Umgang mit und Reaktionen auf Steiners Rassismus

„Steiners Œuvre ist letztlich von einer nicht systematisierten oder hermeneutisch integrierten Ambivalenz gekennzeichnet, in der Unvereinbares und Widersprechendes stehengeblieben ist. Es hängt dabei von den Interessen der Leser ab, ob die Anthroposophie rassistisch interpretiert wird oder nicht. Die Rezeptionsgeschichte bietet Belege für beides.“

stellt Helmut Zander, Historiker und Theologe an der Humboldt-Universität Berlin, völlig zurecht zu Steiners Rassentheorie fest. In meinen Augen sind die antirassistischen Äußerungen Steiners schön, gut und wichtig, sie ändern aber nicht viel an der Aussage und Wirkung seiner rassistischen Stereotype.

2007 veröffentlichte Zander sein monumentales Werk „Anthroposophie in Deutschland“, in dem er den KritikerInnen und VerteidigerInnen der Anthroposophie zur Besonnenheit aufruft:

„Es wäre hilfreich, wenn Anthroposophen zugestehen würden, dass dies [ die Behauptung, Steiner sei rassistisch gewesen ] keine schlicht polemische Aussage ist, sondern in der kontextualisierenden Deutung des historischen Materials gründet. (… ) Es gibt meines Erachtens nur einen Weg, Steiners Rassentheorie zu entschärfen: Indem man sie als zeitgebundene Vorstellungswelt historisiert, sich insowiet davon distanziert und in normativer Hinsicht als Irrtum verwirft. So führt ein Weg von Steiners evolutionär hierarchisierter Rassentheorie zu einer egalitären Philanthropie. Aber vor einer solchen Revision schrecken viele Anthroposophen weiterhin zurück, weil dies den Einstieg in die Kritik von Steiners ‚höherer Einsicht‘ bedeuten würde.“

( Zander, Anthroposophie in Deutschland, Vandenhoeck & Ruprecht, 20007, I, 636f. – eine wirklich gute Rezension zu dem vieldiskutierten Buch lieferte die „Zeit„. )

Die Kulturwissenschaftlerin Jana Husmann-Kastein betrachtet die theosophischen Rassenvorstellungen als säkularisierte, d.h. verweltlichte religiöse Symbolik, in der neognostische Licht-Finsternis-Allegorien in menschliche Hautfarben hineininterpretiert werden. Steiner entwickle, so Husmann-Kastein, „zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem ‚kosmologischen Determinismus‘. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolische Codierungen des Abendlandes deutlich ein. (…) Mich wundert es (…) als historisch arbeitende Kulturwissenschaftlerin weniger, dass es Rassismus im Werk Steiners gibt, als die mehr oder minder durchgängige Verweigerung, dies heute als solches zu benennen und kritisch zu reflektieren.“ [ hu-berlin.de ]

Die „mehr oder minder durchgängige Verweigerung“ seitens der AnthroposophInnen findet sich tatsächlich. Während Steiners Rassismus und von einigen militanten und übereifrigen GegnerInnen ( z.B. Peter Bierl, Michael Grandt – vgl. meinen Artikel „Rassistische Religionsschule?“ ) der Anthroposophie zu deren „Herzstück“ und zum heimlichen und subtilen Unterrichtsinhalt der Waldorfschulen erklärt wird, ist unter AnthroposophInnen Steiners Rassismus noch zutiefst umstritten:
„Vereinzelte Formulierungen“, „Ausrutscher“ Steiners seien in der Tat rassistisch und abzulehnen, heißt es bei den einen. ( Frankfurter Memorandum, PDF ).

Dabei wird allerdings die sozialdarwinistische „Wurzelrassen“-Vorstellung verharmlost. Steiners Rassismus ist kein Ausrutscher, sondern die Konsequenz aus dieser durch und durch evolutionistischen Frechheit.

Aber es kommt – natürlich – noch schlimmer: andere anthroposophische Kreise behaupten, die rassistischen Formulierungen Steiners seien missverstanden und von böswilligen KritikerInnen „aus dem Zusammenhang gerissen“ worden, in Wirklichkeit gäbe es gar keinen Rassismus bei Steiner. Dabei wird versucht, Steiners Rassentheorie durch seine antirassistischen Äußerungen ebenfalls zum Humanismus und zur Philanthropie zu erklären. ( waldorfschule.info )

In diesen Zusammenhang fällt auch die eingangs zitierte „Stuttgarter Erklärung“, die behauptet, Steiners rassistische Äußerungen würden diskriminierend „wirken“. Die unausgesprochene Fortsetzung dessen: „Ja, sie wirken rassistisch, sind es aber selbstverständlich nicht.“ Mir ist das als Waldorfschüler peinlich. Denn während der „Bund der Freien Waldorfschulen“ sich anderem zuwendet, fabuliert derweil wieder einE KritikerIn die Behandlung von Rassentheorien im Unterricht der Waldorfschulen zusammen… Solcherlei Haarspalterei bestimmt die Debatte auf beiden Fronten seit den Neunzigern, was natürlich nicht sonderlich produktiv ist.

Viel zu selten finden sich klare Distanzierungen, wie die des Anthroposophen Felix Hau: „Diese Verquickung von Vor- und Werturteilen, kompletter Ahnungslosigkeit und dümmlichsten Stereotypen mit esoterischen Erläuterungen und dem Anspruch, etwas zur Erhebung des Publikums auf einen von chauvinistischen Vorbehalten freien Standpunkt zu tun, ist in der Tat eine historische Einmaligkeit. Sie ist einmalig überflüssig und völlig kontraproduktiv…“ Hau ist Redakteur der Zeitschrift „info3“, die einen neuen, integral-pluralistischen Kurs innerhalb der Anthroposophie einschlagen will.

„Die Diskussion um Steiners Rassenvorstellungen“ so der oben schon zitierte Historiker Zander „bleibt allerdings im Wesentlichen eine Theoriedebatte, da sie in der Praxis offenbar weitgehend folgenlos waren. Schon die aus vielen Nationen stammenden Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft bildeten ein Widerlager gegen die Engführungen in Steiners Weltbild. Genau diesen «praktischen Internationalismus» haben die Nationalsozialisten den Anthroposophen zum Vorwurf gemacht, während sie Steiners Rassenvorstellungen offenbar nicht wahrnahmen.“ Meint er in einer Rezension zu Ulrich Werners Buch „Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus“ ( akdh.ch )

Aber was für eine („Theorie“) Debatte!

Während die „Stuttgarter Erklärung“ friedlich weiterschimmelt, ohne aufzufallen, haben wir z.B. gerade Deutsch: Nette Gespräche, Kritzeleien auf dem Block und Briefchen, die wohl nicht so viel anders sind als an allen Nicht-Waldorfschulen. Ganz nebenbei lesen und diskutieren wir in Klasse 12 noch Kant: „Dass die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im Ganzen genommen, schon im Stande wären oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel.“ Dem „Bund der Freien Waldorfschulen“ zum Beispiel in Bezug auf Steiners esoterische Rassismen.
Schade, dass aus dem internationalen Engagement und Erfolg der Waldorfpädagogik heraus nicht endlich eine Distanzierung von diesen theosophisch-darwinistischen Albernheiten erfolgt.

6. Ein paar sehr brauchbare Links zum Thema:

Ralf Sonnenberg: „‘Fehler der Weltgeschichte‘: Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners. War Rudolf Steiner ein „völkischer Antisemit“? Kritische Kurzbibliografie und Resümee“
( hagalil.com )

Helmut Zander: „Sozialdarwinistische Rassentheorien aus dem okkulten Untergrund des Kaiserreichs“ ( akdh.ch )

Jana Husmann-Kastein: „Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners“
( religio.de )

Rudolf Steiner: SEEEEHHHHHHHHHHHHHHHHR Lange Liste seiner un-/und/oder antirassistischen Äußerungen. Zusammengestellt von Lorenzo Ravagli ( von wem auch sonst ) ( dreigliederung.de )

siehe auch die im Text angegebenen Links!

Nachtrag vom 8. September 2008:

Ich habe grade einen lieben und lustigen Kommentar der Rudolf-Steiner-Sphäre ( http://www.rudolf-steiner.de ) auf meinen Artikel gelesen. „Martins“ – hat Grauer, der Autor offenbar entdeckt – „lehnt das Waldorf-Konzept keineswegs pauschal ab…“ in der Tat, „Martins“ ist nämlich so überzeugt von der Waldorfschule, dass er auf einer WaldorfschülerInnenseite mitarbeitet, er fragt sich, was Grauer daran so verwunderlich findet. Dieser weiter:“…sondern reflektiert es mit bemerkenswert sachlicher Distanz und unaufgeregter Kritik.“ Dabei habe ich mir auch alle Mühe gegeben.
Er hebt sich dadurch in überaus erfreulicher Weise sowohl von den vielen bornierten Scheuklappenreaktionen der Waldorfszene als auch von den emotional geführten Kampagnen von enttäuschten Aussteigern ab.“ Immerhin! Fragt sich nur, wer die „enttäuschten Aussteiger“ sind? Sollte damit Andreas Lichte ( der 2004 das WaldorflehrerInnenseminar Berlin besuchte ) gemeint sein: „Martins“ stimmt ihm in der Rassismusdiskussion ( in anderen Punkten nicht! ) emotional wie mental zu.
Ich freue mich auf die angekündigte Auseinandersetzung der „Rudolf-Steiner-Sphäre“, welche laut Grauer nicht nur „vereinzelte Stellen“ ablehnen, sondern auch die dahinterstehenden Evolutionsgedanken untersuchen will! Ein Schritt in die richtige Richtung – hoffen wir, dass weit genug und er sich endlich mal weit genug vom „Frankfurter Memorandum“ oder der „Niederländischen Kommission“ zu Steiner Rassismus abhebt! Ich werde das Vorgehen gespannt verfolgen. (Rudolf Steiner Sphäre)

28. August 2008 at 5:16 pm 38 Kommentare


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Ich bin Ansgar Martins, geb. 1991 und war bis Juni 2010 Schüler an der FWS Mainz. Inzwischen studiere ich Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt a. M. Dieser Blog ( dessen "Leitbild" ganz oben rechts ) ist mein persönliches Projekt, um die oft einseitigen und selbstgerechten Pro- und Contra-Positionen in der Debatte um die Waldorfpädagogik und Anthroposophie kritisch zu kommentieren. Ich hoffe, das gelingt, und freue mich über Rückmeldungen jeder Art!

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