Die Mächte des (L)ICH(ts) – Symptome der Steinerschen „Geisterkenntnis“. Eine philosophische Stellungnahme

22. September 2009 at 8:22 pm 50 Kommentare

Der Mensch ist weder Tier noch Engel, aber das Schicksal will es, dass, wer einen Engel aus ihm machen will, ein Tier aus ihm macht.

– Blaise Pascal

Der Affe stammt vom Menschen ab. Wer die Existenz der geistigen Welt leugnet, zeigt damit nur, dass er seine Organe der höheren Erkenntnis noch nicht entwickelt hat. Nur wer in einem nicht ganz gesunden Seelenleben befangen ist, kann dasjenige imponieren, was als orientalische Mystik die orientalische Menschheit aus jener Zeit bewahrt hat, als die Menschen es nötig hatten, mit niederen Seelenkräften zu leben.

All diese und noch mehr heitere Aussprüche stammen von Rudolf Steiner, von dem in sehr vielen Artikeln auf diesem Blog die Rede ist. Der Rudolf Steiner, auf dessen Gedankengut etwa Grundeinkommensinitiativen, biodynamische Milch oder Dr Hauschka-Kosmetik, Waldorfschulen und ein paar schöne Gedichte von Christian Morgenstern zurückgehen. Welcher rote Faden zieht sich von Letzterem zu den oben aufgelisteten obskuren Phantasien? (vgl. Der Schatten einer Seifenblase) Wieso hinterlässt ein Mensch ein 360-bändiges Lebenswerk mit dem Inhalt einer Evolutionslehre, in der Götter und Dämonen über Jahrmillionen die Sakrifizierung des menschlichen ICH zum Ziel haben? Wie kann mensch dieses Werk beurteilen und wie aus allen übergestulpten Terminologien eine philosophisch-psychologische Deutung finden?

„Und die Finsternis hat es nicht erfasst…“ – Steiners Kindheit

In seiner spirituellen Autobiographie „Mein Lebensgang“ schildert Steiner sein Leben als rein geistigen Werdegang. Auch die Schilderung seiner Kindheit wird überlagert von philosophischen und esoterisch-gnostischen Sequenzen. Das, was man über den kleinen Rudolf erfährt, mutet sehr seltsam an. Steiner, geboren im heutigen Ungarn, war offenbar schon als Kind sehr in sich gekehrt und einsam. So beschreibt er rückblickend in seinem „Lebensgang“ über eine „Rangfolge“ der Kinder in seinem Dorf: „An dem Verhältnis zu diesen Nussbäumen bildete sich eine Rangordnung unter den Kindern der Schule aus ( …) stufenweise nach abwärts – bis zu mir, der als ‚Fremder im Dorfe‘ kein Recht hatte, an dieser Rangordnung teilzunehmen.“ Wir erfahren über die Technik im Pottschacher Bahnhof mehr als über seine Eltern, nur ein Satz richtet sich an seine Geschwister, von denen uns sonst in der uferlosen anthroposophischen Literatur nur ein kurzer Verweis auf einen jüngeren Bruder, „der völlig taubstumm und schwachsinnig[!] war“, überliefert ist (abgedruckt in Wolfgang G. Vögele (Hrsg.): „Der andere Rudolf Steiner – Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen“, Pforte Verlag, Dornach 2005, S. 25). Was war in der Familie vorgefallen?

Offenbar bestand jedenfalls eine starke Störung in Steiners Beziehung zu seiner Familie, schon in diesem Alter. Ebenfalls kein einziges Wort hören wir über FreundInnen und SpielgefährtInnen, erfahren dagegen: „Rein im Geiste etwas erfassen zu können können, das brachte mir ein inneres Glück. Ich weiß, dass ich an der Geometrie zuerst das Glück kennengelernt habe[ kursiv – A.M. ].“ Steiner flüchtete sich vor einer ungeliebten, abweisenden Außenwelt in eine „geistige Welt“ abstrakten Lichtes, unabhängig von der menschlichen Existenz: „…ich muss auch sagen: ich lebte gern in dieser Welt. Denn ich hätte die Sinnenwelt [ schon als Kind! ] wie eine geistige Finsternis um mich empfinden müssen, wenn sie nicht Licht von dieser Seite bekommen hätte. [ kursiv – A.M. ]“ Er floh in das schatten-, affekt- und gefühllose Reich des göttlich gedachten ICH.

Das Licht des ICH in der Finsternis der Sinnenwelt in einem Fenster am Goetheanum

Das Licht des "ICH" in der Finsternis der "Sinnenwelt" in einem Fenster am Goetheanum

Nachdem er von der Philosophie Kants als „Lichtquelle“ dieser Art enttäuscht wurde, kam dem 19-jährigen Steiner (bzw. seinem mentalen Teil auf Kosten seiner restlichen Person) die Erleuchtung symptomatischerweise in den Ich-Philosophien Fichtes oder Schellings („Spirituelle Grundlagen„), die er mit in der Tat beeindruckender Perfektion fortbildete. Und das sei betont: diese Perfektion, geschildert in Steiners philosophischen Schriften, ist beeindruckend. Aber sie besteht leider ausschließlich in der Schilderung eines denkerisch-geistigen. Der Rest des Menschen erschein oft nur als finstere, unerleuchtete „Enge des eigenen Wesens“ (Philosophie der Freiheit).

Abgespaltene Biographie

Die seltsame Abspaltung dieses Irdisch-Menschlichen taucht in merkwürdigster Form eher zwischen den Zeilen auf: Wenn Steiner etwa in seiner Autobiographie berichtet, erst in den Zwanzigern in seine „Spielphase“ gekommen zu sein, in seiner eigenartigen Beziehungen zu Frauen, wie sie in den fast mütterliche Positionen einnehmenden Figuren von Marie Sivers und Anna Eunike zu sehen ist, die völlige Verdrängung seiner Familie (zu seinen Geschwistern etwa hatte Steiner später überhaupt keinen Kontakt mehr), die Konstruktionslogik seiner Rassentheorie, seine merkwürdige zwischenmenschliche Isoliertheit (entweder die Menschen vergötterten ihn bzw. seine Visionen, oder sie hassten ihn wie viele Kritiker oder die ihm abgeneigte Fraktion der TheosophInnen): kaum eine Person stand ihm nah, und wenn, dann scheint das wie der Rest seiner Biographie aus seinem „geistigen“ Bewusstsein verbannt worden zu sein. Das tragische Fazit fand Steiner in seiner Autobiographie „Mein Lebensgang“:

„…Mein geistiger Werdegang ist ja ganz unabhängig von meinen Privatverhältnissen. Ich habe das Bewusstsein, er wäre der ganz gleiche gewesen bei anderer Gestaltung meines Privatlebens.“ (GA 28, 1982, S. 80)

Wenn das auch perfekt auf Steiners ICH-Absolutismus jenseits aller „Banalitäten“ wie der eigenen Biographie passt, ist es doch eine naive Annahme: Was wäre aus Steiners Weltanschauungskosmos geworden, wenn die Kinder in Neudörfl ihn in ihre Spiele integriert hätten, was wären seine biographischen Stationen ohne die Familie Specht, Karl Julius Schröer, John Mackay oder Von Brockdorf gewesen? Was wäre mit der Theosophie ohne Marie Sievers? Wo die anthroposophische Medizin ohne Ita Wegmann? Was ohne Edith Maryon, Emil Molt, die Opposition zu Annie Besant etc. etc.?

Das kristallklare „Licht“ des Ich aus den Finsternissen seiner Kindheit, nun in Gestalt theosophischer Engelshierarchien, Elementargeister und Dämonen, vergangener Evolutionsstufen und deren Überbleibseln in unseren aurischen Körperhüllen, trug Steiner in sein anthroposophisches Lebenswerk. Er predigte die Verwandlung der für ihn dreifachen Körperlichkeit (physisch-vital-emotional) des Menschen in eine neue, geistige Existenzform („Geistselbst“, „Lebensgeist“, Geistesmensch“), und hier schließt sich der Kreis: Diese „Vergeistigung“ geschieht durch den gnostisch konstruierten „Feuerfunken“ des menschlichen Ich, das ein „leibfreies“, d.h. auch körperablehnend-affektloses, Denken entfalte.

Natürlich gibt es auch Gegentöne, aber wieder an symptomatischen Stellen: Einen Versuch, die autistische Festung des manichäischen Geisterkerns „ICH“ zu verlassen, kann mensch (trotz ihrer Anthropozentristik) in Steiners „Goethephase“ sehen: Die Natur als Manifestation des Göttlichen zu sehen ist ein mächtiger Brückenschlag zwischen geistiger Höhe und weltlichen Niederungen. Vielleicht fällt das nicht zufällig in die Zeit, als Steiner intim mit den Kindern der Familie Specht zu tun hatte (und, wie er später meinte, dort seine „Spielphase“ nachholte – GA 28, 1982, S.80).

Ebenso dem Absolutismus des L(ICH)ts entgegenwirkend erschien später die (wenn auch systemimmanent gedachte) Symbolik der Ahriman-Luzifer-Mythologie, deren Credo es ist, das Leben im steten Austausch der Gegensätze geschaffen wird.

Und gelebter Austausch von „Erkenntnis“ und materieller Wirklichkeit sind die „anthroposophischen Praxisfelder“, die Plattformen für ganz diesseitige Regungen und Erfolge sind. Weit menschlicher, als Steiner damals und AnthroposophInnen heute oft lieb ist und war (und diese Divergenz von Anspruch und Wirklichkeit ist die uralte Tragik der Waldorfschulen!!! vgl. Versteinerung und Innovation; Vollgas mit Handbremse I). Gerade die Praxisfelder kamen auch wieder durch den intimen Austausch und Kontakt mit andern Menschen und ihren Erfahrungen zustande – ein Sachverhalt, der (natürlich) von Steiners „geistiger Welt“ und vielen AnthroposophInnen bis heute (Leitmotiv Zertrümmerung) verdrängt und als Ketzerei betrachtet wird.

Interpretationen

Der katholische Pfarrer Immanuel Schairer, der Steiner persönlich näher gekannt hat, hat in einem Nachruf 1925 folgendes Urteil über ihn gefunden:

„Wenn man Steiner persönlich nahestand, ohne jedoch dem ‚Zauber‘ seiner Persönlichkeit (…) zu erliegen, ohne blind zu sein für seine Schwächen und Schranken, so sucht man unbedingt neben der gängigen Alternative: größter Gauner oder genialster Führer nach einem Dritten, das eher Charakteristik als ein bloßes Werturteil wäre. Da bietet die moderne Psychologie den Typus des schizomythen Temperaments. [den es heute m.W. wieder nicht mehr gibt – A.M.] (…) Wir hören da: ekklektische Geselligkeit im exklusiven Zirkel, (…) mythische-metaphysisch, zum System schematischer Darstellung neigend; altruistische Aufopferung größten Stils, besonders für allgemeine, unpersönliche Ideale; Bedürfnis nach Distanz; Autismus, d.h. man kann 10 Jahre mit Solchen zusammenleben und darf doch nicht sagen, sie zu kennen; sie leben stets wie hinter einer Glasscheibe…“ (Immanuel Schairer: „Großer, guter Mensch“, wieder abgedruckt in Wolfgang G. Vögele (Hrsg.): „Der andere Rudolf Steiner“, a.a.O., S. 253).

Der große Goethe-Kommentator Steiner hatte für den lebensfrohen, detailverliebten Kosmos des Weimarer Dichters mit seinen liebenden, streitenden, weinenden, lachenden Figuren nichts übrig, wie in den Achzigern Fritz Beckmannshagen herausgearbeitet hat:

„Steiner, obschon vielleicht der schärfere Denker, verfügte über eine weit weniger differenzierte Gefühlswelt, weil er sie im Bewußtsein gering achtete und so von einer seinem Denken vergleichbaren Reifung, Differenzierung und Ausbildung ausschloß. Da er Gefühle im Bewußtsein nicht zuließ, hielt er sie unbewußt oder wenigstens ‚traumbewußt‘, das heißt nur halb oder kaum bewußt. Eben deshalb erschienen sie ihm ‚dunkel‘, ‚mystisch‘, ‚unbestimmt‘. (…) Man hat den typischen Gelehrten der Jahrhundertwende vor sich, der von sich in der dritten Person spricht, sich „der Verfasser“ nennt, eine unglückliche Hand in der Wahl gefühlsbeschreibender Adjektive hat, (…) Sexualorgane sind ihm „Reproduktionsorgane“, und die Pubertät heißt „Erdenreife“. (…) Man betritt [ in Steiners esoterischen Schilderungen – A.M. ] eine tadellose, makellose, schattenlose Welt – eine unheimliche Welt. „Jesus Maria! Der arme Mensch hat keinen Schatten!“, heißt es im „Peter Schlemihl“, Chamissos tief symbolischer Erzählung, und „Kein Schatten, das ist bös!“, sagt ein alter Bauer. Ich glaube genügend versichert zu haben, daß ich von der Größe der Persönlichkeit Steiners tief überzeugt bin. Er war von überwältigender Größe! Aber darin liegt zugleich die Tragik. (…) Er spaltete seinen Schatten durch eine gigantische Bewußtseinsleistung regelrecht ab, das heißt, er unterdrückte ihn so endgültig, daß er wie verschwunden war. (…) Aber nur wenige Menschen gehen diesen Weg zu Ende. Steiner ist ihn zweifellos zu Ende gegangen, bis in eine Region, die sich unserer Beurteilung entzieht.“ (Fritz Beckmannshagen: Rudolf Steiner und die Waldorfschulen. Eine psychologisch-kritische Studie, Sievers Verlag, Wuppertal 1984, S. 66)

Dadurch wird verständlich, warum Steiner die Tiere und „Wilden“ als „heruntergekommene Nachfahren einstmals höherstehender Menschenformen“, „degeneriert“ und verkommen, erleben MUSSTE: Sie standen aus seiner Sicht für die ihm von Kind an „finstere“ magisch-mythische Welt der Psyche, vitaler Verflochtenheit des Leiblich-Naturhaften. Damit waren sie für den spirituellen Radar von Steiners ICH-Diktatur „geistiger Welten“ nicht erfassbar und nur als auf dem Weg zum Denken des deutschen Idealismus zurückgebliebene evolutionäre Unfälle einzuordnen.

Sicher sind Steiners Ausfälle gegen „Neger“ oder die „östliche Spiritualität“ als niedrig, mystisch und dunkel auch als Auswüchse des 19. Jahrhunderts zu sehen. Wie Jana Husmann-Kastein gezeigt hat, sind dualistische Schwarz-Weiß-Muster in der gesamten religiösen und philosophischen Tradition des Abendlandes in der Genese der neuzeitlichen Rassentheorien mit am Werk gewesen. Aber Steiner konstruierte in der Anthroposophie seine ganz eigene, „spirituelle“ Begründung für diese Stereotype, weil er die gefürchtete Welt der „Finsternis“ und was er dafür hielt in seinem eigenen Geist und dessen „höherer Welt“ nicht ertragen konnte. Auch Steiners „antirassistischer“ Einwand, dass das ICH, und damit der Zugang zum „Geist“, über allen „Rassen“ stehe, ja, weit bedeutender als der vermeintliche „Rassencharakter“ sei, geht letztlich aus der dualistischen Logik hervor.

Affen und Indianer - für Steiners ICH-Absolutismus Repräsentanten "niederer" Kräfte der vernunftlosen Natur, die aus der Evolution zum "Geist" ausgesondert wurden

Affen und Indianer - für Steiners ICH-Absolutismus Repräsentanten "niederer" Kräfte der vernunftlosen Natur, die aus der Evolution zum "Geist" ausgesondert wurden

Denn Steiners „geistige Welt“ ist unbezweifelbar eine dualistische, nicht in der Konzeption (da stellt die Materie nur einen „Aggregatzustand“ des Geistigen dar, deswegen ist es auch möglich, sie zu „vergeistigen“) aber in ihrer Sprache, Wirkung und Genese. Der Religionswissenschaftler Harald Strohm schätzte Steiner in seiner Studie über die Zusammenhänge zwischen gnostisch-dualistischen Strukturen in Religion und Philosophie und absolutistisch-dualistischen Strukturen faschistischer Ideologien entsprechend ein:

„Mir liegt auch bei Steiner nicht daran, seine Vermessenheit zu tadeln und seine Visionen als Scharlatanerie abzutun. Kein Zweifel, Steiner hatte diese Visionen. Sie waren für ihn gesund, womöglich lebensrettend. Ja, gerade Steiner ist ein Beispiel dafür, wie das innere Licht unserer Erleuchteten auch uns Irdischen in einigen Punkten zum Wohl gereichen konnte. (…) Gerade aus dem Bereich, der Steiner Zeit seines Lebens verdächtig und bedrohlich blieb: aus dem ‚Unbewussten‘, d.h. aus der psychischen Welt der Finsternis, ward ihm die erlösende Gnosis zuteil.“ (Strohm: „Die Gnosis und der Nationalsozialismus“, Alibri, Aschaffenburg 2005, S. 177)

Strohm: Die Gnosis und der Nationalsozialismus

Strohm: Die Gnosis und der Nationalsozialismus

Immanuel Schairer hat Steiner wohl am treffendsten gewürdigt (a.a.O., S. 255), als einen Menschen mit einem „heißen Bemühen“ um „Formgebung“ für seine „Visionen“, als einen, „dem man nur gerecht wird, wenn man mit einem großen, gütigen Erbarmen in sein totes Antlitz blickt.“

(Ir-)Realität, Mythos und Persönlichkeit

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin von der 100%-igen (Ir-)Realität der „geistigen Welt“ Steiners ebenso fest überzeugt wie von der griechischen Götterwelt, dem Symbolgehalt der Grimm’schen Märchen, einem „Leben nach dem Tod“, dem Tanz des Shiva und der Arche Noah. Sie alle sind Produkte dessen, was mensch auch „mythisches Bewusstsein“ nennt: traumgrammatische Ausgestaltungen der urmenschlichen Fähigkeit, das Leben und die Welt aus unserem eigenen psychischen Potential um einen höheren, göttlichen „Sinn“ zu bereichern. Einen „Sinn“, der hilft, das Dasein zu meistern und dieses umgekehrt seinerseits bereichert. Dieses religiös, spirituell oder philosophisch stattfindende „Sinnstiftungselement“ für die eigene Biographie gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen.

Egal wiederum, ob die Bildung der Mythen in jahrhundertelanger Fortbildung von Mythen und Überlieferungen geschieht, oder als biographischer Notanker eines einsamen österreichischen Bahnhofswärtersohns, egal, ob (in der Terminologie des Kulturphilosophen Jean Gebser ausgedrückt) in magisch-ritualischer, mythisch-mystisch-symbolischer, mental-dualistisch-normativer, rational-skeptizistischer oder integral-pluralistischer Darstellung, egal mit welcher kulturgeschichtlichen Relevanz:

Die so geschaffenen Mythen sind psychospirituelle Realitäten, sie können einerseits zu individueller Entfaltung befreien (wie viele KünstlerInnen oder die GründerInnen mancher karitativer Orden), oder aber die Individualität durch ihren Absolutismus einkerkern (es ließen sich genügend Beispiele religiöser und politischer Ideologien anführen). Die als Ebenbild des Menschen geschaffenen Götter zeigen somit auch alle Stärken und Schwächen ihrer Urheber.

Genie, Wahnsinn und Therapie

Steiners mit Fichte und Schelling und in Abgrenzung zu Kant geschaffenes, autistisch abgekapselt zum Weltzentrum erhobenes „Ich“, das „seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“ hervorbringen kann; sein Versuch, diese „Kapsel“ im „Goetheanismus“ mit der Außenwelt zu verbinden, diese in den späten 1890ern als eigentlich „Göttliches“ zu erkennen und schließlich durch den Fleischwolf theosophischer Evolutionslehre in das uferlose Panorama von Epochen, Zeitaltern, Hierarchienlehren, deren Aufgaben, Nachzügler, Anführer, Antagonisten und Manifestationen aufzusplittern – all dies grenzt an unglaublichen, psychotischen Wahnsinn.

Seine schöpferische Leistung, diesen als Überbau für die anthroposophischen „Tochterbewegungen“ zu gestalten und nicht nur damit KünstlerInnen, PolitikerInnen, UnternehmerInnen, LehrerInnen, MedizinerInnen, LandwirtInnen, Geistliche, PhilosophInnen, ArchitektInnen, AutorInnen und DesignerInnen bis heute anzuregen zeugt vom für manche genialen Inspirationsgehalt seiner Kosmologie. All dies hat zahlreiche Menschen, und viele, die überhaupt nichts von Steiner und seinen Lehren wissen, faktisch bereichert. Dort also, wo die autistische Kapsel des göttlich-geistigen Denker-„Lichts“ sich für die diasporischen Banalitäten unvergeistigter „Irdischer“ (Strohm) opferten, konnten und können sie für diese – und umgekehrt, immer wieder förderlich und heilsam sein.

Welche Konsequenzen könnte mensch daraus für die Anthroposophie ziehen? Wie könnte mensch Steiners Geisterland in eine „zukunftsfähige“ Spiritualtät münden lassen?

Nicht umsonst tendieren manche AnthroposophInnen (v.a. aus dem Umfeld der Zeitschrift info3), die nach einer Erneuerung der Anthroposophie suchen, innerhalb des kuriosen Marktes der heutigen Esoterik ausgerechnet zum „Integralen Ansatz“ Ken Wilbers, zu dessen Credo es gehört, dass zur „spirituellen“ Entfaltung der Persönlichkeit gleichberechtigt zu kognitiven Werten auch emotionale, psychosexuelle und interpersonelle Qualitäten gehören. Sie alle gelte es wiederum aus den Perspektiven von „vier Quadranten“ zu beurteilen: 1. Selbst und Bewusstsein, 2. Organismus und Medizinische Befunde, 3. Kultur und Weltanschauung 4. Umwelt und Soziales System.

Wilbers System hat seine ganz eigenen „Schatten“, die zu diskutieren hier nicht der Platz ist, aber der Anschluss der Anthroposophie an diese Ansichten, die Interpretation ihrer Mythen aus dieser Perspektive, zeigt nicht zuletzt den Wunsch, aus der Eiseskälte ihrer geistigen Welt“ in den „Niederungen“ irdischen Daseins anzukommen. Das provoziert zwar die Welt der anthroposophischen Betonfraktion (vgl. etwa „Der Europäer„), kann die Traumata der anthroposophischen Kosmologie aber nicht erlösen, sondern nur durch die Projektion auf eine allegorische Ebene herunterbrechen, die letztlich nur eine blumig-märchenhafte Konkretion der Wilber’schen Evolutionstheorien sei.

Die vier großen Unangreifbarkeiten

Ich glaube, gerade die vier großen Unangreifbarkeiten der Anthroposophie sind es, die „geopfert“ werden müssen:

1. Die kanonische Bedeutung von Steiners Werk: Die Inhalte der Anthroposophie sind großenteils aus Steiners weltanschaulichem Umfeld entnommen (oder umgekehrt als Opposition zu diesem Umfeld kreiert) und in binnenanthroposophische Zusammenhängen neu begründet und aufbereitet (Anthroposophie in Deutschland). Nur, wenn mensch diese Abhängigkeiten und Kontexte eingesteht und daraus Bezüge auf die heutige (Nicht-)Aktualität der jeweiligen Vorstellungen zieht, kann mensch ein realistisches Verhältnis zu Steiners Person, seinen Stärken und Schwächen aufbauen – was für eine Anthroposophie, die in der heutigen Zeit angekommen sein will, unabdingbar wäre.

„Vielleicht hilft es, die Fesseln zu lösen, dass alles, was Steiner als hellsichtige Einsicht betrachtet hat, der Geschichte enthoben und deshalb sakrosankt sei. Steiner im Kontext zu lesen bedeutet, die anthroposophische Spiritualität auf andere Füße zu stellen. Spiritualität wäre nicht jenseits der Geschichte, sondern mit ihr zu suchen.“ (Helmut Zander)

2. Die absolutistische Stellung des ICH (nebst der „des“ Christus in der Rolle seines makrokosmischen Pendants). Um aus der Blähung des spirituellen Autismus herauszutreten muss die Steinersche ICH-Diktatur zusammen mit seinen Kollegen vom Geistselbst, Lebensgeist und Geistmensch in die abertausend Stücke einer weitverzweigten, komplexen und wandelbaren Wirklichkeit zerspringen. Das ICH ist nur eine Facette der Wirklichkeit – Christus nur eine Facette der Weltreligionen (und letzteren Umstand gestehen inzwischen auch AnthroposophInnen ein, vgl. Rudolf Steiner integral) – ihre vergöttlichende Verabsolutierung arbeitet lediglich heiter an jeder Realität vorbei und in das altbekannte Jenseits hinein.

„Die sich angesichts solcher Auflösung der Subjektkapsel gewöhnlich einstellende Sorge, dass der Mensch ohne ein zentrales Selbst seine „Ganzheit“ oder „Identität“ verlieren müsse, ist verständlich, aber unbegründet. Das menschliche Erleben auf „im All“ verstreutes „diffus Psychisches“ [Hans Jonas – A.M.] zurückzuführen, bedeutet mitnichten, sich psychotischem Chaos auszuliefern. Denn selbstverständlich (…) [„arrangiert“] dieses „diffus Psychische“ sich – ähnlich wie Materiepartikel zu Organismen – bei Menschen und Tieren zu hochkomplexen psychischen Ordnungen (…) – Ist es wahrscheinlicher, dass das Angstkonstrukt Subjektivität größere psychische Stabilität gewährt?“ (Harald Strohm, a.a.O., S. 31f.)

3. Der Glaube an „die“ Anthroposophische Gesellschaft als auserwählte Trägersubstanz und Entsprechung eines „Wesen Anthroposophia“, als „Basis, Werkzeug und Vollzug“ einer Bewegung, die im Herzen ihrer Mitglieder an eine „ätherische Pforte“ stieße (Das zweite etwa bei Hartwig Schiller: „Die unsterbliche Gesellschaft“, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, 10/ 2008, S. 13f.).

Wenn Anthroposophie wirklich Teil der Kultur sein und diese um ihr Besonderes bereichern will, muss sie das Opfer erbringen, ihre versteinerten Strukturen und Organisationen im wahrsten Wortsinn aufzulösen (Der Zug ist (noch!!!) nicht abgefahren) und bedingungslos in dieser Kultur aufgehen, statt seit hundert Jahren ohne inhaltliche Änderung zu behaupten, ihre heimliche Avantgarde zu sein. Das führt zu…

…4. Und wichtigstens: Der Priveligiertheitsdünkel und die Selbsteinschätzung, dass diese Welt letztlich via Anthroposophie, und nur durch diese, eine Rettung aus ihren scheinbar unentwirrbaren Krisen erwarten könne. Mehr noch, dass die Anthroposophie von Christus, Sankt Michael (und ihren zahllosen „Evolutions“-Junkie-Kameraden aus den Fraktionen der Engel) zum Rettungsweg des Kosmos erkoren sei. Ziel: Die Resublimation des Sonnensystems in den leibfreien Zustand des „ätherischen“ „Neuen Jupiter“ (Via ICH-Kraft, die die Welt des Emotionalen, Willenshaften, „Astralischen“ zum den Autismus eines „Geist“-Selbst durch-iche). Fritz Beckmannshagen kommentierte das treffend in seiner psychologisch-philosophischen Studie:

Wir können die Persönlichkeit Steiners, und zwar durchaus im Einklang mit seiner Lehre, unter dem Bilde des Michaelmythos begreifen, da Steiner, wie selten einer, gegen den „Unterweltsdrachen“ kämpfte und siegte. In der Bildsprache der überlieferten Ethik darf man in ihm einen „Helden“ verehren, der zwar nicht die „Prinzessin erlöste“, aber zweifellos den „Drachen erlegte“. – Psychologisch ausgedrückt heißt dies: Er hat auf dem Weg der Vervollkommnung seinen Schatten endgültig unterdrückt und abgespalten, eine Leistung, die nur starken Naturen gelingt. Durchschnittsmenschen, die das gleiche ethische Ziel verfolgen, sind zu dieser Unterdrückungsleistung in der Regel zu schwach. Sie bedienen sich deshalb eines psychischen Kunstgriffs: der ‚Verdrängung‘. Das heißt, sie lassen sich gar nicht erst auf das Abenteuer eines ‚Drachenkampfes‘ ein, sondern verhalten sich so, als ob es in ihnen dergleichen wie ‚Drachen‘ oder ‚Schatten‘ gar nicht gäbe. Sie schließen die unerwünschten Persönlichkeitsanteile nur von ihrem Bewußtsein aus, akzeptieren ihr Vorhandensein nicht und bilden so eine Scheinpersönlichkeit („Persona“) aus, die mit dem Leitbild des Helden wenigstens dem Eindruck nach übereinstimmt. (Fritz Beckmannshagen: Rudolf Steiner und die Waldorfschulen, a.a.O., S. 77)

Und auch der Anthroposoph Sebastian Gronbach kommt, obwohl er ebenfalls auf den dualistischen Typus „Krieger des Lichts“ steht, zu einem erstaunlichen ähnlichen Urteil:

„Man schickt Waldorfkinder jedes Jahr zur Michaelifeier durch große Pappdrachen, weil Steiner ja gesagt hat, dass man sich mit dem Bösen auseinandersetzen muss, aber die wirklichen sozialen Drachen (…), die werden verschwiegen, verleugnet, verborgen (…) Die Unterwelt der Waldorfwelt lebt auf dem Parkplatz vor der Schule, sie glüht stundenlang durchs Telefon, und manchmal grollt sie durch die eine oder andere bissig-lächelnde Bemerkung hindurch. (…) Wir sollten weniger selbstgerecht sein, wenn wir auf unsere heile Oberwelt schauen. Sie scheint deswegen relativ hell und rein, weil wir die Unterwelt im Wesentlichen vor der Tür lassen, auch wenn es zunehmend respektable Anstrengungen und beispielhafte Projekte gibt, die sich mit großem Engagement dieses unbearbeiteten Feldes annehmen.“ (Sebastian Gronbach: Missionen, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2008, S. 66-70)

Was würde bleiben, wenn diese zentralen Dogmen geopfert werden? Es bleibt das, was Steiner und die meisten seiner Erben so sehr fürchteten: Es bleibt Nichts. Die scheinbare Leere des Universums, seine aperspektivische Weite. Statt aus dem ICH Sinn in diese Weite auszugießen, könnte aber doch der aperspektivische Raum selbst das eigentlich „Heilige“, das „Erlösende“ sein. Im Nichtsein liegt Alles. Wie es Pablo Picasso ausrückte, liegt eben auch eine Chance darin, dass der Mensch „in aller Angst des Loslassens doch die Gnade des Gehaltenseins im Offenwerden neuer Möglichkeiten“ erfährt.

„…Hier beginnt das Abenteuer der Selbsteinbringung, der Selbsteinbringung in eine Wertwelt, die man angeblich liebt. Dazu gehören Klugheit und Mut! Mehr kann und will ich hier nicht dazu sagen. Abenteuer der Selbstrealisierung sehen immer und überall anders aus. Es ist auch möglich, daß sie gar nicht stattfinden, denn gewöhnlich nimmt der Mensch lieber Schaden an seiner Seele als Schaden an seiner Stellung.“ (Beckmannshagen: Rudolf Steiner und die Waldorfschulen, a.a.O., S. 85)

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Der Zug ist (noch!!!) nicht abgefahren Freiheit, Dummheit und Schule – Rückblick auf die 14. WaldorfSV-Tagung in Berlin

50 Kommentare Add your own

  • 1. Cardinal  |  26. September 2009 um 4:03 pm

    Schwere Geschütze Ansgar^^

    Statt aus dem ICH Sinn in diese Weite auszugießen, könnte aber doch der aperspektivische Raum selbst das eigentlich “Erlösende“ sein

    Wieso gibt es dann das Ich? Wenn es zu nichts gut ist?

    By the way: Der Beckmannshagen schreibt gut!

    Antworten
    • 2. David  |  27. September 2009 um 7:24 am

      @ Cardinal

      du schreibst: „Wieso gibt es dann das Ich?“

      schreib doch auch mal, was das „Ich“ ist …

    • 3. Cardinal  |  28. September 2009 um 6:57 am

      Das, was gerade diese Tasten tippen will, das was deinen Post registriert und darauf antwortet.

    • 4. David  |  28. September 2009 um 12:23 pm

      … und was ist „das“? Ist „das“ das „Ich“?

      Schau mal bei meinem Namensvetter David Hume nach, und staune, dass es das „Ich“ als philosophische Kategorie gar nicht gibt: http://de.wikipedia.org/wiki/David_Hume

      Du verwechselst deine Alltagserfahrung mit „Philosophie“ oder „Erkenntnistheorie“.

      Anthroposophie ist eine einzige grosse Begriffsverwirrung, was man schon am Beispiel des „Ich“ leicht feststellen kann.

  • 5. Ansgar  |  26. September 2009 um 4:56 pm

    Das ist die Falsche Frage. Die Antwort auf das Warum kommt meiner Meinung nach nur aus uns selbst. Tatsache ist: Da ist eben ein Ich. Und darauf kommt es an. Nehmen, was ist, es anerkennen und mit ihm in Austausch treten. =) Oder es sein.

    Und ich bin überzeugt, dass das Ich auch für was gut ist.^^ Aber das Ich ist nicht Daseinszweck des Universums, sondern eine Erscheinung innerhalb des Universums, dieses Universum braucht kein Zentrum, keinen kausalen Grund, es ist und wird und verändert sich. Die Ich-Perspektive ist nur eine von vielen gleichberechtigten. „Gut“ für etwas wird sie aus dem was du machst, oder auch nicht machst.

    Antworten
  • 6. Joachim  |  27. September 2009 um 11:10 am

    Ein Text, der zwischen Anmassung und Differenztiertheit heftig hin- und herschaukelt. Dass Steiner in die geistige Welt floh, weil Kinder nicht mit ihm spielen wollten, ist zu billig. Typisch moderne küchenpsychologische Erklärung für Visionäre und spirituell Erfasste: sie kamen auf der Erde nicht zurecht, also flohen sie in überirdische Welten. Trifft manchmal zu, oft aber auch nicht. Platon, Jesus, Buddha, Mohammed, Moses, Hildegard von Bingen, Meister Eckart, Isaac von Luria, Novalis, Gandhi, der Dalai Lama: alles nur miese Kindheit, zu wenig Spielgefährten, zu viel Einsamkeit??
    Spaltete Steiner das Leiblich-Natürliche-Finstere-Vitale ab? Fürchtete er deshalb die „Wilden“? Es hat manchmal den Anschein, aber immerhin gesteht er z.B. den Indianern hohe spirituelle Fähigkeiten zu und geisselt die weisse Kultur oft mit scharfen Worten. Ganz so einfach ist es also nicht. Steiner ist eher widersprüchlich, als mit so einfachen Schemen zu erklären. Ansgar will ihn erklären, um mit ihm fertig zu werden: verständlich, aber wiederum zu einfach.
    Sind Mythen, Götter und Geister nur Wunschvorstellungen und Projektionen armer Menschenseelen, die Sinn für ihr mühsames Dasein suchen? Auch wieder Küchenpsychologie. Keiner weiss bis jetzt, was Mythen oder übersinnliche Schauungen wirklich sind. Darüber gibt es Dutzende von Theorien, über die schön gestritten wird.
    Gut ist Ansgar’s Kritik der 4 grossen Unangreifbarkeiten: da ist was dran und diese helfen auch mit, der Anthroposophie ihr Grab zu schaufeln. Unverständlich jedoch wieder das absolute Fazit: Es bleibt nichts von der Anthroposophie. Allein Ansgars grosse Anstrengungen („Der Zug ist noch nicht abgefahren“) sprechen ja dagegen.

    Antworten
    • 7. Ansgar  |  27. September 2009 um 7:19 pm

      Lieber Joachim,

      Dass Steiner in die geistige Welt floh, weil Kinder nicht mit ihm spielen wollten, ist zu billig.

      Das beschreibt meine Darstellung völlig falsch.

      Andere Interpretationen ließen sich freilich finden, wenn mensch bedenkt, dass Steiners jüngerer Bruder scheinbar geistesgestört war.

      Was ich vor allem schreiben wollte, war, dass Steiner aus irgendwelchen Gründen, sicher war auch in der Familie nicht alles in Ordnung, statt menschlicher Beziehungen in „geistigen Welten“ Geborgenheit fand.

      Typisch moderne küchenpsychologische Erklärung für Visionäre und spirituell Erfasste: sie kamen auf der Erde nicht zurecht, also flohen sie in überirdische Welten. Trifft manchmal zu, oft aber auch nicht.

      In Steiners Fall trifft es m.E. nach deutlich zu.

      Spaltete Steiner das Leiblich-Natürliche-Finstere-Vitale ab? Fürchtete er deshalb die „Wilden“? Es hat manchmal den Anschein, aber immerhin gesteht er z.B. den Indianern hohe spirituelle Fähigkeiten zu…

      Da haben Sie recht, das Problem mit den Indianern ist aber die Evolutionsdoktrin. „Geistig“ seien die Indianer schon, aber erstens auf „atavistische“, nicht-„durch-christete“ Weise. Und zweitens seien sie physisch degeneriert und entwicklungsunfähig, „Und dieses Durchimprägnieren des Fleisches mit dem Geiste ist die Mission der Weißen Menschheit“ (GA 174b, 1. Vortrag)

      und geisselt die weisse Kultur oft mit scharfen Worten.

      Ja, weil sie sich dem Materialismus zuwende, was ja meine These bestätigen würde. =)

      Ganz so einfach ist es also nicht. Steiner ist eher widersprüchlich, als mit so einfachen Schemen zu erklären.

      Deswegen das „Kapitel“ Natürlich gibt es auch Gegenläufiges. Die Stärken der Anthroposophie werden von ihren VertreterInnen zur Genüge beschworen. Ich habe hier versucht zu zeigen, wo und wie die der „rote Faden“ zwischen der pathologischen Fixierung auf das „Denken“ als Norm und den Schwächen der Anthroposophie verläuft.

      Sind Mythen, Götter und Geister nur Wunschvorstellungen und Projektionen armer Menschenseelen, die Sinn für ihr mühsames Dasein suchen?

      Und hier missverstehen Sie mich am Tiefsten: Ich halte das Schaffen von Sinngebungen und Mythen für ein zentrales und grundlegendes Bedürfnis des Menschen, es kann so wenig unterdrückt werden wie etwa Sexualität. Aber es gibt krankhafte und hilfreiche Erscheinungsformen.

      Es bleibt nichts von der Anthroposophie. Allein Ansgars grosse Anstrengungen (“Der Zug ist noch nicht abgefahren“) sprechen ja dagegen.

      Offenbar bewerten sie das „Nichts“ anders als ich. Ich halte die Aperspektivität, das Loslassen, das Sinnsuchen im Sein selbst, für die momentan heilsamste Art von „Spiritualität“. Nicht die normative Bestimmung des Daseins durch eine außerhalb seiner selbst liegende „geistige Welt“, „Christus“, „Allah“ oder wen auch immer.

      Deswegen der Ausdruck „Opfer“ für das Aufgeben dieses „außerhalb liegenden“ Metaphysischen.

    • 8. zooey  |  27. September 2009 um 9:00 pm

      A short and very hurried response (in English, sorry): I don’t agree with whoever wrote about Küchenpsychologie. I do think that Steiner’s experiences as a child–and his experiences (or inexperience perhaps more accurately) in interaction with other humans–did shape him. I see big needs to connect with others–yet a pretty deep inability to do it. To be on the *same* level as others, to be one of them and to be like one of them. That’s far more complex than saying, „his peers didn’t want to play with him“ (or something like that).

      That wasn’t what I was going to say though. I meant to recommend a book: Anthony Storr, Feet of Clay. It’s about several „gurus“, one is Steiner. Storr is/was a (I believe a somewhat psychodynamically oriented) psychiatrist.

      Very good/interesting book, and he writes quite a lot about the different gurus‘ upbringings, their social abilities and how they connected to other people, and so forth. Kind of, what shaped them and what could we speculate the achieved from guru-hood. And lots more.

      -z

  • 9. Joachim  |  27. September 2009 um 8:07 pm

    Es ist die Frage ob das, was die Mythen bildhaft umschreiben, geschaffen oder wahrgenommen wurde. Also ob sie Erfindungen, Fiktionen oder „Schauungen“ sind. Der Dala Lama, ein immerhin der Wissenschaft sehr zugeneigter spiritueller Mensch, würde die Inhalte des Tibetanischen Totenbuches niemals als „Erfindung“ bezeichnen, sondern als in Bildern verschlüsselte Wahrnehmungen. Und der renommierte Ägyptologe Erik Hornung sagte über die Ägyptischen Totenbücher: „An der dunklen Mauer des Todes hat all unser Wissen und Können immer noch ein Ende, und niemand kann es uns sagen, ob wir in diesen Sprüchen durch einen Spalt der Mauer blicken.“
    Bei Steiner können wir es genauso wenig sagen. Wer will das sicher beurteilen?
    Ich verstehe jetzt ihren Begriff der Aperspektivität besser: Sinnsuchen im Sein ohne normative Bestimmungen von oben.
    Dem stimme ich zu – oder sagen wir, man kann sich bemühen, Normatives, das jeder im Kopf hat, auch wieder zu relativieren, kritisch zu hinterfragen etc.
    Ob Anthroposophie nur eine „normative Bestimmung des Daseins durch eine ausserhalb seiner liegenden geistigen Welt“ sein will, wage ich wieder zu bezweifeln. Da liegen auch wieder tiefe Risse und Widersprüche vor: einerseits die Rede von herabsteigenden Geistwesen und auch Steiners manchmal die Materie abwertende Bemerkungen, andererseits aber der goetheanistische Aspekt, das Geistige immer im Sinnlich-Materiellen zu sehen und eben nicht darüber. Ein guter Waldorflehrer soll ja eben nicht von oben herab dozieren, sondern in der Materialität geistige Kräfte und Zusammenhänge aufscheinen lassen. Ob das immer gelingt, ist eine andere Frage. Steiners Bilder sind z.T. so mächtig, dass sie Menschen oft in einen völlig kritiklosen Sog hineinziehen, sie fast betrunken, hörig machen. Daher sind sprachliche Übersetzungen seiner Bilder in nüchternere, auch mit Wissenschaft kompatiblere Worte nötig: ein Sakrileg für viele Jünger, aber vielleicht wichtig, damit der Zug eben nicht abgefahren ist.

    Antworten
    • 10. Ansgar  |  27. September 2009 um 9:02 pm

      Es ist die Frage ob das, was die Mythen bildhaft umschreiben, geschaffen oder wahrgenommen wurde.

      Die Sache bei Steiner, dem Dalai Lama etc. ist meiner Meinung nach: Sicher haben sie diese Wahrnehmungen. Auch ich meditiere und habe Wahrnehmungen. Das Problem ist, dass mensch zwischen Wahrnehmung und Deutung der Wahrnehmung unterscheiden muss!!! Und hier ist zumindest Steiner gescheitert. Auf mythisch-psychischer Ebene hat das sicher seine Gültigkeit. Aber nicht auf empirisch-wissenschaftlicher.

      Ob die Bilder der Religionen Fiktionen oder Realitäten sind, hat C.G. Jung für mcih schön dargelegt:

      „Alles seelische Geschehen ist ein Bild und eine Ein-Bildung, sonst könnte ja gar kein Bewusstsein und gar keine Phänomenalität des Vorganges existieren. Auch die Einbildung ist ein psychischer Vorgang, weshalb es völlig irrelevant ist, ob eine Erleuchtung ‚wirklich‘ oder ‚eingebildet‘ ist.“

      Ähnlich ja Beckmannshagen, wenn er Steiner trotz seiner pathologischen Deutung als einen „von überwältigender Größe“ sieht.

      Deshalb stimme ich dem nicht zu:

      Daher sind sprachliche Übersetzungen seiner Bilder in nüchternere, auch mit Wissenschaft kompatiblere Worte nötig: ein Sakrileg für viele Jünger, aber vielleicht wichtig, damit der Zug eben nicht abgefahren ist.

      Intuition und Logik d.h. Rational-empirische und mythisch-religiöse Weltsicht können einander inspirieren, aber nicht ersetzen. Das Irrationale kann nicht Rational sein, das Unverstehbare nicht verstanden werden. Das sind zwei Aspekte, die zu vergleichen interessant ist, von denen mensch keinen als krank oder schlecht abtun kann, aber die auch nicht dasselbe sind. Und es ist Unfug, „hellsichtige“ Wahrnehmungen als Wissenschaft anzusehen. Und ein ganz ganz anderes Gebiet nochmal ist beider Deutung, die zu einem ethischem Fazit führt. Religiöser Extremismus ist, wenn die religiöse Wahrnehmung Wissenschaft und Ethik verschluckt.

      Steiners Bilder sind z.T. so mächtig, dass sie Menschen oft in einen völlig kritiklosen Sog hineinziehen, sie fast betrunken, hörig machen.

      Schönes Bild wiederum.

  • 11. Joachim  |  27. September 2009 um 10:33 pm

    Was heisst, Steiner ist bei der Unterscheidung zwischen Wahrnehmung und Deutung der Wahrnehmung gescheitert? Vestehe ich noch nicht ganz.
    Ich sage übrigens nicht, dass Steiner eins zu eins in logisch-wissenschaftliche Begrifflichkeit übersetzt werden müsste oder könnte. Mit Wissenschaft kompatibel meint etwas anderes: Seine Bilder könnten u.a. danach befragt werden, ob es Berührungspunkte zu bestimmten Grenzfragen der Wissenschaft gibt (Materiebegriff, Lebensbegriff, Bedeutung prähistorischer Kultformen), die dann übrigens auch oft bildhaft artikuliert werden (Feld, Kraft etc.)
    Ferner fehlt der Durchgang vieler anthroposophischer Begriffe durch die ganz persönliche Erfahrungsebene. Vieles wird nachgebetet oder – wie in einem süssen Rausch – mantraähnllich durchs Nervensystem laufengelassen: Ätherleib, michaelisch, Einweihung, Mysterienwissen, höhere Welten, auch der Begriff „Geist“ wird oft drogenähnlich eingesetzt. Feelgood-Worte, die einem suggerieren können, an etwas ganz Besonderem teilzuhaben. Die Regisseurin des neuen Hildegard von Bingen-Filmes Margarethe von Trotta sagte auf die Frage, ob sie spirituell veranlagt sei: manchmal, wenn sie morgens bei einem bestimmten Licht ganz früh im Meer bade, fühle sie sich von einem grösseren Ganzen aufgehoben und getragen. Das ist ein Versuch, heikle Begriffe zu umschiffen und in nachvollziehbarere zu übersetzen. Manche Anthroposophen können das auch, viele nicht. Es ist anstrengender als an grosse und bedeutungsschwere (oft theosophische) Chiffren anzuknüpfen.

    Antworten
    • 12. Gertrud Kiefer-Volkert  |  28. Oktober 2009 um 12:00 pm

      Mir fällt auf, dass Sie Steiner viel Bedeutung zumessen. Ich habe auch fast zwanzig Jahre lang versucht, Steiner zu verstehen, all dies irgendwie zu erfassen, habe oft gedacht, wenn diese Anthroposophie schon so lange besteht und weltweite Verbreitung gefunden hat und wenn es neben der teils erfolgreichen Praxis der Schulen usw. durchaus interessante Leute und Aspekte gibt, sei die anthroposophische Sicht eine sinnvolle Alternative. Lange habe ich nicht gewusst, weshalb es so viele erbitterte Gegner gibt, harte Kritiker, zu denen ich mich bisweilen auch zähle.
      Heute sage ich mir: ich habe besseres zu tun, als den durch mathematisches Denken dynamisierten Hirngespinsten dieses psychischen Grenzgängers nachzugehen. Sicher ist es so, dass man anhand der Steinerschen Gedanken, die einen an die Grundfragen des Menschseins heranführen, viel zu bearbeiten hat, philosophischerseits sicher interessant, auch und gerade wegen dem Zusammenhang mit Meditationspraxis, aber auch gefährlich, weil die Ideenwelt Steiner nicht inkulturiert ist, nicht angeschlossen ist an unsere Traditionen.
      Zweifellos hat Steiner bedeutende Innovationen wie die Koedukation oder das Frauenpriestertum in unsere Welt eingebracht, doch das sind einzelne Ideen. Sie sollten vielleicht mehr gewürdigt werden.
      Insgesamt zeigen sich an Steiners ganzheitlich- geistigem Firmament seine eigenen absolut gesetzten Erfahrungen – der Steinerismus ist eine Erkrankung politischer Relevanz.

    • 13. Jörg Thomsen  |  11. Dezember 2009 um 9:53 am

      @Gertrud Kiefer-Volkert:

      also wer ernsthaft meint/glaubt „Anthroposophie“oder die eigene Suche/das eigene Verstehen etc.hätte was mit dem Erfassen
      Rudolf Steiners Persönlichkeit oder/und auch Verherrlicher/ Gegner zu sein zu tun, haftet doch einer mächtigen Tradition der Flucht, der Ignoranz, der SelbstVerleugnung an,
      sucht nach einer OrientierungsKultur im Konsum, im Nachahmen von (was?) Vernunft ? Erkenntnis ? Etwa Erleuchtung ?
      Vielleicht braucht man Vorbilder ? Warum auch nicht. In welchen „unsere Traditionen“? > bitte erklären. Unsere? Oh.

      Nicht weil sie als die unkonkreteste erscheinen könnte, sondern weil sie mir die einfachste und damit stimmigste Antwort auf die Frage nach „Anthroposophie“ scheint, möchte ich dieses Steiner-Zitat hier hinterlassen :“Anthroposophie ist >>>Bewußtheit Deines Menschentums“. Wohlgemerkt „DEINES“, d.i.ureigenen.
      Und.. „Menschen-„tum“ schließt alles ein, was war, was ist und sein könnte. Also die Kultivierung oder eben Nicht-Kultivierung Deiner Lebens- Weltbeziehungen.
      Steinerismus ist immer die eigene Flucht ins >> Nichts.
      Aber selbst an diesem Nichts entzünden sich entsprechende tiefe Bedürfnisse. Wonach ?

    • 14. Gertrud Kiefer-Volkert  |  15. Januar 2010 um 9:55 am

      An Jörg,

      lieb von Ihnen, dass Sie mir (auf die Sprünge) helfen wollen, diese Fragen haben sich mir beantwortet, für mich selber habe ich inzwischen den Durchblick, ich habe mir eine Meinung gebildet. Steiner verstehen zu wollen ist ein Fehler, so weit bin ich längst, Steiner ist aber die zentrale Figur bei der ganzen Angelegenheit, also ist die Angelegenheit zu betrachten.
      Es bleibt also die allgemeine politische Bearbeitung der Themen um die Anthroposophie und der Pädagogik der Waldorfschulen. Schwer ist es, sich einzugestehen, dass man teilweise in eine Falle getappt ist, die anderen wohlbekannt ist.

      Es gibt nämlich genügend Leute gibt, die um diese Falle wissen, aber nichts tun außer persönliche Vorwürfe zu machen, einen für dumm erklären, wenn man `reinfällt und das tun Sie irgendwie auch. Sie brauchen mich nicht zu belehren, Lehrerin bin ich selber.
      Um die Waldorfpädagogik mit ihren praktisch verbindlichen problematischen Inhalten zu bewerten, wäre ein Normenkontrollverfahren angezeigt. Mir ist bislang niemand bekannt, der bereit ist, diese Ebene anzugehen.
      Die Verantwortungen zwischen Eltern, Lehrern und dem Staat hin- und herzuschieben, bringt nichts außer unendlichen Querelen und beliebigem Getratsche, alles zirkulär.

      Die persönliche Frage, die Sie auch stellen, ist die verkehrte Frage, deshalb antworte ich auch nicht persönlich (es gibt Persönlichkeitsrechte in diesem Land), die allgemeine, d.h. die politische Frage muss gestellt werden. Nur so kann eine Lösung erarbeitet werden.

  • 15. Ansgar  |  28. September 2009 um 6:55 am

    Mit Wissenschaft kompatibel meint etwas anderes: Seine Bilder könnten u.a. danach befragt werden, ob es Berührungspunkte zu bestimmten Grenzfragen der Wissenschaft gibt (Materiebegriff, Lebensbegriff, Bedeutung prähistorischer Kultformen), die dann übrigens auch oft bildhaft artikuliert werden (Feld, Kraft etc.)

    Sicher. In meiner Wahrnehmung läuft der Vergleich zumindest auf anthroposophischer Seite so ab, dass mensch selektiv zurechtbiegt, was passt, und den Rest unerwähnt ist. In jeder 2. Waldorf-Publikation steht irgendwas von „was mittlerweile auch die moderne Erziehungswissenschaft einsieht/anerkennt“. Wenn überhaupt eine Quellenangabe dazu steht, ist das meistens selektiv ausgewählt. Davon abgesehen ist das sicher interessant.

    Das ist ein Versuch, heikle Begriffe zu umschiffen und in nachvollziehbarere zu übersetzen. Manche Anthroposophen können das auch, viele nicht. Es ist anstrengender als an grosse und bedeutungsschwere (oft theosophische) Chiffren anzuknüpfen.

    Ja, ganz toll, aber das nächste Problem: Ich kann dreitausend heilige Begriffe schaffen, die auf viele Leute mächtig wirken, und die wieder „übersetzen“. Aber was davon baut auf realer Grundlage auf?

    Antworten
  • 16. Cardinal  |  28. September 2009 um 7:01 pm

    @ David

    Doch, genau das ist das Ich. Das, was die verschiedenen Eindrücke registriert und Empfindungen für sie hat. Wenn es nur ein „Bündel“ von Wahrnehmungen sein würde, würde dieser Vorgang so nicht klappen.

    Antworten
    • 17. David  |  29. September 2009 um 8:40 am

      … philosophisch wertvoll …

    • 18. Ansgar  |  29. September 2009 um 6:59 pm

      in der Tat^^

    • 19. B.R.  |  29. September 2009 um 8:04 pm

      Es ist von großer Bedeutung, daß Hume die Idee vom Ich verwirft. Wir wollen genau untersuchen, was damit gesagt und wieweit es stichhaltig ist. Zunächst wird demnach das Ich – wenn es überhaupt etwas derartiges gibt – niemals wahrgenommen; wir können also auch keine Idee davon haben. Wenn dieses Argument anerkannt werden soll, muß es sorgfältig formuliert werden. Kein Mensch nimmt sein eigenes Gehirn wahr, und doch hat man in einem bedeutsamen Sinne eine Vorstellung davon. Solche Vorstellungen, die Folgerungen aus Wahrnehmungen sind, gehören nicht zum logischen Grundbestand von Ideen; sie sind zusammengesetzt und beschreibend – wenn nämlich Hume Recht hat mit seinem Prinzip, das alle einfachen Ideen aus Impressionen abgeleitet werden; und wenn dieses Prinzip verworfen wird, dann kommen wir zwangsläufig wieder auf die »eingeborenen« Ideen zurück. In moderner Terminologie können wir sagen: Ideen nicht-wahrgenommener Dinge oder Vorgänge lassen sich immer durch Termini wahrgenommener Dinge oder Vorgänge bestimmen; deshalb können wir dadurch, daß wir die Begriffsbestimmung durch einen bestimmten Terminus ersetzen, stets angeben, was wir empirisch erkennen, ohne nicht-wahrgenommene Dinge oder Vorgänge einführen zu müssen. Bei der Behandlung des gegenwärtigen Problems läßt sich jede psychologische Erkenntnis formulieren, ohne daß das »Ich« eingeführt wird. Ferner kann das »Ich« in der Definition nichts anderes als ein Bündel von Wahrnehmungen, nicht aber ein neues, einfaches »Ding« sein. Hierin müßte jeder konsequente Empiriker mit Hume übereinstimmen.

      Daraus folgt aber nicht, daß es kein einfaches »Ich« gibt; vielmehr nur, daß wir nicht wissen können, ob es ein »Ich« gibt und daß es nicht in irgendeinen Teil unserer Erkenntnis eingehen kann, es sei denn als ein Bündel von Wahrnehmungen. Dieser Schluß ist wichtig für die Metaphysik, da somit der letzten noch üblichen Verwendung des »Substanz«-Begriffs ein Ende gemacht wird. Er ist ferner wichtig für die Theologie, weil er mit allem vermeintlichen Wissen um die »Seele« aufräumt; wichtig schließlich auch für die Analyse der Erkenntnis, da er beweist, daß die Subjekt-Objekt-Kategorie nicht fundamental ist.

  • 20. Joachim  |  28. September 2009 um 9:16 pm

    Was hiesse in diesem Zusammenhang reale Grundlage?

    Antworten
  • 21. Schulte  |  29. September 2009 um 10:43 am

    Sehr geehrter Herr Martins,

    ich habe Ihren Artikel mit großem Interesse gelesen. Sie haben Recht, wenn Sie sagen: „all dies grenzt an unglaublichen, psychotischen Wahnsinn.“

    Offen bleibt in Ihrem Artikel, ob diese Grenze nicht überschritten wurde. Leider kann der Patient Steiner ja nicht mehr vorstellig werden, aber vielleicht können Sie noch einmal verschiedene Steiner-Zitate als Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung Steiners anführen?

    Die Quelle Fritz Beckmannshagen halte ich nicht für seriös, ist er klinischer Psychiater? Seine Einschätzung Steiners „Ich glaube genügend versichert zu haben, daß ich von der Größe der Persönlichkeit Steiners tief überzeugt bin. Er war von überwältigender Größe!“ ist nicht nachvollziehbar: Auf welchem Gebiet soll Steiner etwas von „überwältigender Größe“ geschaffen haben?

    Auch Steiners künstlerisches Werk erscheint uninspiriert, nicht jeder psychisch Kranke ist gleich ein großer Künstler. In die Sammlung Prinzhorn würde er wohl nicht aufgenommen: http://prinzhorn.uni-hd.de/

    Antworten
  • 22. Joachim  |  29. September 2009 um 7:24 pm

    Es gibt in der Tat bei Steiner Stellen, die „psychotisch“ anmuten, aber auch ganz andere. Sein Nietzschebuch oder die „Rätsel der Philosophie“, eine Art Geschichte der Philosophie, sind klare, von systematischem Denken und logischem Erfassen gekennzeichnete Werke mit dem Sinn für das Wesentliche der jeweiligen Philosophen. Ein Psychotiker kann so etwas nicht.
    Also die Frage lautet eher: Wie kann beides in einem Menschen zusammen Platz haben? Oder: Ist „psychotischer Wahnsinn“ nicht vielleicht doch das falsche Wort oder nur ein Abwehrreflex gegenüber dem, was man nicht auf Anhieb versteht? So wie der Spiesser moderne Kunst verwünscht. Ist das mystische Inferno der Apokalypse in der Johannes-Offenbarung psychotischer Wahnsinn? Oder die Geister-, Götter- und Dämonenwelt des tibetischen Buddhismus oder Hinduismus?

    Antworten
    • 23. Andreas Lichte  |  30. September 2009 um 5:32 pm

      Joachim,

      da du dich als profunder Steiner-Kenner ausgibst, kannst du mir sicher meine Frage nach der Bedeutung dieses Steiner-Zitats beantworten:

      „Der Mensch steht der Außenwelt gegenüber. Das Geistig-Seelische strebt danach, ihn fortwährend aufzusaugen. Daher blättern wir außen fortwährend ab, schuppen ab. Und wenn der Geist nicht stark genug ist, müssen wir uns Stücke, wie zum Beispiel die Fingernägel, abschneiden, weil der Geist sie, von außen kommend, saugend zerstören will.“

      Seltsamerweise hat mir noch kein Anthroposoph sagen können, was Rudolf Steiner hier meint, und das obwohl es sich um ein Zitat aus Steiners „Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik“ [GA 293, S. 93f] handelt. Wie der Titel dieses in jedem Waldorfseminar gelesenen Standardwerkes schon sagt, ist das die Basis der Arbeit des Waldorflehrers … siehe auch:

      „Wundersame Waldorf-Pädagogik oder Atlantis als Bewusstseinszustand“

      http://www.novo-magazin.de/71/novo7138.htm

    • 24. Ansgar  |  30. September 2009 um 7:29 pm

      Bei diesem Zitat verlassen selbst mich meine Interpretationskünste – fast. Offenbar scheint ein übermächtig Erlebtes (außerhalb des Körperlich-stofflichen Daseins des Menschen gedachtes) „Geistiges“ den Körper nicht sonderlich gern zu mögen und „zerstören“ zu wollen.^^

      Was eine weitere Variante meiner Kernthese im obige Artikel wäre. Oder siehst du das anders, Andreas?

    • 25. Ansgar  |  30. September 2009 um 7:22 pm

      Lieber Joachim,

      Ich glaube, wir definieren den Ursprung von Religion sehr unterschiedlich. Für mich sind Religionen, Bilder, Mythen, Leitbilder, Ideologien, Symbole, Sinngebungen Urbedürfnisse des Menschen, die jede Kultur und Gesellschaft hervorbringt – und zuweilen auch charismatische Einzelne wie eben Steiner, Marx, Gobineau, Blavatsky, Plato etc. etc. etc.

      Der erlebten Wirklichkeit wird, um das Dasein zu meistern, eine Sinngebung aus „höherer“ Daseinsbestimmung hinzugefügt – und insofern halte ich die mythischen Bilder für 100%ig real und ernstzunehmen: Als psychische einerseits und andererseits soziokulturelle Schöpfungen und Realitäten.

      Für mich persönlich „sinn“voller erscheint es allerdings, alles „höhere“, jeden „Sinn“ in den Dingen selbst zu sehen, keiner Instanz „oben“ oder außerhalb.

      Dieses Schaffen von Mythen ist also einerseits natürlich, kann aber andererseits wie jedes Bedürfnis, jeder Trieb auch ins pathologische Ausarten.

      Und da sind meiner Meinung nach wieder viele ProphetInnen, MystikerInnen, Heilige aller religiösen Traditionen (die politische Ebene ganz ausgeblendet), die ihre Bilder und Visionen als psychische Reaktionen und Rettungsanker in einer übermächtigen, „feindlich“ gesinnten Außenwelt empfingen/hervorbrachten – und hier sehe ich Steiner eingeschlossen.

      Was aber Angehörige dieser religiösen Traditionen daraus machen, wie jedeR die Religion nach seinem individuellen Sinnstiftungsbedürfnis neu schafft, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber leider sehe ich hier bei AnthroposophInnen recht wenig individuelle Bewegung. Da gilt Steiners „Geist“ oft als der reinste.

  • 26. Ansgar  |  29. September 2009 um 7:34 pm

    Danke!

    Offen bleibt in Ihrem Artikel, ob diese Grenze nicht überschritten wurde.

    Das mit Absicht. Ich halte, wie gesagt, das Erschaffen von Göttern und Religionen für ein Urbedürfnis des Menschen. Ob es an dieser oder jener Stelle pathologisch oder „gesund“ auftritt, sollte jedeR für sich abschätzen, wenn Steiner auch für mich unbezweifelbar in Richtung pathologisch geht. Ich persönlich halte es jedenfalls für legitim, wenn sich jemand zur Anthroposophie bekennt, solange dem eine persönliche Distanzierung
    von Steiners Chauvinismen vorausgeht und ein eigenständiges Urteilsvermögen erhalten bleibt. Für ebenso legitim wie ein Bekenntnis zu jeder Religion.

    Die Quelle Fritz Beckmannshagen halte ich nicht für seriös, ist er klinischer Psychiater?

    War er, hat als irgendwas für diverse FWSen gearbeitet und da so einige der härteren Fälle mitbekommen.

    Seine Einschätzung Steiners „Ich glaube genügend versichert zu haben, daß ich von der Größe der Persönlichkeit Steiners tief überzeugt bin. Er war von überwältigender Größe!“ ist nicht nachvollziehbar: Auf welchem Gebiet soll Steiner etwas von „überwältigender Größe“ geschaffen haben?

    Beckmannshagen analysiert recht detailliert Steiners „Lebensgang“ und philosophische Positionen. Er hat sich demnach mit beeindruckender Stringenz in seine „geistige Welt“ hineingefochten. Das Buch ist lesenswert.

    Auch Steiners künstlerisches Werk erscheint uninspiriert, nicht jeder psychisch Kranke ist gleich ein großer Künstler.

    Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch der Anthroposoph Christian Grauer: http://www.schachtelhalm.net/s9y/archives/52-Genie-und-Dilettant-Annaeherungen-an-ein-Faszinosum.html

    Antworten
  • 27. Joachim  |  30. September 2009 um 11:03 pm

    Zu Lichte:
    Warum sollte ich wissen, was dieses Zitat bedeutet? Man kann Tausende von isolierten Zitaten aus der spirituellen, mystischen und mythologischen Literatur der letzten 4000 Jahre anführen, die niemand deuten kann. Das ist kein Kunststück. Erstens müsste ich den Zusammenhang kennen, und zweitens – selbst wenn ich den ganzen Zusammenhang nicht verstünde – wäre das auch nicht schlimm. Man kann es erstmal so stehen lassen. Die erwähnten philosophischen Bücher von Steiner verstehe ich, auch die über Goethe, vieles Theosophische bei ihm nicht.
    Zu Ansgar:
    Woher wissen Sie eigentlich, dass Religionen und Mythen „hinzugefügte Sinngebungen“ und „Rettungsanker“ in einer feindlichen Umwelt sind, um das Dasein zu meistern?
    Das ist eine von mehreren Sichten auf Mythen und Religionen,
    mehr aber auch nicht. Ich tendiere auch manchmal zu dieser Ansicht, sie ist die einfachere, dem heutigen Zeitgeist plausiblere, ermöglicht auch die Dekonstruktion von dubiosen Mythen. Aber sicher bin ich mir nicht. Picasso wurde mal gefragt, ob seine Bilder etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben und antwortete: Nein, es sind Fiktionen, aber nur durch sie dringe ich zur Wirklichkeit vor. Etwas in der Art könnte auch für Mythen und Religionen gelten.

    Antworten
    • 28. Andreas Lichte  |  1. Oktober 2009 um 6:18 pm

      Joachim,

      du schreibst: „Erstens müsste ich den Zusammenhang kennen …“

      Hier der Zusammenhang, der gesamte Vortrag aus „Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik“:

      http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=article&id=2874:dreizehnter-vortrag&catid=183:ga-293-allgemeine-menschenkunde&Itemid=14

      Du schreibst weiter: „… und zweitens – selbst wenn ich den ganzen Zusammenhang nicht verstünde – wäre das auch nicht schlimm.“

      Doch das wäre schlimm: Die „Allgemeine Menschenkunde“ ist nicht irgendeine „spirituelle, mystische und mythologische Literatur der letzten 4000 Jahre“ sondern das Buch, das von jedem angehenden Waldorflehrer gelesen wird, so wie von mir.

      Ich erwarte eine Antwort. Von dir.

  • 29. Joachim  |  1. Oktober 2009 um 7:26 pm

    Liche:
    Was du erwartest, ist mir egal. Ich hab weder die Lust noch die Zeit, jetzt Pädagogik-Aufsätze von Steiner durchzulesen. Vielleicht später einmal. Wieso ist es schlimm, wenn ein Waldorflehrer solche Sätze liest und nicht versteht? Steiner hat sich halt viele Gedanken gemacht – na und? Da kann jeder so drauf reagieren, wie er mag. Diese Fingernägel-Philosophie ist ja kein Aufruf zu irgendwelchen menschenverachtenden Aktionen. Ich kann mir vorstellen, dass sie in der Praxis des Unterrichtens nicht die geringste Rolle spielt. Solche Sätze, über die ich auch schmunzeln kann, scheint dich tief in der Seele zu kränken und empören. Das amüsiert mich ein wenig.
    Ist Steiner das geheime Zentrum deines Lebens geworden?

    Antworten
    • 30. Andreas Lichte  |  1. Oktober 2009 um 8:30 pm

      Joachim,

      ich finde es total gaga, dass kein einziger Anthroposoph Steiner versteht.

      Seltsamer Humor, den du da hast, vielleicht findest du die PRAXIS der Waldorflehrer-Ausbildung ja auch einfach nur „zum schmunzeln“? Lies doch mal, sag doch mal:

      „Wundersame Waldorf-Pädagogik oder Atlantis als Bewusstseinszustand“

      http://www.novo-magazin.de/71/novo7138.htm

    • 31. Andreas Lichte  |  1. Oktober 2009 um 8:32 pm

      Hallo Ansgar,

      kannst du bitte das „gaga“ illustieren? Hatten wir ja gerade noch im privaten Austausch. Huch! Ist das das „geheime Zentrum meines Lebens“?

    • 32. Ansgar  |  5. Oktober 2009 um 9:16 pm

      Offenbar.

  • 33. Andreas Lichte  |  6. Oktober 2009 um 9:15 pm

    … dann illustrier das doch mal, das „gaga“. Wenn dir selber nichts einfällt: zitier einfach Steiner …

    Hab heute jemanden gefragt: „Sind Sie Anthroposoph?“

    Antwort: „Wann ist man denn Anthroposoph?“

    „Wenn man DAS gut findet“ [ich ziehe Steiners „Allgemeine Menschenkunde“ aus dem Rucksack]

    „Dann ja.“

    „Dann fassen Sie mir das doch mal zusammen.“

    „Wie?“

    „Passen Sie auf, lesen Sie einfach die Textstelle, die ich orange angestrichen haben, und sagen Sie mir dann, was das bedeutet.“ [Textstelle: „Der Mensch steht der Außenwelt gegenüber. Das Geistig-Seelische strebt danach, ihn fortwährend aufzusaugen. Daher blättern wir außen fortwährend ab, schuppen ab. Und wenn der Geist nicht stark genug ist, müssen wir uns Stücke, wie zum Beispiel die Fingernägel, abschneiden, weil der Geist sie, von außen kommend, saugend zerstören will.“]

    Er liest und staunt und liest und staunt. Merkwürdig, er sagt gar nichts …

    Antworten
    • 34. Cardinal  |  8. Oktober 2009 um 3:43 pm

      Aber was sagt dir das? Was willst du damit sagen? Dass diese Stelle keinen Sinn macht? Dass Anthroposophen auch nichts mit Steiner anfangen können?

    • 35. Andreas Lichte  |  11. Oktober 2009 um 10:07 am

      … stell doch bitte keine rhetorischen Fragen.

      „Diese Stelle, die keinen Sinn macht“, ist Rudolf Steiners „Die Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik“.

      Nicht weniger. Den Zusammenhang habe ich schon MEHRMALS dargestellt. Wenn dir das immer noch nicht reicht, lies hier noch mal nach:

      „Waldorfschule: Vorsicht Steiner“

      Waldorfschule: Vorsicht Steiner

  • 36. Gertrud Kiefer-Volkert  |  9. Oktober 2009 um 2:43 pm

    Auf die Frage, ob man Anthroposoph sei, wurden wir in der Waldorflehrerausbildung vorbereitet: „Sagen Sie mir, was ein Anthroposoph ist und ich sage Ihnen, ob ich einer bin.“ wurde uns als Antwort empfohlen. Das klingt sehr weise und legt einen nicht fest.

    Tatsache ist, dass Waldorflehrer als Repräsentanten einer anthroposophischen Einrichtung Dinge vertreten sollen, die sie selber nicht vertreten können. Sie haben die Waldorfpädagogik nicht erfunden und können sie nicht ohne weiteres ändern, auch wenn sie einigen Änderungsbedarf erkennen. Unterschiedlichste persönliche Gründe haben die einzelnen Lehrer zur Waldorfpädagogik gebracht. Schwierig wird es nun, wenn einem als Lehrer z.B. bisher unbekannte Aspekte des Steinerschen Gedankengutes, etwa inform von Zitaten, entgegengehalten werden. Tja, da kommt man schnell in Erklärungsnöte oder man muss sich distanzieren. Beides kann schwierig werden, denn sämtliche Äusserungen von Waldorflehrern werden inquisitorisch geprüft. Am besten also liest man gleich das Gesamtwerk von Steiner, damit man weiss, was einen so erwartet.
    Damit ist man aber in der Falle, denn die schwierige Gedankenwelt von Rudolf Steiner beschäftigt einen problemlos ein halbes Leben lang. Wer hat schon so viel Zeit?
    Ich wollte z.B. nicht Philosoph, Anthropologe oder Kosmologe werden, zwar ist die Wissenschaftstheorie ein interessantes Forschungsgebiet, doch ich wollte nicht in die Forschung sondern in die Schule.
    Inzwischen gibt es interessante aufschlussreiche Forschung zur Anthroposophie, doch die hilft dem Waldorflehrer höchstens bei seiner Entscheidung endgültig auszusteigen,
    denn die Waldorfpädagogik ist in vielem überholt.
    Lese ich inzwischen Steiner, so handele ich mir regelmässig weitere Schocks ein, z.B. wenn ich in Steiners
    „Wendepunkte des Geisteslebens“ lese, dass er von Erkenntnis-Erlösung spricht. Was ist das für eine lieblose Betrachtungsweise? Ich weiss, an irgendeiner anderen Stelle, mit der dann für die Waldorfschule geworben wird, steht mal wieder beinahe genau das Gegenteil. Doch ist der ungeheure Erkenntnisdrang sicher ein wesentlicher Zug von Steiner.
    Die anthroposophische Gesellschaft bewahrt sein geistiges Erbe und will es fortführen – das darf sie gerne tun. Steiners Abhandlungen bieten sicherlich interessanten Stoff für alle möglichen Seminare, das will ich nicht bestreiten.
    Wehren tue ich mich jedoch, dass der Gedankenwust von Steiner den angehenden Waldorflehrern als pädagogische Grundlage unterbreitet werden soll. Auf Steiners Gedanken lässt sich meiner Meinung nach keine zeitgemässe Schule gründen.
    Zur Zeit beobachte ich mit Erstaunen, dass die Waldorfpädagogik hart und vor allem öffentlich kritisiert wird, zugleich immer mehr Waldorfschulen UNESCO-Status erhalten und Interkulturelle Waldorfschulen zur Integration von Migranten in Deutschland gegründet werden: für genügend Konfliktstoff hat Steiner selber gesorgt – er wird weiterhin umstritten bleiben.

    Antworten
    • 37. Andreas Lichte  |  11. Oktober 2009 um 10:15 am

      @ Gertrud Kiefer-Volkert

      Wie angehende Waldorflehrer einer Steiner-„Gehirnwäsche“ unterzogen werden, können Sie in meinem Bericht aus dem „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“ nachlesen, siehe:

      „Wundersame Waldorf-Pädagogik oder Atlantis als Bewusstseinszustand“

      http://www.novo-magazin.de/71/novo7138.htm

      Der Ausdruck „Gehirnwäsche“ stammt nicht von mir, sondern von einem Mitseminaristen. Es gab viele, die Steiner krank fanden bis hassten, aber als die Stellenangebote kamen, verstummten sie plötzlich …

    • 38. Jörg Thomsen  |  11. Dezember 2009 um 10:16 am

      @ Gertrud Kiefer-Volkert:

      z.B.:“kann schwierig werden, denn sämtliche Äusserungen von Waldorflehrern werden inquisitorisch geprüft“

      also ich möchte Ihre/Deine Äüßerungen und Erfahrungen keineswegs in Frage stellen.
      Man muß jedoch kein idealischer Verfechter des Gegenstandes sein, um hier sowohl herzhaft belustigt wie ernsthaft hinterfragend
      zu reagieren.
      Das ähnliche ist der Fall, wenn Menschen der Gegenwart im öffentlichen Raum sagen, Kühe hätten keine Hörner.
      Man weiß als einigermaßen gebildeter Mensch,daß das nicht wahr ist und kann gewissenhaftermaßen gar nicht ohne Widerspruch sein.
      Ganz anders, friedlich und interessiert kann man aber mit folgender Nuance der Kommunikation umgehen :
      „Letztens sah ich in einem Stall Kühe, die keine Hörner hatten“
      Daß sog. Anthroposophen ihre Not in dieser Art Nuancierung von Kommunikation haben ist schlichtweg kein Geheimnis.
      Daß ihre Kritiker dies vielfach nicht besser machen, stellt sie auf eine fast identische Stufe, auch inhaltlich.
      Nicht am WAS, am WIE scheiden sich die Gemüter.

    • 39. Andreas Lichte  |  13. Dezember 2009 um 8:54 am

      @ Jörg Thomsen

      Was wollen Sie uns eigentlich sagen? Dass Sie keine Hörner haben?

      Das Zitat von Gertrud Kiefer-Volkert: “kann schwierig werden, denn sämtliche Äusserungen von Waldorflehrern werden inquisitorisch geprüft“ kann ich bestätigen.

      Andere können das auch. Hier ein Brief an den Berliner Bildungssenator, der die Ausbildung zum Waldorflehrer am “Seminar für Waldorfpädagogik Berlin” beschreibt:

      “M.S. [Name und Adresse entfernt, Datenschutz]

      Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung
      Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner
      Beuthstr. 6-8
      10117 Berlin

      Bitte um staatliche Prüfung der Lehrerbildung und damit verbundener Lehrinhalte am Waldorf- Lehrerseminar Berlin- Mitte

      Berlin, 28.2.2007

      Sehr geehrter Prof. Dr. Zöllner,

      ich habe von September 2006 bis Ende Februar 2007 an der Weiterbildung zum Waldorflehrer/ Abendkurs am Seminar für Waldorfpädagogik e.V. in Berlin- Mitte, Weinmeisterstraße 16, 10178 Berlin, teilgenommen.

      Was dort als Lehrerbildung bezeichnet wird, ist meiner Erfahrung nach die Vermittlung anthroposophisch- esoterischer Inhalte, ohne Duldung sachlicher Kritik, die seitens der teilnehmenden Seminaristen geäußert wurde. Zur Weiterbildung gehört die Besprechung und Auslegung esoterischer Texte des Begründers der Anthroposophie Rudolf Steiner. Diese Besprechungen und Auslegungen haben den Charakter einer ideologischen Schulung, die das anthroposophische Menschenbild im zukünftigen Lehrer fest verankern soll. Das bedeutet, dass die äußerst fragwürdigen Anschauungen Steiners in den zu lehrenden Unterrichtsstoff der Waldorfschulen einfließen.

      Noch vor Beginn des Seminars wurde mir vom Dozenten und Seminarleiter Michael Handtmann beim Vorstellungsgespräch versichert, dass ich keinesfalls zum „willigen Schüler Rudolf Steiners“ ausgebildet werden solle. Das Gegenteil war der Fall. Ich möchte klarstellen, dass ich nicht im Verlauf einer offenen Auseinandersetzung das Seminar verlassen habe, sondern schlicht um eine Auflösung meines Lehrgangsvertrages gebeten habe.

      Viele meiner Mit- Seminaristen waren ebenso verwundert und abgestoßen von der Indoktrination esoterischer Schulungsinhalte, doch offene Kritik kam nur bei den wenigsten auf. Grund dafür ist die berufliche und ökonomische Lage der meisten Seminaristen, die sich durch die Weiterbildung zum Waldorflehrer eine berufliche Perspektive erhoffen. Die meisten der Seminaristen sind ebenso wie ich über 30 Jahre und älter – viele von ihnen von Arbeitslosigkeit bedroht. Da Kritik von den Dozenten des Seminars mit Schweigen oder beleidigter Ablehnung beantwortet wurde, ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrheit schweigt, obwohl viele anders denken – niemand möchte seinen zukünftigen Arbeitsplatz gefährden.

      Zur Methodik des Unterrichts: Ich besuchte die Oberstufenmethodik. Auch hier war die Grundlage jeglicher Betrachtung seitens der Dozenten Rudolf Steiner: alles beginnt und endet mit ihm. Jede Empfehlung, jedes Betrachten des Schülers und des Unterrichts wird durch die Texte Steiners erklärt und interpretiert. Da bleibt kein Raum für Veränderungsvorschläge oder eine wissenschaftliche Auseinandersetzung – ein Vergleich mit pädagogischen Standardwerken findet nicht statt.

      Ich frage mich ernsthaft, wo dabei das eigene Denken eines zukünftigen Lehrers bleiben soll, es wird einfach ersetzt, denn die obskuren Schriften Steiners liefern nach Ansicht der Dozenten die Antworten auf alle Fragen. Diese Art von Lehrerbildung verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht im Denken und Handeln der Teilnehmer, sie ist sektiererisch und esoterisch- ideologisch. Deshalb bitte ich sie nachdrücklich, das Aufsichtsrecht des Staates zu nutzen, um die Lehrerbildung des Seminars für Waldorfpädagogik eingehend kritisch zu prüfen.

      Mit freundlichen Grüßen
      M.S.”

    • 40. Gertrud Kiefer-Volkert  |  10. Januar 2010 um 2:55 pm

      Danke für diesen Brief, ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht. Doch dachte ich, dass ich trotz der versuchten Vereinnahmung mit einigem kritischen Verstand und in gewisser Distanz in der Waldorfschule arbeiten könne. Es ist mir nicht gelungen, die Komplexität und die Tiefe der anthroposophischen Schulung habe ich unterschätzt. Die Texte, die Ersatzgebete, die künstlerischen Betätigungen und die beständige Lektüre von waldorftypischen Schriften, die permanente Konfrontation mit anthroposophischer Ansichten, der Versuch der Auseinandersetzung damit (die Auseinandersetzung mit der Anthrosophie wurde von uns in der Waldorflehrerausbildung verlangt, nicht die „Nachfolge“) haben mein Denken verändert, langsam aber sicher ging eine
      innere Wandlung bei mir vor sich. Fand ich anfangs vieles interessant und durchaus bedenkenswert, ging ich abwägend mit vielem um, machte ich meine Selbsterfahrungen, indem ich mich engagierte, z.B. selber Theater spielte (die „kanonischen“ und für die Waldorfschule verpflichtenden Oberuferer Weihnachtsspiele), so stürzte doch irgendwann mein „Himmel“ über mir zusammen, die mir auf diese Art und Weise
      eingehandelten emotionalen und kognitiven Konflikte konnte ich fast nicht mehr lösen. Das neue Weltbild passte nicht mit dem zusammen, was ich bislang verinnerlicht hatte. Die Unvereinbarkeit des neuen „Glaubens“, der neue „Altar“ gerieten mir zur bedrohlichen Zerreißprobe. War das nun die geheimnisvolle „Einweihung“, die mich ereilte und der ich zu entfliehen suchte? Ich fand keine Erklärungen mehr für meine Seelenzustände, musste erstmal zur Ruhe zu kommen und fing dann an kritisch zu arbeiten. Ich war wohl zu weit gegangen mit mir, hatte mir zuviel zugemutet, hatte auf falsche Autoritäten vertraut. Selber Schuld?!
      Im Nachhinein bin ich ziemlich ernüchtert und auch enttäuscht darüber, dass all diese anthroposophischen Aktivitäten – ich hatte auf eine funktionierende Aufsicht vertraut – irgendwie dann doch geduldet sind: ein Fehler, der korrigiert werden kann.
      Die Waldorflehrerausbildung ist ,wie in diesem Brief dargelegt,
      völlig einseitig auf Rudolf Steiner und die Anthroposphie ausgerichtet, insbesondere gibt es praktisch keinen Dialog mit der Pädagogik der öffentlichen Schulen und wenn, findet er auf eine formalistische, doch überhebliche Art und Weise statt.
      Ein weiterer Punkt ist die äußerst subtile Beeinflussung der Kinder in den Waldorfkindergärten, die oft ohne allgemein übliche pädagogische Erkenntnisse arbeiten. Deren Arbeit (bei der Ausbildung angefangen) sollte ebenfalls eingehend überprüft werden. Eine politische Bewertung der gesamten Waldorfpädagogik halte ich für absolut nötig.

  • 41. Gertrud Kiefer-Volkert  |  4. November 2009 um 9:50 am

    Die programmatischen Titel von Rudolf Steiner spannen einen weisheitsvollen Rahmen auf, durch den man sich angeblich die Welt anschauen kann, doch die Inhalte enttäuschen nicht zuletzt durch ihre Oberflächlichkeit. Vielversprechenderweise heisst es z.B.
    (zitiert nach Anthrowiki):

    GA 127
    Die Mission der neuen Geistesoffenbarung
    Das Christus-Ereignis als Mittelpunktsgeschehen der Erdenevolution (Sechzehn Vorträge zwischen dem 5. Januar und 26. Dezember 1911 in verschiedenen Städten:

    Die verschiedenen Zeitalter der Menschheitsentwickelung/Auswirkung moralischer Eigenschaften auf das Karma/Einiges über das Innere der menschlichen Seele und ihr Verhältnis zur Welt/Die Beziehung der menschlichen Wesensglieder zur Menschheitsentwickelung und zum Lebenslauf.Gottessohn und Menschensohn/Weisheit, Frömmigkeit und Lebenssicherheit/Die Arbeit des Ich am Kinde/Vom Einfließen spiritueller Erkenntnisse in das Leben/Ossian und Fingalshöhle/Erbsünde und Gnade/Die Mission der neuen Geistesoffenbarung/Glaube,Liebe,Hoffnung/Symbolik und Phantasie mit Bezug auf das Mysterium >> Die Prüfung der Seele <</Anhang: der dreifache Ruf aus der geistigen Welt (Notizen)

    oder GA 93
    Die Tempellegende und die Goldene Legende
    als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen
    Aus den Inhalten der Esoterischen Schule
    Zwanzig Vorträge gehalten in Berlin zwischen dem 23. Mai 1904 und dem 2. Januar 1906
    (Anmerkung nach Anthrowiki: Die in diesem Band zusammengefaßten Vorträge gehören insofern zum Lehrgut von Rudolf Steiners Esoterischer Schule, als durch sie eine gewisse Form esoterischen Arbeitens vorbereitet werden sollte. Dabei bildeten die Tempellegende und die Kreuzesholz- bzw. Goldene Legende einen Hauptmeditationsstoff.)
    Inhalt:
    Pfingsten, das Fest der Befreiung des Menschengeistes/Der Gegensatz von Kain und Abel/Die Mysterien der Druiden und Drotten/Die Prometheussage/Das Mysterium der Rosenkreuzer/Der Manichäismus/Wesen und Aufgabe der Freimaurerei vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft/Der den Geheimgesellschaften zugrunde liegende Gedanke von Evolution und Involution/Über den verlorenen und wiederzuerrichtenden Tempel im Zusammenhang mit der Kreuzesholz- oder Goldenen Legende/Der Logos und die Atome im Lichte des Okkultismus/Freimaurerei und Menschheitsentwickelung (Doppelvortrag einmal vor Männern und das andere Mal vor Frauen)/Die königliche Kunst in einer neuen Form/Notizbucheintragungen zum Vortrag Berlin, 2. Januar 1906/Über Goethe und sein Verhältnis zum Rosenkreuzertum.

    So sehen also inneranthroposophisch bedeutsame Schriften Steiners aus. Versucht man sich in einem allgemeinen Lexikon darüber zu orientieren, wird man nicht weit kommen.

    Antworten
  • 42. Gertrud Kiefer-Volkert  |  24. November 2009 um 3:39 pm

    Fair finde ich auch folgende Äusserung, die ich aus einer Rezension entnehme, die aus dem Vorwort von Cornelia Giese`s <> zitiert:
    „… Nicht mal bei den einzelnen anthroposophischen Waldorflehrerinnen, die vor lauter Arbeit oftmals gar nicht dazu kommen überhaupt zu lesen, geschweige denn den schwerverdaulichen Einsichten eines kokainsüchtigen Steiners (vgl. mein Buch: Rudolf Steiner und die Frauen) folgen zu können.“

    Da haben wirs: Steiners Denken war also durch Kokain, einer Droge, die in seiner Zeit durchaus verbreitet und salonfähig war, beeinflusst. Daher die Gedankenfülle, die Dichte, die Assoziationen usw.?

    Weiter gehts: “ Auch wenn man Steiner als Wegbereiter für den Faschismus sehen möchte, muss man fairer Weise die Stellen bei Hitler mit zitieren, die es ja auch gibt und in denen Hitler Rudolf Steiner explizit erwähnt …“

    Also doch: Hitler hat Steiner rezipiert und sich möglicherweise von ihm inspirieren lassen. Dass er zugleich Anthroposophen bekämpft hat, steht nicht im Widerspruch dazu. Hat sich Hitler in der Tradition der Mysterienleiter gesehen? Ist darin sein Motiv zu finden? Wollte er nun die Weltgeschicke bestimmen, sich zum Vollstrecker des von Steiner vorgesagten Schicksals des zwanzigsten Jahrhunderts machen, des Schicksals, das Steiner in „Wendepunkte des Geisteslebens und die Mysterien des Altertums“ darstellte, nachdem er die Vergangenheit zusammengefasst und esoterisch erläutert hat?“
    Für Normaldenker sind solche Gedankengänge kaum nachzuvollziehen. Aber Hitler hat vielleicht auch Drogen genommen, war wohl an Okkultes gewöhnt – konnte er an diese Gedanken Steiners anknüpfen und hat er sich dazu berufen gefühlt, diese Prophezeiuungen von Steiner zu erfüllen?

    Antworten
    • 43. Ansgar  |  24. November 2009 um 8:40 pm

      Liebe Gertrud,

      Vorsicht! Zu einer angeblichen Drogenabhängigkeit Steiners liegen nicht wirklich gesicherte Fakten vor, im Gegenteil. Für „Dichte“ braucht es keineswegs Drogen. Es gibt einfache und bessere Thesen zur Herkunft von Steiners auch absonderlichsten Passagen. Auch die Eindrücke von Steiners durchaus kritischen Zeitgenossen (vgl. etwa „Der andere Rudolf Steiner“, Pforte Verlag 2004) schildern nicht wirklich die Symptome, die zu Kokain passen würden. Das Argument eignet sich höchstens zum bloßstellen von AnthroposophInnen „Haha, ihr seid auf einen Kokainjunkie reingefallen“, und das ist für eine Dikusion sehr unsachlich.

      Des Weiteren ist es der Nazilehre gegenüber verharmlosend und die Steinersche verkennend, beide für identisch zu erklären. Auch das Weltbild der „Ariosophen“ ist eher marcionistisch-manichäistischch (Fall der „elektrischen“ „Arier“ in die Materie und ihre Erlösung ins amaterielle Pleroma), das theosophische zieht die Rassentheorie aus der bejahten Evolutionslehre, die die AriosophInnen verneint hätten: Sie wollten keine „Höherentwickelung“, für die gab es in ihrem Weltbild an keiner Stelle Platz.

      Hitler hat sich kaum gegenüber Steiner geäußert, „Dreigliederung“ abgelehnt (sie hätte zum Nazistaat trotz Steiners Demokratiekritik auch gar nicht gepasst), wenn er es aber tat, dann hat er Steiner für „verjudet“ und nichtig gehalten. Siehe sehr detailliert Uwe Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, das auch bei google-books steht.

      Hätte Hitler EsoterikerInnen gesucht, hätte er in Eckard, Rosenberg, Lanz, List und ihren Konsorten, bei Favorisierung eines theosophischen Modells bei Vollrath, unendlich viel passendere Konzepte gefunden.

      Das Postulat eines okkulten Selbstbildes bei Hitler halte ich für gefährlich. Ja, die Thulegesellschaft hatte um drei Ecken mit ein paar Ariosophen zu tun, List und Lanz haben ein paar Nazis inspiriert und Himmler hat (nicht sonderlich erfolgreich) versucht, die SS gänzlich esoterisch zu gestalten. Die Nazi-Mystifizierung seit Pauwels/Bergier, dem ruhmgeilen Rauschning, diesem lächerlichen Ravenscroft etc. hat wenig mit tatsächlichen Begebenheiten zu tun. Das ist so wie die Weltverschwörung der Freimaurer, Iluminaten, Rosenkreuzer und all der anderen…

      Siehe zu diesem Komplex Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne, Marix Verlag, 2009, S. 220-271. Ein repräsentatives Zitat aus diesem Buch auch am Ende meines Artikels https://waldorfblog.wordpress.com/2009/07/15/ravagli-die-rassen-und-die-rechten/

    • 44. Gertrud Kiefer-Volkert  |  13. Dezember 2009 um 10:32 pm

      An Ansgar:

      Bei weitem halte ich nicht Steiners und Hitlers Weltanschauung für identisch. Hitler war z.B. sicherlich -zig fach dümmer als Steiner – er hatte sicher kein Intellektueller.
      Doch ein anderer Aspekt: Hätte Rudolf Steiner sich als Demokrat eingebracht statt seinem kompliziert persönlich begründeten Demokratieersatz zu frönen, wäre politisch vielleicht mehr gewonnen gewesen.
      Die G e w a l t e n t e i l u n g als Grundprinzip der Demokratie war damals und ist bis heute eine ihrer wichtigen Sicherungen, die Steiner nicht anerkannt hat. Der Faschismus des Dritten Reiches konnte doch nur aufsteigen, weil die Demokratie nicht genügend (in den Köpfen) gefestigt war.
      Auch Rudolf Steiner war einer, der nicht wirklich auf dem Boden des Grundgesetzes stand. Dadurcht wirkte er diesbezüglich letztlich kontraproduktiv, was ihm jedoch nicht bewusst war – er würde dies sicher heftig bestreiten.
      Zu den von ihm vorhergesagten Entwicklungen des Dritten Reiches hat er selber indirekt beigetragen, indem er öffentlich auftrat. Bewirkt hat er damit das Gegenteil dessen, was er beabsichtigte.
      Denn dass seine populär-tiefgründigen Gedanken als Konkurrenz empfunden wurden, die das Machtstreben der Nazis beförderten, ist wohl historisch belegt.

    • 45. Ansgar  |  14. Dezember 2009 um 7:31 pm

      Gut! Das ist sicher richtig, das klang für mich nur aus deinem vorigen Post nicht so raus…

  • […] antijüdische Vorbehalte gehören, wie sein vergöttertes ICH, zu einer der Kontinuitäten zwischen seinem philosophischen und seinem esoterischen Werk: Mehrfach […]

    Antworten
  • […] Ich bin mir zwar  (1.) relativ sicher, dass Steiners Visionen von Dämonen und ihren irdischen Manifestationen Projektionen oder sogar Persönlichkeitsabspaltungen waren (Die ihm unheimliche Emotion wurde zum Reich des Luzifer, das, was er Materialismus nannte, zum Reich Ahrimans), die er aber meditativ tatsächlich so erlebte und wahrnahm (Die Mächte des (L)ICH(ts)). […]

    Antworten
    • 48. Gertrud Kiefer-Volkert  |  7. Februar 2010 um 6:32 pm

      Dieser Deutung kann ich folgen. Wie interpretieren Sie dann die Vorahnungen (Prophezeiungen) von Rudolf Steiner, mit denen er sich politisch interessant macht? Ich befürchte nämlich, dass Rudolf Steiners Vorhersagen, ähnlich wie tiefe Vorhersagen in der Katholischen Kirche (Fatima oder Marpingen – letztere stimmen teils mit denen von Steiner überein) sehr wohl gedeutet werden, nur von wem? Meiner Ansicht nach haben solche Vorhersagen einen tiefen Bedeutungszusammenhang, sie sind jedoch schwer auszuwerten, vor allem wenn es um die zeitferneren Prognosen geht.
      Sehen Sie diese Vorhersagen im Zusammenhang mit dem Selbsterhaltungstrieb? Das wäre mein Vorschlag.

  • 49. apocalypses « zooey  |  31. Dezember 2009 um 11:00 pm

    […] people who are ahrimanic, Ahriman himself will incarnate… (Se also this somewhat older post on Waldorf Blog, with some perspectives on Steiner’s mentalities and […]

    Antworten
  • […] Schon als Kind hatte Steiner sich – durch eine wesentlich dickere, nicht von ihm verursachte “Wand“ – von anderen abgeschieden gefühlt. Er hatte in jungem Alter kaum Kontakt zu Gleichaltrigen, die Kinder in seinem zeitweiligen Heimatdorf Neudörfl schlossen ihn als „Fremden im Dorfe“ von Spielen aus. Steiners Vater scheint Fragen abgewiesen zu haben – so dass Steiner sich alsbald in eine „eigene Welt“ zurückzog. Dagegen will Steiner im Mathematikunterricht sein Vergnügen gefunden haben, so meinte er, „dass er an der Geometrie zuerst das Glück kennengelernt habe.“ (Die Mächte des (L)ICH(ts) – Symptome der Steinerschen „Geisterkenntnis“).  […]

    Antworten

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Hallo allerseits,
Ich bin Ansgar Martins, geb. 1991 und war bis Juni 2010 Schüler an der FWS Mainz. Inzwischen studiere ich Religionsphilosophie, Soziologie und Geschichte in Frankfurt a. M. Dieser Blog ( dessen "Leitbild" ganz oben rechts ) ist mein persönliches Projekt, um die oft einseitigen und selbstgerechten Pro- und Contra-Positionen in der Debatte um die Waldorfpädagogik und Anthroposophie kritisch zu kommentieren. Ich hoffe, das gelingt, und freue mich über Rückmeldungen jeder Art!

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