Wichtige Hinweise – falsche Prämissen

1. März 2011 at 9:54 am 22 Kommentare

2011 geht scheinbar auch die Rassismusdebatte mal wieder in eine neue Runde – eröffnet von Uwe Werner, der lange das Archiv am Goetheanum geleitet hat und dem wir schon das Standardwerk zum Thema Anthroposophie in der Zeit des Nationalsozialismus verdanken. Das neue Buch bereichert durch neues Material – und bedient leider auch alte Klischees.

Zum Stichwort Steiners Rassentheorie scheint mir inzwischen das Wichtigste geklärt zu sein. Von einer irgendwie „völkischen“ Zielsetzung der anthroposophischen Meditationen oder „Praxisfelder“ lässt sich freilich nicht sprechen. Aber. Der 1861 geborene Steiner übernahm in seiner Wiener Studentenzeit Stereotype über „die Volkseelen“ von tiefsinnigen Deutschen, kindlichen Slawen und innovationsfeindlichen Juden und schrieb sogar selbst kurzzeitig für eine deutschnationale „Wochenschrift“. Nach reflektierteren Deutungen in den 1890ern (Vgl. Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner und die geistige Aufgabe Deutschlands. Geschichte einer Hoffnung, in: Die Drei, 12, 1989, 884; Helmut Zander: Rudolf Steiner, München 2011, 115f.) überführte er diese Vorstellungen in eine an die Theosophie angelehnte esoterische Entwicklungslehre. Hier war die Rede von „Rassen“ als evolutionären Keimzellen der „Erdentwickelung“. Indianer, Afrikaner und Asiaten seien evolutiv überholte Akteure dieser Fortschrittsgeschichte, für die Gegenwart relevant seien dagegen die „Kulturepochen“ der mental fähigsten „weißen Rasse“. Die aktuelle „Bewusstseinsseelen“-Epoche eines von Erzengel Michael inspirierten Mitteleuropa solle schließlich den „Internationalismus“ fördern, was Steiner aber nicht von Äußerungen über die defizienten „Volksseelen“ europäischer Nachbarstaaten abhielt.

In den 90ern erhielten diese „Rassen“-Passagen in Steiners Aufsätzen und Vorträgen erstmals die nötige kritische Aufmerksamkeit, als sich die politische Linke von „grün-braunen“ Allianzen in ihrem Umfeld absetzte – doch die berechtigte Kritik schlug bald in falsche Unterstellungen um. AnthroposophInnen, umgekehrt schnell im Glauben, Opfer „ahrimanisch“-roter Allianzen zu sein, betonten demgegenüber nicht nur die für Steiner zentrale Ich-Philosophie: Viele versuch(t)en bis heute, jene rassisch geprägten Elemente seines Denkens möglichst progressiv umzudeuten. Erst in den letzten Jahren haben Historiker wie Helmut ZanderPeter Staudenmaier und Ralf Sonnenberg Deutungen dieser Rassismen vorgelegt, ohne deren vieldeutiges Schwanken zwischen „Universalismus, Eurozentrik und Germanophilie“ (Georg Otto Schmidt) aus den Augen zu verlieren.

Materialschlacht

Uwe Werners neues Buch ist kaum ohne diese heftige Debatte zu verstehen. In zahllosen Fußnoten (und einem eigenen Nachsatz zu Peter Staudenmaiers jüngst erschienener Dissertation) diskutiert er die bisherigen rassismuskritischen Veröffentlichungen durch und springt zwischen ihren unterschiedlichen Ansätzen. Offenkundig hat ihn besonders der historisch-kritische Ansatz Helmut Zanders beschäftigt. Dem kann er aber nur unter großen Vorbehalten positive Würdigung abgewinnen –  obwohl er selbst realisiert, dass Steiner die „Wurzelrassen“-Lehre „weitgehend aus der theosophischen Literatur übernahm“. Ähnlich bei Peter Staudenmaier. Der hat im Sommer 2010 in den USA eine Dissertation vorgelegt, in der er die Anthroposophie und ihre faktischen Verflechtungen im unübersichtlichen Netz okkultistischer, völkischer und faschistischer Organisationen für die Jahre 1900-1945 untersucht. (Staudenmaier: Between Occultism and Fascism: Anthroposophy and the politics of Race and Nation in Germany and Italy, 1900-1945, Diss., Cornell University 2010 – Neu sind hier neben ungesichteten Materialien vor allem Details zur (unrühmlichen) Geschichte von Anthroposoph_innen im italienischen Faschismus). Werner kann zeigen, dass (und wo) Staudenmaier stellenweise einseitig gearbeitet hat: Während er akribisch Berührungspunkte von AnthroposophInnen mit dem Faschismus (und umgekehrt) untersucht, kommen die Differenzen sowie biographische und Überzeugungsumbrüche zu kurz. Werner liefert hier wichtige Hinweise und Korrekturen, doch scheint mir insgesamt seine Vermutung fragwürdig, dass hinter Fehlinterpretationen Staudenmaiers ein verstecktes „Motiv“ steckt.

Rassenbegriff

Werner sieht auch durchaus,

dass Steiners Äußerungen über „Rassen“ „implizit eine Hierarchisierung von Menschengruppen enthalten … Es ist die Rede von Dekadenz, Degeneration, auf- und absteigender Entwicklung. Diese Äußerungen werden nicht ohne Grund … von Kritikern moniert.“

Selbst betont er aber die klaren Differenzen zum völkischen Rassismus, die er bei Staudenmaier so vermisste. Er beschreibt in der ersten Hälfte seines Buchs vor allem Steiners Kritik an „Rassenidealen“ und biologistischer Eugenik und zitiert Äußerungen, in denen Steiner vehement die Obsoletheit von „Rassendifferenzen“ und den Vorrang individueller Selbstbestimmung vor Blut und Genen betont. Hier sieht Werner ein „Engagement gegen Rassismus und Nationalismus“, das die später formulierte Ethik der Allgemeinen Menschenrechte  teile.

Aus dieser Perspektive heraus verfällt Werner aber einem alten Fehler: dem Versuch, Steiner vor dessen eigenem rassischen Denken in Schutz zu nehmen. So argumentiert er, dieser wollte „nur“ „ein neues, bewusstes Verhältnis zu den“ – wenn auch sekundären – „Rasse-, Volks- und Herkunftsdeterminanten“ gewinnen. Das stimmt zwar, aber Resultat dieses Unternehmens ist eben der monierte Rassismus. Die falsche Prämisse ist die: Menschen ließen sich überhaupt in abgrenzbare „Rassen“ mit unterschiedlichen mentalen Konstitutionen einteilen:

„Rassen sind Resultat, nicht Voraussetzung rassistischer Argumentation“ (so der auch von Werner zitierte Wulf D. Hund).

Chinesen etwa wurden nicht immer für „gelb“, Indianer für „rot“ usw. gehalten, die Inkubation dieser Vorstellungen und Kategorisierungen in Europa durchlief lange soziale Konstruktionsprozesse (ebd. – Auch Denker vor Steiner haben die Unhaltbarkeit des Rassebegriffs dargestellt – etwa Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophiegeschichte der Menschheit, VII, 2.), die Steiner aus den Diskursen seiner Zeit übernahm und esoterisch überformte. Auch Werner kann keine Passage aus dem Hut zaubern, in der sich Steiners Rassentypologie sinnvoll ausnimmt. Nur einmal findet sich die – übrigens schlicht falsche – Behauptung, Steiners reinkarnatorische Neuinszenierung der Ahasver-Legende (der selbstsüchtige „ewige Jude“ Ahasver muss umherirren, oder eben: als Mitglied eines „überlebten Volkes“ reinkarnieren, bis er Christus anerkennt) sei nicht antijüdisch konnotiert [1].

Folgen

Nach diesem durchwachsenen Start eilt Werner im zweiten Teil seiner Studie durch die seltsamen Blüten, die die  inneranthroposophische Rezeptionsgeschichte von Steiners Rassentheorien hervorgebracht hat: Rassismen in den Büchern von Richard Karutz, Ernst Uehli und Sigismund von Gleich –  Alfred Meebold, der Hitler für einen michaelischen Gesandten hielt –  34 Mitglieder der AAG, bei denen sich NSDAP-Mitgliedschaften ausmachen lassen (auch, weil andere Anträge von der Nazi-Partei abgelehnt wurden) – Versuche aus Dornach, das Verbot der deutschen Sektion durch die Betonung von Steiners „arischer Herkunft“ zu verhindern –  die anfänglich begeisterten, aber teils auch beeindruckend kritischen anthroposophischen Bewertungen des Nationalsozialismus (wie bei Albert Steffen und Ita Wegman). Ausführlich etwa werden politisch interessante Tagebucheinträge Steffens zitiert.

Umgekehrt überblickt Werner die nationalsozialistischen Polemiken gegen die Anthroposophie und gleichzeitigen Pläne eines Rudolf Hess, Demeterlandbau und Waldorfschulen weltanschaulich zu entkernen und nationalsozialistisch zu verwerten. Hier erweist sich Werner als der scharfsinnige und differenzierte Historiker, als der er schon 1999 aufgetreten ist. Er erwähnt wieder neues Material und sichtet vergessene Debatten. Allerdings übergeht er u.a. Wegmans rassentheoretische und Rittelmeyers antijüdische Passagen oder Steffens naive Haltung zum italienischen Faschismus [2].

An wenigen Stellen referiert Werner Widersprüchliches: So heißt es erst, der Anthroposoph Erhard Bartsch, der Hess die biodynamische Landwirtschaft schmackhaft machte, sei aus anthroposophischer Überzeugung heraus der NSDAP ferngeblieben. Aber dann wird vier Seiten später erzählt, wie ein Mitgliedsantrag desselben von der Partei abgelehnt wurde. Auch die bisher kaum untersuchte Position Marie Steiners oder Steiners Volksseelenlehre vor 1900 werden komplett ausgespart. Das sind sicher keine absichtlichen Auslassungen des Autors, aber Lücken, die noch zu füllen wären.

Fazit

Einen Paradigmenwechsel in der Rassismusdebatte wird Werners Buch wohl nicht heraufführen. Vielleicht aber zu einem faireren Diskussionsklima beitragen, durch das sich viele der jüngst erschienenen Beiträge zu diesem Thema auszeichnen: Werner, das ist deutlich zu spüren, geht es trotz seiner apologetischen Passagen nicht um Vertuschung, sondern um Wahrheitsfindung und faire Aufarbeitung. Gerade deshalb aber bleibt ein zentraler Punkt: Wer sich auf eine aktuelle humanistische Aufgabe der Anthroposophie beruft, muss auch den Willen aufbringen, sich von den fraglos zeitbedingten, aber dadurch nicht minder manifesten Rassentheorien eindeutig zu distanzieren.
___________________________________________________________________

[1] Zu Ahasver:

Werner (S. 52) findet fernab kontextsensibler Analysen, „dass Steiner sich mit Ahasver nicht als Repräsentant des Judentums, sondern als indivdiduelle Persönlichkeit befasste…“. Das ist Haarspalterei. Fakt ist, dass Steiner ein bekanntes rassenantisemitisches Klischee in theosophischen Vokabeln reproduzierte, ohne Nennung des Kontextes, aber auch ohne Distanzierung davon. Zum Ahasver-Komplex bei Steiner siehe Ralf Sonnenberg: „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ (S. 9f).

[2] Zu Rittelmeyer, Wegman und Steffen:

Rittelmeyer: Deutschtum, Stuttgart 1934, S. 103ff. führt Kapitalismus, „zersetzende Kraft, unfruchtbare Dialektik“ und Materialismus auf  angebliche degenerierte israelische Tugenden zurück und erklärt:

„Materialismus, Egoismus, Intellektualismus wohnen keineswegs bloß in Judenhäuptern. Sie haben dort nur besonders fähige Vertreter.“

Wegman: Aus Michaels Wirken, in: N. Stein v. Baditz (Hg.): Aus Michaels Wirken – Eine Legendensammlung (1929), Stuttgart 1959, S. 12-17, schreibt über die denkerische Privilegiertheit der Indogermanen oder die Unfähigkeit des Judentums, eine äußere Kultur zu bilden, weil es alle völkischen „Kräfte“ für die Züchtung des Leibes Jesu verbrauchte – eine erstaunliche Auffassung, die die jahrhundertelange Tradition dieser freilich existenten Kultur konsequent ausblenden muss. Steffen äußerte sich in Mussolinis eigener Zeitung „Regime Fascista“ positiv über die ethnospirituelle Mission Italiens (so Staudenmaier: Between Occultism und Fascism, a.a.O, S. 423).

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Ein Geschenk zum neuen Jahr? Heiner Ullrichs Biographie „Rudolf Steiner“ „Thilo Sarrazin – Ein Nachfahre der Zigeuner?“

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  • 1. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 11:06 am

    „Zum Stichwort Steiners Rassentheorie scheint mir inzwischen das Wichtigste geklärt zu sein.“

    Das sehe ich anders. Ich vermisse klare Worte von dir. Stattdessen kommt dieser missverständliche Satz:

    „In den 90ern erhielten diese „Rassen“-Passagen in Steiners Aufsätzen und Vorträgen erstmals die nötige kritische Aufmerksamkeit …“

    Wie du weisst, geht es eben NICHT um einzelne Passagen, einzelne Zitate, sondern bei Steiners Rassimus um den Gesamtzusammenhang, das bizarre Modell von Rudolf Steiners „Menschheitsentwickelung“ … höre z.B. Tom Mellett: http://www.ruhrbarone.de/150-jahre-rudolf-steiner-–-„aber-ich-hab’-doch-nichts-davon-gewusst“/comment-page-3/#comment-75816

    Anmerkung AM

    Klare Worte?

    http://www.ruhrbarone.de/rudolf-steiners-rassenlehre/

    Die Philosophie der UN-Freiheit – Zu Rudolf Steiners Rassismus

    Irgendwann mal hast du noch so getan, als wären die dir geläufig und du fändest sie sogar gut. Egal, Meinungsänderungen sind ja legitim 😉

    Der Satz ist nicht missverständlich, sondern ganz absichtlich so formuliert: Steiner hat nicht 360 Bände Rassenlehre abgeliefert, sondern eine Evolutionstheorie mit rassischen Komponenten formuliert (die oben durchaus explizit so zusammengefasst ist), und in guten zwei Dutzend Vorträgen separat Spekulationen über „Rassencharaktere“ etcetc abgeliefert. Dass es da zwei – durchaus verbundene und ineinander übergehende – „Ebenen“ gibt, hat doch auch Jana Husmann-Kastein hervorgehoben:

    „In der näheren Auseinandersetzung mit Steiners Rasseverständnis gilt es zunächst, zwei Ebenen zu unterscheiden: Erstens versteht Steiner ‘Rasse’ als eine der heutigen Menschheit übergeordnete Kategorie, ‘Rasse’ erscheint hier als Bezeichnung für verschiedene Zeitalter
    und ‘Menschheitsstadien’. Dafür steht das sogenannte ‚Wurzelrassensystem‘, das Steiner weitgehend von der Theosophin und Okkultistin Helena P. Blavatsky übernimmt. In diesem (neognostischen) Evolutionsmodell entwickelt sich der Mensch nach Steiner überhaupt erst zu seiner heutigen physischen und seelischen Gestalt. Es beinhaltet einen Prozess vom Geistkörper zum gegenwärtig physisch festen Körper, zum sog. „Knochenleib“, in der fernen Zukunft komme es zu einer erneuten Vergeistigung.

    Neben dem, der heutigen Menschheit übergeordneten Evolutionsmodell der „Wurzelrassen“ versteht Steiner ‘Rasse’ zweitens jedoch zugleich als eine Strukturkategorie der gegenwärtigen Menschheit. Hierbei entwickelt er drei bis fünfgliedrige Modelle, wie ich später skizzieren werde.
    Die erste Differenzierung von heutigen ‘Rassen’ ist nach Steiner in der ‘lemurischen Zeit‘, also im Zuge der dritten Wurzelrasse, erfolgt. …“

    Klicke, um auf Husmann-Kastein%20Vortrag%20HU%20210706.pdf zuzugreifen

    Das hat sie so ähnlich ja auch in ihrem von dir gegengelesenen Buch übernommen. Ich glaube, das ist doch einer der Punkte, in dem wir uns weitestgehend einig sind…

    Antworten
    • 2. jk  |  1. März 2011 um 12:18 pm

      @ Ansgar:

      Es gibt auch eine sehr vereinnahmende Rezension von einem mir unbekannten Autor bei der „Erziehungskunst“:
      http://www.erziehungskunst.de/artikel/sachbuch/rudolf-steiner-zu-individuum-und-rasse/

      Kennst du die, was meinst du dazu?

      Ich finde deinen Artikel gut, weil er kritisiert, aber zuleich die Leistungen sehr fair würdigt. Das aus deinem Munde reißt Mentzel und Co und ihren Verlautbarungen dir gegenüber das Heft aus der Hand. Aber: Ist die Distanzierung neben ihrem systematischen Stellenwert wirklich aktuell praxisrelevant? Welcher anthroposophische Autor GLAUBT denn aktuell an sowas?!

      Anmerkung AM

      Danke für Rückmeldung und Hinweis. Kenne ich, aber was soll ich dazu meinen?

      Nachtrag: Vgl. zur Frage, „wer das glaubt“: https://waldorfblog.wordpress.com/2011/03/13/europaer_2/

    • 3. jk  |  7. März 2011 um 9:32 am

      @ Ansgar:

      Naja – wie findest du die Argumentation (bzw. wie relevant findest du sie) und: wer ist der Autor?

      Anmerkung AM

      Nunja. Die Argumentation finde ich ausgesprochen schwach. Der Autor schreibt:

      „Die Anthroposophie wird von Steiner als Vehikel dieser Individualisierung aufgefasst. Aus dieser Kernüberzeugung ergibt sich ein erhellender Blick auf Steiners Verständnis möglicher somatischer Differenz: sie wird als historischer Untergrund der menschlichen Freiheitsgeschichte lesbar. Steiner ging es bei seinen Ausführungen über Rassen und Völker nie um die Zuschreibung feststehender Eigenschaften, um »Essentialisierung«, sondern gerade um Befreiung von solchen Eigenschaften. Die meisten Kritiker, die Steiner Nähe zum Rassismus unterstellen, blenden diesen entscheidenden Gesichtspunkt aus und gelangen daher zu Interpretationen, die Steiners Intentionen auf den Kopf stellen.“

      Zwar stimmt es, dass Steiner insgesamt auf ein von „Rassen“grundlagen unabhängiges geistiges „Individuum“ abzielte, aber das hebt 1. seine falschen und immer wieder geäußerten „Rassencharakter“-Zuschreibung nicht auf, es ist im Gegenteil 2. sowas wie der Versuch, Individualismus kollektivistisch („Rassen“ seien als Durchgangsstationen wichtig für „Freiheit“) zu begründen. Dabei „essentialisiert“ er durchaus.

      Zum Autor: Das ist ein Pseudonym. Georg Wahrmund stammt aus einem Steinerschen Mysteriendrama.

    • 4. jk  |  9. März 2011 um 2:12 pm

      @ Ansgar:

      Das meinte ich sogar weniger als die Behautung zum Nationalsozialismus:

      „Werner verschweigt nicht die wenigen Einzelnen, die dem Irrtum erlagen, das nationalsozialisitische Regime könne auf Dauer den renitenten Individualismus und Kosmopolitismus der Anthroposophen dulden, aber er zeigt auch, dass auf beiden Seiten das klare Bewusstsein eines unüberwindbaren Antagonismus vorhanden war.“

      Das sagt für mich: Anthroposophen sind nicht den Nazis bzw. dem nationalsozialistischen Rassismus auf den Leim gegangen, sondern haben höchstens unabhängig von Weltanschauungsfragen geglaubt, dass die Nazis die Anthroposophie dulden würden. Du fasst aber zusammen, dass Werners Meinung dazu eher ambivalent wäre:

      „…Rassismen in den Büchern von Richard Karutz, Ernst Uehli und Sigismund von Gleich – Alfred Meebold, der Hitler für einen michaelischen Gesandten hielt – 34 Mitglieder der AAG, bei denen sich NSDAP-Mitgliedschaften ausmachen lassen (auch, weil andere Anträge von der Nazi-Partei abgelehnt wurden) – Versuche aus Dornach, das Verbot der deutschen Sektion durch die Betonung von Steiners „arischer Herkunft“ zu verhindern – die anfänglich begeisterten, aber teils auch beeindruckend kritischen anthroposophischen Bewertungen des Nationalsozialismus (wie bei Albert Steffen und Ita Wegman). Ausführlich etwa werden politisch interessante Tagebucheinträge Steffens zitiert.“

      Anmerkung AM

      Bei Werner überwiegt natürlich die Deutung der Anthroposophie als konsequent antinational(sozial)istischer Weltsicht. Nichtsdestominder beschreibt er die von mir zusammengefassten Fälle. Dass es sie gab, weiß sicher auch der hinter „Wahrmund“ stehende Autor sehr genau.

    • 5. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 12:20 pm

      „Steiner hat nicht 360 Bände Rassenlehre abgeliefert, sondern eine Evolutionstheorie mit rassischen Komponenten formuliert“

      „mit rassistischen Komponenten“ ist falsch:

      die gesamte „Evolutionstheorie“ Rudolf Steiners ist rassistisch.

      Im übrigen: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.“

      Und es ist nicht nur „ein“ Bild, es sind einige, wie du weisst, du benutzt die Bilder ja selber als Illustration, z.B. hier:

      http://www.ruhrbarone.de/rudolf-steiners-rassenlehre/

      Anmerkung AM

      Nunja. Die Evolutionstheorie ist an den Stellen rassistisch, wo sie zur Rassentheorie wird, also sich mit der Genese von vermeintlichen „Rassen“ beschäftigt. Was Steiner als Entstehung von Tieren, Pflanzen, Mineralien beschreibt, funktioniert nach derselben Strukturlogik, in die er auch die „Rassen“ sortiert, ist aber eben keine Rassentheorie.
      Das ist jener haeckelianische Grundgedanke, nach dem Ontogenese Phylogenese ist und die Lebewesen, bevor die Erde fest wurde, Jahrmillionen embryonenhaft in Dunst- und Flüssigkeitszuständen existierten (Alter Saturn, Alte Sonne, Alter Mond), erst in der „Dritten Wurzelrasse“ kristallisiert dieser ganze Komplex zu Materie, und dann gibt es für Steiner die „Rassen“, über die das Bild tatsächlich mehr als 1000 Worte sagt, und die ich, wie gesagt, auch oben beschrieben habe. „Rassen“ sind für Steiner ein Nebenschauplatz der Evolution, anders als etwa für die harten esoterischen Rassisten Guido List und Lanz von Liebenfels oder für Theosophen wie Hartmann und Vollrath, und insofern ist nicht die Evolutionslehre rassistisch, sondern die Rassenlehre evolutionistisch – beides aber strukturell aufeinander bezogen.

    • 6. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 1:08 pm

      Das überzeugt mich nicht. Das hätte mich auch schon nicht überzeugt, als ich noch sehr wenig von Steiner gelesen hatte:

      Im Waldorfseminar noch „Aus der Akasha-Chronik“, siehe das Ende von:

      http://www.ruhrbarone.de/waldorflehrer-werden-–-am-„seminar-fur-waldorfpadagogik-berlin“/

      Allein, was Steiner nur in diesem einen Buch sagt, ist knallharter Rassismus, der auf seiner „Evolutionstheorie“ – der „Menschheitsentwickelung“ – beruht.

      Anmerkung AM

      Genau, und weißt du, warum das jeweils rassistisch ist: Weil es sich mit der Genese von „Rassen“ beschäftigt. 😀

      Irgendwie wird das hier grade mal wieder unfreiwillig komisch.

    • 7. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 1:36 pm

      Ich fand „Aus der Akasha-Chronik“ nicht komisch.

      Als ich das gelesen hatte, stand ich kurz davor, den Dozenten im Waldorfseminar eine zu scheuern:

      Tagein tagaus haben die Dozenten den „Menschenfreund“, den „anthroposophischen Humanisten“ Rudolf Steiner hochleben lassen, und dann liest man so einen Dreck!

      echt too much

      (aber Ansgar muss hier – um jeden Preis ? – seine Überlegenheit zur Schau stellen, und findet es „komisch“)

      Anmerkung AM

      Du hast mich mal wieder nicht verstanden – oder nutzt mal wieder die Gelegenheit zur Selbstbewerbung.

      „Unfreiwillig komisch“ ist natürlich nicht die „Akasha-Chronik“ (hatte ich auch nicht behauptet) oder daraus resultierende Gewaltphantasien deinerseits, sondern unsere sich ewig im Kreis drehende Diskussion.

  • 8. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 11:11 am

    „Wer sich auf eine aktuelle humanistische Aufgabe der Anthroposophie beruft“

    cool !

    Letzte Woche war ich im Deutschlandradio Kultur zu Gast. Für die Sendung hab ich der Autorin die Waldorfschule erklärt, und wie man zum anthroposophischen Humanisten wird:

    http://www.ruhrbarone.de/waldorflehrer-werden-–-am-„seminar-fur-waldorfpadagogik-berlin“/

    Waldorflehrer werden! – am „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“

    Anmerkung AM

    Seltsam war nur, dass in der Sendung so zahme Wortbeiträge von dir kamen. Und dass die Sendung trotzdem nicht auf deinen Kurs einstieg, sondern aktuelle Vorzüge und mögliche Zukunftsperspektiven offen sah. Wenn du jetzt diesen Radiosender zu einer Werbeplattform für Andreas Lichte erklärst, wäre das zwar typisch, aber wie so oft falsch. Grundsätzlich würde ich es aber AnthroposophInnen überlassen, ob sie sich eine humanistische Aufgabe setzen, dann mit entsprechenden Aufarbeitungen, oder eben nicht, den KritikerInnen bleibt es, die Defizite dabei zu benennen.

    Antworten
    • 9. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 12:25 pm

      „Seltsam war nur, dass in der Sendung so zahme Wortbeiträge von dir kamen.“

      Nun ja, ich habe mich eben „differenziert“ geäussert, wie du es dir immer von mir wünscht. Da mach ich es mal so, wie du willst, und dann ist dir wieder nicht recht …

      Und in der Sendung kam ja nur das, was die Autorin bringen wollte. Wenn Julia Eikmann mehr von meinen statements aus dem mehr als einstündigen Interview gebracht hätte, hätte sich Helmut Zander noch lächerlicher gemacht, als es es sowieso schon getan hat.

      ————-

      … und dann gab es im Deutschlandradio Kultur noch einen wichtigen Beitrag, der nicht als „Lichte“ gekennzeichnet wurde. Zitat aus der Sendung:

      „Z5: Zitator:
      Der Neger hat also ein starkes Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige, Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne selber gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben. Im Neger wird da drinnen fortwährend richtig gekocht, und dasjenige, was dieses Feuer schürt, das ist das Hinterhirn.“

      Aus GA 349, wie du weisst. Hier die Vorgeschichte, das Wort „deal“ kam von Julia Eikmann im telefonischen Vorgespräch:

      ………………………………………………

      Von: Andreas Lichte
      Datum: 21. Januar 2011 13:56:12 MEZ
      An: „Eikmann, Julia“
      Betreff: Re: Radio-Interview Anfrage der „deal“

      Sehr geehrte Julia Eikmann,

      hier unser „deal“:

      – ich gebe Ihnen ein interview …

      – und Sie sagen mir, was Sie über diesen Vortrag Rudolf Steiners denken:

      http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=article&id=3709:dritter-vortrag-dornach-3-maerz-1923&catid=247:ga-349-vom-lebens-des-menschen-und-erde-&Itemid=19

      Anmerkung AM

      In der Tat, differenzierte Äußerungen finde ich irgendwie hilfreich. Nur du verurteilst sie normalerweise als Anthropropaganda, deswegen fand ich das überraschen bzw. inkonsequent.

      Andererseits: Hätte sie mehr von Zander gebracht, hättest du dich noch Lächerlicher gemacht. So entstand ein wirklich gelungenes Portrait der Waldorfschule.

    • 10. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 1:00 pm

      kannst du mir mal sagen, wo ich im Deutschlandradio Kultur „Anthropropaganda“ verbreitet habe?

      Vielleicht – vielleicht! – könnte man Helmut Zanders statements so nennen, wie z.B. dieses, Zitat Zander:

      „(…) und es gibt [Waldorf-]Schulen, wo sie vor lauter Reformen kaum noch erkennen, was an denen denn noch anthroposophisch sein soll (…)“

      Zander hat vergessen, die Namen der Schulen zu nennen. Eine hätte mir schon gereicht: Vielleicht hätte ich ja dazu einen Insider-Bericht gehabt?

      Anmerkung AM

      Ich sage das doch sowieso nicht – das waren immer deine Worte.

      Sicher – sicher! – ist gerade diese Aussage Zanders ebendas („Anthropoganda“) nicht, weil er ja positiv hervorhebt, dass mensch nicht erkennen könne, was an diesen Schulen anthroposophisch sein soll. Das ist nicht gerade ein Lob der Anthroposophie, eher im Gegenteil. Dass mensch eine Waldorfschule besuchen kann, ohne von Steiner viel mitzukriegen, und „trotz“ anthroposophischer Grundlagen dort auch eine sehr schöne Zeit verleben kann, wird dich nicht nur das Gros an Zehntausenden (Ex-)Waldorfschülis sagen können, das weißt du ja auch selbst.

      Nach den ominösen unanthroposophischen Waldorfschulen frag‘ doch einfach ihn.

    • 11. Andreas Lichte  |  1. März 2011 um 1:27 pm

      „Dass mensch eine Waldorfschule besuchen kann, ohne von Steiner viel mitzukriegen, und „trotz“ anthroposophischer Grundlagen dort auch eine sehr schöne Zeit verleben kann …“

      Eben das habe ich – „differenzierend“ ? – so gesagt, Deutschlandradio Kultur, Zitat:

      ……………………………………

      „O20: Lichte Weltanschauungsschule ganz kurz 0’33:

      »Der [Steiner] hat diese Schule gegründet, um seine Weltanschauung Anthroposophie zu verbreiten, das ist der eigentliche Grund. Und so funktioniert auch die Schule.«

      Die Kritik von Andreas Lichte, der mit den Inhalten des Lehrerseminars alles andere als einverstanden war, geht über den Rassismus-Vorwurf gegen Steiner hinaus.

      »Es wird nicht offen missioniert, aber die Schüler werden an ein bestimmtes Weltbild herangeführt, das ist für mich Waldorfschule. Die Äußerlichkeiten, ob man Schüler im Epochenunterricht unterrichtet, ist nicht das Problem in meinen Augen …«“

      ……………………………………

      ich wiederhole noch einmal: „Es wird nicht offen missioniert“ !

      und ergänze: „Die beste Missionierung ist die, die man gar nicht als solche bemerkt.“

      So ähnlich hab‘ ich das auch im (unveröffentlichten) Interview gesagt, wenn ich mich recht erinnere (ohne Gewähr)

      Anmerkung AM

      Umso erstaunlicher, dass die angebliche Missionierungsabsicht dann so gründlich fehlschlägt, findest du nicht? Der Wachstum der Waldorfschulen und die Mitgliedszahlen der AAG verhalten sich geradezu umgekehrt proportional: Die einen schießen überall aus dem Boden und produzieren eine große Zahl meist durchaus zufriedener AbgängerInnen, die andere ist überaltert und in beträchtlichen finanziellen Schwierigkeiten, weil kaum neue hinzukommen und die Mitglieder langsam wegsterben.

  • 12. Michel Gastkemper  |  1. März 2011 um 12:32 pm

    Lieber Ansgar Martins,
    Wiederum vielen Dank für diesen fairen Besprechung. Nur eine Frage: Sie schreiben über ‘Versuche aus Dornach, das Verbot der deutschen Sektion’ zu verhindern. Was ist mit dieser ‘deutschen Sektion’ gemeint? Das muss doch ‘Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland’ oder so etwas heissen?
    Michel Gastkemper
    Rotterdam

    Anmerkung AM

    Oh ja, natürlich. Da war ich wohl ins theosophische Vokabular abgerutscht ;-), danke für den Hinweis.

    Antworten
  • 13. Andreas Lichte  |  2. März 2011 um 12:20 pm

    @ Ansgar Martins

    du schreibst: „Umso erstaunlicher, dass die angebliche Missionierungsabsicht dann so gründlich fehlschlägt …“

    Ich habe im Deutschlandradio Kultur gesagt: „… die [Waldorf-] Schüler werden an ein bestimmtes Weltbild herangeführt, das ist für mich Waldorfschule.“

    Das heisst NICHT, dass sich ehemalige Waldorfschüler offen zur Anthroposophie bekennen müssen, oder gar der AAG (dem peinlichen Sekten-Altherren-Club) beitreten würden.

    Man kann auch Einstellungen übernehmen, ohne explizit ein „Glaubensbekenntnis“ abzulegen.

    Die Waldorfschule prägt. Auch das Umfeld, sprich die Eltern. Beispiel:

    http://www.facebook.com/posted.php?id=112155124749&start=0&hash=ee92ffbbcef49cd1337f4cfcc7a48ce3

    „Info3
    Iris Radisch, Literaturkritikerin bei der ZEIT, Waldorfmutter und Info3-Leserin über Rudolf Steiner

    Rudolf Steiner: Der letzte Prophet | Gesellschaft | ZEIT ONLINE
    http://www.zeit.de
    Rudolf Steiner ist der einzige deutsche Idealist, der den Praxistest überlebt hat.“

    Anmerkung AM

    Hast du den Artikel von Radisch gelesen? Da findet sich kein irgendein anthroposophischer Überzeugungsinhalt dargestellt. Wären alle Waldorfeltern so informiert und halbwegs kritisch, wie dieser Artikel, wären wir viel von unserern Problem los.

    Zum Rest. Miriam Gebhardt: „Waldorfschule heute“

    „Nichts darf und kann mehr dem Zufall überlassen werden, die Werte und Ziele, die das eigene Handeln der Erwachsenen bestimmen, sollen möglichst ungebrochen an den Nachwuchs weitergegeben werden. Dabei sind Privat-Kindergärten und -schulen wie die Waldorfschule (und Alternativen gibt es kaum) eine enorme Hilfe, denn sie gewährleisten von vorneherein eine große Homogenität der sozialen Beziehungen. Eltern und Lehrer teilen Haltungen und Lebensstile, und so darf darauf gehofft werden, dass auch die schulische peer group eine Verlängerung der familiären Lebenswelt darstellt.

    Eine Bedingung für das Gelingen von anthroposophischen Schullaufbahnen ist, dass Elternhaus und Herkunftsmilieu sich auf die Weltanschauung der Steinerianer wenigstens in soweit einlassen, dass sie das romantische Kindheitsideal, eine gewisse Askese und Hochschätzung bildungsbürgerlicher Kulturwerte, einen typischen Mittelschicht-Lehrplan und eine gewisse lebensreformerische und antimaterialistische Weltsicht teilen können. Der zeitgenössischen Kindheits- und Jugendkultur sowie der Massenkultur eher abgeneigt, gelingt es Eltern von Waldorfschülern in der Regel, ihrem Kind grundlegende Konflikte zwischen Wertehaltungen in der Schule und im Elternhaus zu ersparen. Auch sind Eltern gehalten, der Forderung nach einer ganzheitlichen Formung des Kinder nachzukommen.“

    https://waldorfblog.wordpress.com/2011/01/20/miriamgebhardt/

    Antworten
    • 14. Andreas Lichte  |  3. März 2011 um 11:05 am

      „Hast du den Artikel von Radisch gelesen?“

      Ja.

      Ich frage mich allerdings, ob du ihn GELESEN hast …

      und warum postest du das Gelaber von Gebhardt?

      Anmerkung AM

      Aber selbstverständlich habe ich ihn GELESEN …

      Das Gelaber von Gebhardt poste ich, weil es, anders als mein Gelaber, kurz und bündig, und anders als dein Gelaber inhaltlich zutreffend ist.

    • 15. Andreas Lichte  |  3. März 2011 um 11:11 am

      Lichte: Man kann auch Einstellungen übernehmen, ohne explizit ein „Glaubensbekenntnis“ abzulegen.

      Mit „Einstellungen“ meine ich auch das, was ich in meinem Gastartikel auf deinem blog beschreibe:

      „»Masern werden von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen …«

      (…) Wie ermittelt man, ob eine bestimmte „Soziale Gruppe“ die selben Überzeugungen teilt? Mit umfangreichen Befragungen? Für die Waldorfschule – bzw. Anthroposophen – könnten das beispielsweise solche Fragen sein:

      – „Glauben Sie an Karma?“

      – „Glauben Sie, dass Ihr Kind, als es noch ein Geistiges Wesen war, Sie für seine Inkarnation als Eltern ausgewählt hat, weil Sie ihm die besten Voraussetzungen für die Erfüllung seines Karmas bieten?“

      Wer antwortet darauf wahrheitsgemäss? Dieses Verfahren scheint doch sehr fehleranfällig. Gibt es vielleicht irgendein objektives, gemeinsames Kennzeichen, das man wissenschaftlich, statistisch, erfassen könnte? Ja:

      Im März 2008 reist das Schulorchester einer Schweizer Rudolf-Steiner-Schule, der „Freien Oberstufenschule Baselland“ in Muttenz, zu einem Konzert in die Salzburger Rudolf Steiner Schule. Der Gastauftritt findet internationale Beachtung: Nicht nur in Salzburg, nein, in ganz Österreich, in Deutschland und Norwegen – überall brechen die Masern aus.

      (…) „Masern werden von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen …“, aber da sage ich Frau Kohnert wirklich nichts neues. J E D E R der mit Impfprävention zu tun hat, weiss das.

      (…)“ vollständiger Artikel: https://waldorfblog.wordpress.com/2010/06/22/„masern-werden-von-waldorfschule-zu-waldorfschule-ubertragen%C2%A0…“/

      Anmerkung AM

      Ja, schon klar. Einstellungen sind halt Einstellungen.

  • 16. Gertrud Kiefer-Volkert  |  2. März 2011 um 3:16 pm

    Denke ich an meine Waldorfkarriere zurück, so erinnere ich vor allem daran, dass viele der Auffassungen, die anthroposophischerseits mit Absolutheitsanspruch vertreten wurden – vor allem die Geheimnistuerei war ziemlich unerträglich – sich bei genauerem Hinsehen als lediglich unkonventionelle bzw. überholte Vorstellungen erwiesen haben: so haben z.B. die in der pythagoreischen Tradition (geometrische Esoterik sozusagen) stehenden und an den Ideen von Kepler ( mysterium cosmographicum) ausgerichteten geometrisch-dynamischen Betrachtungen, mit denen die Idealgestalt der Erdkugel mittels ein- und umbeschriebener platonischer Körper (durch Tetraeder und deren Verwandlungen zu Oktaedern) im Zusammenhang mit dem Keplersterns dargestellt wird, durchaus ihren ästhetischen Reiz – nett und wirklich interessant kann man so etwas finden und auch unterrichtstauglich, doch gibt es viele solcher Bildungsinhalte, die sich in keinem Lehrplan wiederfinden und die im Laufe der Zeit der Selektion zum Opfer gefallen sindl. In den Jahrtausenden der Kulturgeschichte ist schon vieles erfunden und verworfen, vergessen worden.
    (Die oben angesprochenen Inhalte finden sich in einem Beitrag von Hans-Ullrich Schmutz in dem Werk von Christoph Göpfert (Hrsg.) „Das lebendige Wesen der Erde“ Zum Geographieunterricht der Oberstufe, Stuttgart 1999 – Verlag Freies Geistesleben)
    Die Frage, ob solche Geometrisierungen außerschulisch (etwa militärisch oder durch geheime Verbündungen ) genutzt werden können, eine interessante Frage, die zu manchen Spekulationen Anlass gibt – Stoff für science fiction ließe sich daraus jedenfalls genug schöpfen.
    Zurück zur Schule: Schon aus Zeitgründen ist es immer eine Auswahl, was unterrichtet wird, in den staatlichen Schulen wie in den Waldorfschulen gibt es da Diskussionen um weltanschauliche Positionen, die in den Unterricht Einzug halten: Was für die einen Relevanz, sogar absolute Priorität hat, gilt anderen als anachronistisch, als unwichtigt: Argumente müssen daher auf den Tisch.

    Der Lehrplan der öffentlichen Schulen zielt auf Allgemeinbildung ab und hat auch den Anspruch, in gewissem Maße und pädagogisch vereinfacht das Meinungsspektrum der gegenwärtigen Wissensgesellschaft abzubilden. Dass im einzelnen durchaus weltanschauliche Faktoren eine Rolle spielen, wird keineswegs geleugnet, denn Neutralität gibt es in der Wissenschaft letztlich nicht , es wird verhandelt und abgestimmt, was in den Lehrplan aufgenommen wird. Darin besteht nicht zuletzt die demokratische Verfasstheit öffentlicher Pädagogik.
    Das Risiko, dass dabei alle am Entschluß Beteiligten irren, ist nicht vollständig ausgeschlossen.
    Unter welchem Paradigma welche Pädagogik steht, ist ein weiteres ergiebiges Thema, das einigen Konfliktstoff birgt: auch da zählen Argumente, sind es Entscheidungen.

    Antworten
  • 17. Andreas Lichte  |  4. März 2011 um 11:44 am

    „Uwe Werner, the latest version of the Steiner’s-racial-theory-is-profoundly-anti-racist line“ …:

    ……………………………………………………………..

    http://groups.yahoo.com/group/waldorf-critics/message/17648

    Hi all,

    some of the German readers out there know about the new book by anthroposophist Uwe Werner, the latest version of the Steiner’s-racial-theory-is-profoundly-anti-racist line. The book also gives a lot of attention to the role of anthroposophists in the Nazi era, the subject of Werner’s earlier book from 1999. The new book is worth looking at as an example of anthroposophical efforts to come to terms with external scholarly scrutiny.

    There is a recent thoughtful review of Werner’s new book at Ansgar Martins‘
    Waldorf blog; I recommend it to anybody who reads German:

    [Link zum „waldorf blog“]

    Peter S.

    Antworten
  • 18. Gertrud Kiefer-Volkert  |  12. März 2011 um 5:19 pm

    Ein neues Buch zur nordisch-germanischen Mythologie ist erschienen: Gundula Jäger: Die Bildsprache der Edda. Vergangenheits- und Zukunftsgeheimnisse in der nordisch-germanischen Mythologie. Stuttgart, 2010.

    An dieser nordisch-germanischen Mythologie stößt man sich gerne, ist sie doch wesentlicher Bestandteil der Naziideologie gewesen und kann daher schwer ohne Anflüge negativer Assoziationen betrachtet werden.
    Die Frage, welchen Stellenwert Steiners Ideenwelt
    beim Aufbau dieser Ideologie spielte, eine gute.
    Kurz sei rekapituliert:
    Rudolf Steiner tritt aus der christlich-abendländischen Tradition heraus, schneidet sich von deren auch tiefenkulturell bedeutsamem jüdischen Ursprung ab und stützt sich ersatzweise auf die heimisch-heidnische Götterwelt sowie die östlich-theosophische Weisheit – und stimmt damit wesentlich mit der Naziideologie überein.
    Die Vermutung, dass Steiners Ideenwelt, seine Vorträge und Schriften viele Bausteine lieferten, aus denen sich das Ideengebäude des Nationalsozialismus zusammensetzte, bietet sich an. Hat er geahnt, welch gigantischer Missbrauch mit seinem Vermächtnis getrieben wurde? Gewollt hat er es sicher nicht.

    Anmerkung AM

    Sehr geehrte Frau Kiefer-Volkert,

    Es würde ein eigenes Buch brauchen, um diese Behauptungen richtig zu stellen!

    Nur so viel: Steiner hat sich schon quantitativ selten mit der germanischen Mythologie beschäftigt, und wenn, dann nur oberflächliche Parallelen genannt oder behauptet. Da lässt sich nicht von einer großartig „germanisch“ durchdrungenen Esoterik sprechen, höchstens von Versuchen, sie von Zeit zu Zeit germanisch zu übertünchen. Das ist auch das Problem bei den Analysen von Staudenmaier oder Peter Bierl, dass sie sich in germanophilen Einzelheiten verlieren und übersehen, dass Steiners „Deutschtum“ eben keinen „Germanen-Christus“ usw. darstellt, sondern eine „Michaelsmission“ im Ton des Deutschen Idealismus annimmt.

    Die Parallelen zum Nazidiskurs sind ähnlich oberflächlich. Die Nazirassentheorie ist dualistisch: Am Anfang herrschen die Arier – es gibt Kampf und Rassenmischung – die Arier gewinnen und herrschen wieder. Der omnipräsente theosophisch-zyklische Fortschrittsgedanke bei Steiner steht sozusagen das andere Ufer rassistischer Überzeugungen: Es geht nicht um eine „Urrasse“, die die Herrschaft wiedergewinnen soll, sondern um einander überholende Akteure eines globalen Staffellaufs der „Höherentwicklung“. In den konkreten Details zu „Volksseelen“ oder kosmischer Urgeschichte gab es dann freilich strukturelle Übereinstimmungen.

    Steiner hatte keinen Einfluss auf den Aufbau der Naziideologie. Es gab die benannten Parallelen und einzelne Nazis, die sich für die anthroposophischen „Praxisfelder“ interessierten sowie einige AnthroposophInnen, die für Hitler schwärmten.

    Antworten
  • […] Gesellschaft am Goetheanum, den Historikern Michael Rissmann und Uwe Werner (vgl. Wichtige Hinweise – falsche Prämissen) sowie Mechtild Oltmann, Pfarrerin der Christengemeinschaft, war das Podium kompetent besetzt. […]

    Antworten
  • […] Inspirationen des Nationalsozialismus in anthroposophischen Zirkeln herumgereicht (so Uwe Werner: Rudolf Steiner zu Individuum und Rasse, 57ff.). Für viele anthroposophisch gebildete erzeugten die Ausführungen Ravenscrofts sicher […]

    Antworten
  • 21. Die unendliche Geschichte | Waldorfblog  |  9. November 2014 um 3:06 pm

    […] (auch unter Anknüpfung an Peter Staudenmaier), die Rolle der Anthroposophie im Nationalsozialismus thematisiert. Staudenmaier selbst hat vor Kurzem noch einmal alle Beteiligten zum fairen Streit […]

    Antworten
  • 22. Die Rache des Steiner-Verlags | Waldorfblog  |  9. November 2014 um 11:47 pm

    […] aber es bleibt die falsche Annahme, es habe überhaupt jemals “Rassen” gegeben (vgl. Wichtige Hinweise – falsche Prämissen)! Und mit der Behauptung, dass der Rassenbegriff seine Bedeutung “verliert”, impliziert […]

    Antworten

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Hallo allerseits,
Ich bin Ansgar Martins, geb. 1991 und war bis Juni 2010 Schüler an der FWS Mainz. Inzwischen studiere ich Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt a. M. Dieser Blog ( dessen "Leitbild" ganz oben rechts ) ist mein persönliches Projekt, um die oft einseitigen und selbstgerechten Pro- und Contra-Positionen in der Debatte um die Waldorfpädagogik und Anthroposophie kritisch zu kommentieren. Ich hoffe, das gelingt, und freue mich über Rückmeldungen jeder Art!

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Jeder Artikel kann kommentiert werden. Da ich aber bei Internetdiskussionen zu diesem Thema schon einiges an widerlichen Unterstellungen und Beleidigungen von pro- wie antianthroposophischen Seite gelesen habe, werden die Kommentare aber vor ihrer Veröffentlichung geprüft und ich behalte mir vor, sie ggf. zu kürzen oder nicht freizuschalten. Ich will damit niemanden "zensieren", sondern versuchen, eine faire und möglichst sachliche Diskussionskultur zu schaffen.

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Da ich dieses Risiko gerade bei den bekannten Verstiegenheiten anthroposophischer Websites nicht eingehen will, distanziere ich, Ansgar Martins, mich hiermit vorsorglich von ausnahmslos allen Gestaltungen und Inhalten sämtlicher fremder Internetseiten, auch wenn von meiner Seite ein Link auf besagte Internetseite(n) gesetzt wurde.

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